Es klingt widersprüchlich, wenn ein Zeitungsartikel mit der Nachricht beginnt, dass ein Arzt seit 2015 erst in Bremen und seit 2017 auch in Niedersachsen das gesetzlich vorgeschriebene klinische Krebsregister bekämpft. Doch genau so stellt die Nordwest-Zeitung ihren Lesern Dr. Volker Meyer vor, als einen Arzt, der das Krebsregister bekämpft, obwohl dieses doch helfen soll Krebs besser erforschen und therapieren zu können. Natürlich hat der Arzt nichts Grundsätzliches gegen ein Krebsregister, nur stimmt für ihn am Krebsregistergesetz etwas nicht..
Es gibt es ein epidemiologisches Krebsregister, dessen Daten zum Beispiel aufzeigen sollen, ob es eine Zunahme von Karzinom X bei Männern in der Altersgruppe Y gibt. Das klinische Krebsregister wiederum soll Auskunft darüber geben, welche Behandlungen bei welchem Patienten welches Ergebnis gebracht haben. „An für sich eine gute Sache“, sagt Meyer der Zeitung. Doch: „Warum müssen die Daten für das klinische Krebsregister personenbezogen erhoben werden?“, fragt Meyer, der als Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Oldenburg praktiziert. Er müsse laut Krebsregistergesetz Diagnose, Behandlung und Krankheitsverlauf melden, aber auch Namen und Anschrift des jeweiligen Patienten. Der Name solle zwar im Bearbeitungsprozess „pseudonymisiert“ werden. Doch wer könne die Pseudonymisierung zurückverfolgen? Wo würden die sensiblen Daten bleiben? Und warum hat der Patient kein Widerspruchsrecht?
Das habe 2017 auch die Landesdatenschutzbeauftragte in Hannover, Barbara Thiel bemängelt. Sie habe Änderungen gefordert, doch der Landtag hätte den Hinweis ignoriert und das Gesetz ohne Widerspruchsrecht beschlossen. Somit bestehe die Kritik von 2017 „grundsätzlich weiter“, wie ein Sprecher der Datenschutzbeauftragten der Nordwest-Zeitung auf Nachfrage erklärt hätte.
Im letzten Frühjahr hatte auch der bayerische Landes-Datenschutzbeauftragte Thomas Petri Bedenken gegen das Krebsregistergesetz des Freistaats geäußert, obwohl dort krebskranke Menschen immerhin ein Widerspruchsrecht gegen die Speicherung ihrer persönlichen Daten wie Name und Adresse in dem Register haben, darüber berichtete t-online.de seinerzeit. "Wenn der Patient Widerspruch eingelegt hat: Reicht das einmal? Oder muss ich immer wieder bei Untersuchungen darauf hinweisen, dass ich der Erfassung meiner Identitätsdaten widersprochen habe?", habe Petri angemerkt. Zudem befürchte er technische Sicherheitslücken, die dazu führen könnten, dass sensible Daten in falsche Hände geraten.
Dr. Meyer aus Oldenburg sehe in dem Krebsregister seines Landes „einen Angriff auf das hohe Gut der ärztlichen Schweigepflicht“. Es würde ihm „Bauchschmerzen bereiten, dass Ärzte gegen Androhung von Strafzahlungen zunehmend als Datensammler missbraucht würden. Werde es irgendwann ein Register zu Suchterkrankungen geben, psychische Instabilitäten, Erbkrankheiten? Hätten nicht Versicherer, Arbeitgeber, Banken großes Interesse an solchen Daten? „Selbst wenn man heute vernünftig damit umgeht – vielleicht tun es andere politische Kräfte irgendwann nicht mehr“, warnt er in der Nordwest-Zeitung. Denn gerade im Hinblick auf die aktuellen Digitalisierungspläne des Gesundheitsministeriums frage er sich, ob das Krebsregister eine Art „Testballon“ gewesen sein könnte.