In letzter Zeit war es ja eher selten, dass Angela Merkel sichtbar gut gelaunt und aufgeräumt in der Öffentlichkeit aufgetreten ist. Doch am Montag, zum Beginn des zweiten Lockdowns, war es so weit. Als sie vor die Bundespressekonferenz trat, um die Medienvertreter auf ebendiesen Lockdown und ihre Corona-Politik einzuschwören, wirkte die Kanzlerin manchmal beinahe fröhlich.
Eigentlich wollte ich mir das gar nicht anschauen, konnte dann aber doch nicht widerstehen. Hätte ich doch… Tagelang musste ich es verdauen, bevor ich zu dieser kleinen Anmerkung in der Lage war.
Vielleicht bin ich ja durch den monatelangen Ausnahmezustand etwas überspannt, aber mein Eindruck war, sie hatte Freude daran, die neuen Regeln zu verkünden. Denjenigen, die versuchten, zu ergründen, warum denn Restaurants schließen müssten, Friseure aber nicht, wurde gleich mal um die Ohren gehauen, hier gehe es nicht darum, etwas vielleicht doch zu öffnen. Nein, wer solche Fragen stellt, bekommt zu hören, die Kontakte müssten beschränkt werden und wenn die gegenwärtigen Regeln ungerecht seien, dann müsse eben um der Gerechtigkeit willen alles geschlossen werden. Nein, ich rege mich jetzt nicht auf.
Ein besonderes Phänomen, das mich schon bei ihrer Regierungserklärung vor dem Bundestag aufhorchen ließ, ist ihre neue Zeitrechnung. Der Winter sei nämlich, so Merkel vor dem Bundestag, vier Monate lang. Ein Versprecher? Nein, denn vor der Hauptstadtpresse wiederholte sie erst die vier Monate, um ihn dann noch ein wenig zu verlängern, denn „eigentlich ist er erst vorbei, wenn es richtig Frühling ist“. Wann ist „richtig Frühling“?
Tja, liebe Leute, dann stellen wir uns jetzt mal auf eine lange, dunkle, freudlose, kulturlose, gastronomiebefreite Zeit ein, möglichst ohne zwischenmenschliche Kontakte.
Das klang irgendwie genauso wie damals, als Frau Merkel aus Südafrika in die deutschen Nachrichten geschaltet wurde, um zu verkünden, dass die Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten rückgängig zu machen sei.
Bekommt das Jahr jetzt 13 Monate?
Der Winter dauert jetzt also von November bis April oder Mai, wenn es „richtig Frühling“ wird. Da frage ich mich jetzt, ob die anderen Jahreszeiten dann auch verlängert werden oder verkürzt oder ob das Jahr jetzt 13 oder 15 Monate bekommt? Und wenn, wie in manchen Jahren, es erst im Juni richtig warm wird, dann ist der Winter sieben Monate. Juchheißa.
Ich vermute, die Frage wird mir niemand beantworten, Angela Merkel sowieso nicht. Das habe ich auf dieser Bundespressekonferenz am Montag auch wieder sehen dürfen. Sie muss ja nicht jede Frage beantworten. Manche Fragen der Journalisten-Kollegen lassen sie so unbeeindruckt, dass sie nicht beantwortet werden. Bei anderen kann sie dafür so richtig Fahrt aufnehmen. Sogar so viel Fahrt, dass sie vergisst, was eigentlich die Frage war, weil sie so eine schöne Steilvorlage für ihre vorbereiteten Begründungen bot.
Auch konnte ich mich am Ende des Eindrucks nicht erwehren, dass kaum einer der Journalisten wirklich kritische Fragen stellte. Manche klangen eher so, als wären sie vorher von der Pressestelle ausgegeben worden. Und wieso bekommen die Journalisten bei der Kanzlerin nicht die Möglichkeit einer Nachfrage? War das nicht früher eigentlich das Salz in der Suppe einer Pressekonferenz?
An diesem Tag holte mich auch der Lockdown-Alltag ein. Die Fußpflegerin rief am Morgen an, um mir zu sagen, dass sie jetzt nur noch Patienten mit ärztlichem Rezept behandeln dürfe. Wer ohne Rezept kommt und seine Rechnung selbst bezahlt, dürfe nicht mehr behandelt werden. Meine Aufregung können Sie sich vorstellen. Da ist ja die gleiche (Un-)Logik enthalten, wie bei den meisten Regeln. Keine zwei Stunden später die erlösende Kurznachricht, es hätte eine Mail vom Bundesverband gegeben, nach der man jetzt doch alle behandeln dürfe.
Vielleicht kommt auch bald noch eine Kurznachricht oder ein Twitterchen: War nur Spaß, Versuch beendet, der Winter dauert, wie alle anderen Jahreszeiten und ab jetzt leben wir wieder normal und behandeln Corona wie andere gefährliche Krankheiten.
Frau wird ja noch träumen dürfen.