Clara Hagen, Gastautorin / 06.11.2020 / 10:00 / Foto: R.Letsch / 30 / Seite ausdrucken

Angelas Wintertraum

In letzter Zeit war es ja eher selten, dass Angela Merkel sichtbar gut gelaunt und aufgeräumt in der Öffentlichkeit aufgetreten ist. Doch am Montag, zum Beginn des zweiten Lockdowns, war es so weit. Als sie vor die Bundespressekonferenz trat, um die Medienvertreter auf ebendiesen Lockdown und ihre Corona-Politik einzuschwören, wirkte die Kanzlerin manchmal beinahe fröhlich.

Eigentlich wollte ich mir das gar nicht anschauen, konnte dann aber doch nicht widerstehen. Hätte ich doch… Tagelang musste ich es verdauen, bevor ich zu dieser kleinen Anmerkung in der Lage war.

Vielleicht bin ich ja durch den monatelangen Ausnahmezustand etwas überspannt, aber mein Eindruck war, sie hatte Freude daran, die neuen Regeln zu verkünden. Denjenigen, die versuchten, zu ergründen, warum denn Restaurants schließen müssten, Friseure aber nicht, wurde gleich mal um die Ohren gehauen, hier gehe es nicht darum, etwas vielleicht doch zu öffnen. Nein, wer solche Fragen stellt, bekommt zu hören, die Kontakte müssten beschränkt werden und wenn die gegenwärtigen Regeln ungerecht seien, dann müsse eben um der Gerechtigkeit willen alles geschlossen werden. Nein, ich rege mich jetzt nicht auf.

Ein besonderes Phänomen, das mich schon bei ihrer Regierungserklärung vor dem Bundestag aufhorchen ließ, ist ihre neue Zeitrechnung. Der Winter sei nämlich, so Merkel vor dem Bundestag, vier Monate lang. Ein Versprecher? Nein, denn vor der Hauptstadtpresse wiederholte sie erst die vier Monate, um ihn dann noch ein wenig zu verlängern, denn „eigentlich ist er erst vorbei, wenn es richtig Frühling ist“. Wann ist „richtig Frühling“?

Tja, liebe Leute, dann stellen wir uns jetzt mal auf eine lange, dunkle, freudlose, kulturlose, gastronomiebefreite Zeit ein, möglichst ohne zwischenmenschliche Kontakte.

Das klang irgendwie genauso wie damals, als Frau Merkel aus Südafrika in die deutschen Nachrichten geschaltet wurde, um zu verkünden, dass die Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten rückgängig zu machen sei.

Bekommt das Jahr jetzt 13 Monate?

Der Winter dauert jetzt also von November bis April oder Mai, wenn es „richtig Frühling“ wird. Da frage ich mich jetzt, ob die anderen Jahreszeiten dann auch verlängert werden oder verkürzt oder ob das Jahr jetzt 13 oder 15 Monate bekommt? Und wenn, wie in manchen Jahren, es erst im Juni richtig warm wird, dann ist der Winter sieben Monate. Juchheißa.

Ich vermute, die Frage wird mir niemand beantworten, Angela Merkel sowieso nicht. Das habe ich auf dieser Bundespressekonferenz am Montag auch wieder sehen dürfen. Sie muss ja nicht jede Frage beantworten. Manche Fragen der Journalisten-Kollegen lassen sie so unbeeindruckt, dass sie nicht beantwortet werden. Bei anderen kann sie dafür so richtig Fahrt aufnehmen. Sogar so viel Fahrt, dass sie vergisst, was eigentlich die Frage war, weil sie so eine schöne Steilvorlage für ihre vorbereiteten Begründungen bot.

Auch konnte ich mich am Ende des Eindrucks nicht erwehren, dass kaum einer der Journalisten wirklich kritische Fragen stellte. Manche klangen eher so, als wären sie vorher von der Pressestelle ausgegeben worden. Und wieso bekommen die Journalisten bei der Kanzlerin nicht die Möglichkeit einer Nachfrage? War das nicht früher eigentlich das Salz in der Suppe einer Pressekonferenz?

An diesem Tag holte mich auch der Lockdown-Alltag ein. Die Fußpflegerin rief am Morgen an, um mir zu sagen, dass sie jetzt nur noch Patienten mit ärztlichem Rezept behandeln dürfe. Wer ohne Rezept kommt und seine Rechnung selbst bezahlt, dürfe nicht mehr behandelt werden. Meine Aufregung können Sie sich vorstellen. Da ist ja die gleiche (Un-)Logik enthalten, wie bei den meisten Regeln. Keine zwei Stunden später die erlösende Kurznachricht, es hätte eine Mail vom Bundesverband gegeben, nach der man jetzt doch alle behandeln dürfe.

Vielleicht kommt auch bald noch eine Kurznachricht oder ein Twitterchen: War nur Spaß, Versuch beendet, der Winter dauert, wie alle anderen Jahreszeiten und ab jetzt leben wir wieder normal und behandeln Corona wie andere gefährliche Krankheiten.

Frau wird ja noch träumen dürfen.

Foto: R.Letsch

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Hans-Peter Dollhopf / 06.11.2020

Interessanter Schachzug: “Denjenigen, die versuchten, zu ergründen, warum denn Restaurants schließen müssten, Friseure aber nicht, wurde gleich mal um die Ohren gehauen, hier gehe es nicht darum, etwas vielleicht doch zu öffnen. Nein, wer solche Fragen stellt, bekommt zu hören, die Kontakte müssten beschränkt werden UND wenn die gegenwärtigen Regeln ungerecht[!] seien, dann müsse eben um der Gerechtigkeit[!] willen alles geschlossen werden.” Der Trick ist hier: Merkel hat die Frage nach der Sinnhaftigkeit transformiert in eine Frage nach der Gerechtigkeit, da die Beschlüsse ja tatsächlich vollkommen sinnfrei sind. Logik lässt sich nicht verhandeln, Gerechtigkeit aber schon. Sehr geschickt und eiskalt.

Roland Hübner / 06.11.2020

Nach dem Julianischen Kalender kam der Gregorianische Kalender und jetzt folgt halt der Merklische Kalender. Den erkennt man auch an der rot-grünen Einfärbung. Und es es der einzig richtige Kalender, Allerdings sieht er für die Jahre nach 2030 keinen Winter mehr vor - wegen der Erderhitzung.

Frances Johnson / 06.11.2020

Wieso denn in dem Alter eine Fußpflegerin? Es ist Herbst. Virenaktivität Herbst und Spätwinter/Frühjahr. Das darf mit dieser Regierung nicht sein, also wird Winter draus.

Jürgen Fischer / 06.11.2020

Was mich wirklich auf die Palme gebracht hat, war, als sie dahergezwitschert kam, wer hätte [damals, als wir mit der Sch**** angefangen haben] gedacht, dass mal alle brav ihre Maske tragen? So nach dem Motto, wenn wir sie nur lange genug piesacken, dann spuren sie schon. Richtig triumphierend. Da hab ich mir gedacht, kann denn nicht einer aufstehen und ihr eine reinhauen? So, jetzt steht in meiner Stasiakte der Vermerk, neigt zu Gewaltphantasien, vorgemerkt zur besonderen Beobachtung. Na dann los, wenn ihr nix besseres zu tun habt …

Alfred Dietrich / 06.11.2020

“Psychopathen haften nicht an ihren Vorstellungen und Plänen, sie haken die Dinge kurzerhand ab, wenn sie nicht so funktionieren, wie es ihnen passt und die von ihnen beabsichtigten Wirkungen nicht eintreten” (Nils Birbaumer, Hirnforscher, Uni Tübingen). “Jürgen Habermas geißelte Merkels Standpunktlosigkeit 2011 gar als “opportunistisches Drehbuch einer demoskopiegeleiteten Machtpragmatik, die sich aller normativen Bindungen entledigt hat”. (aus “Die Getriebenen” von Robin Alexander). Lesen auch in dem Kapitel” Die schwarze Null” in dem Buch “Lob der Krise”. Besagt doch alles, oder?

Bernd Ackermann / 06.11.2020

Das letzte Kalender-Update wurde 1582 von Papst Gregor XIII verordnet, wird mal Zeit für einen neuen. Wahrscheinlich wieder ein weiteres unbestelltes gesellschaftliches Experiment der Sonnenkanzlerin. Was mich allerdings stutzig macht ist, dass wir doch eigentlich gar keinen Winter mehr haben. Haben sollen. Wegen Klimawandel und so. Und damit sich die Neubürger wie zuhause fühlen.  Ganzjährig 30 Grad wurden mir versprochen, Versteppung, Wüste, da bestehe ich jetzt auch drauf. Und dann kommt die Merkel plötzlich mit Winter ums Eck. Hat sie das denn mit Greta abgestimmt? Fragen über Fragen.

Dirk Jungnickel / 06.11.2020

A C H T U N G !  Wichtige Erkenntnisse unter dem Motto ” Die Himmlische und die C - Pandemie “ Untertitel : “Merkel als Wahlhelferin für die AfD “ Ja , Sie haben richtig gelesen ! - Neulich war sie nämlich in einer Bundestagsdebatte zu erleben. (Der Bundesstag war ursprünglich die Legislative im heutigen Absurdistan.) Als die Himmlische von einem AfD - Mann heftig wegen ihrer Verfassungsbrüche attackiert wurde, huschte für den Bruchteil einer Sekunde ein schelmisches Lächeln um ihre eher verkniffene Mundzüge. Da durchfuhr mich ein Gedankenblitz auf meiner müden Festplatte. Dass ich da nicht eher drauf gekommen war ! Ein abgekatertes Spiel, natürlich, die AfD - gerissen und vor nichts und niemanden zurückschreckend- hat die Himmlische umworben, bestochen, vereinnahmt - was weiß ich ! - die ist einfach umgekippt. (“Nach mir die Sintflut.”)  Wieso ? Unsinn ? Nein, LOGIK!  Je bescheuerter und panischer sie und ihre Schranzen agieren, desto häufiger wird das Kreuz bei den - vorgezogen? - Neuwahlen zur derzeit einzigen Oppositionspartei wandern. Was , mal ehrlich,  bleibt dem Wähler denn anderes übrig ???     

Ortwin Maffay / 06.11.2020

Hallo Herr Herrmann, mit Boris Reitschuster sitzt jetzt zumindest ein guter Journalist in der BuPreKo. Aber es wird halt auch nicht auf jede Frage geantwortet und Nachfragen ist meist nicht gestattet ...

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Clara Hagen, Gastautorin / 23.07.2023 / 10:00 / 35

Bahnbonus: Evakuieren fürs Evakuieren

Dass Bahnfahrten in Deutschland im Chaos enden können, ist leider nicht neu. Aber es gibt immer wieder neue Spielarten. Und wie auf anderen Gebieten auch,…/ mehr

Clara Hagen, Gastautorin / 10.06.2019 / 11:00 / 26

Süßkartoffelraspeln in der Bundesliga

Es ist Pfingsten, wir sind gut gesättigt von Schwiegermamas köstlichen Rouladen, natürlich gabs auch Gemüse, Kartoffeln und Knödel. Zum Nachtisch Nektarinen mit Joghurt, damit der…/ mehr

Clara Hagen, Gastautorin / 24.12.2018 / 06:09 / 14

Wer zu spät kommt, ist der Weihnachtsbaum

Dieses Jahr haben wir einen Baum. Und der ist sogar schon geschmückt. Und der gewinnt auch jeden Weihnachtsbaumschönheitswettbewerb. Wirklich. Wir haben im Freundinnenkreis Fotos ausgetauscht,…/ mehr

Clara Hagen, Gastautorin / 31.08.2018 / 06:27 / 40

Reisen in Zeiten einer untergehenden Infrastruktur

Von Clara Hagen. Eine Bahnfahrt, singt der Volksmund, sei lustig. Also stürze ich mich wieder einmal in dieses Vergnügen. Es ist Montag, ein Tag ohne…/ mehr

Clara Hagen, Gastautorin / 05.09.2017 / 06:25 / 27

Wer joggt mit mir jetzt ins Rosental, Frau Merkel?

Von Clara Hagen. „Wir dürfen uns nicht an den Terror gewöhnen, denn das würde bedeuten, unsere Art zu leben aufzugeben.“ Von den politischen Verantwortungsträgern kommt…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com