Peter Grimm / 16.10.2017 / 12:00 / Foto: Adrian Michael / 19 / Seite ausdrucken

Das Schweigen der Kanzlerin und der Dolch im Gewande

Es war ein Doppelwahlsonntag mit einem erwarteten und einem so nicht erwarteten schlechten Ergebnis für die deutsche Bundeskanzlerin. Die niedersächsischen Landtagswahlergebnisse sollten eigentlich Balsam sein, um vor den Sondierungsgesprächen zu einer sogenannten Jamaika-Koalition die Schmerzen nach dem niederschmetternden Einbruch bei der Bundestagswahl zu lindern.

Stattdessen straften die niedersächsischen Wähler das Auftreten einer Kanzlerin ab, der – zumindest öffentlich - partout nicht einfallen wollte, was sie denn falsch gemacht haben könnte. Und zugleich brachen die Ergebnisse ihrer Wunsch-Koalitionspartner FDP und Grüne ein. Die Strahlkraft der Kanzlerin scheint inzwischen so stark zu sein, dass schon potentielle Koalitionäre den Abstieg fürchten müssen, noch bevor überhaupt erste Sondierungen angefangen haben.

Ist es nun vermessen, anzunehmen, dass der Unmut über die scheinbare Alternativlosigkeit der Kanzlerin wirklich so ausschlaggebend war, obwohl es ja auch um Landespolitik ging? Nein, es ist angemessen, denn die Umfrageergebnisse sahen bis zur Bundestagswahl noch vollkommen anders aus. Erst in den letzten Tagen errang die SPD nach Umfragen plötzlich den ersten Platz in der Wählergunst. Und nun bekamen die Sozialdemokraten von den niedersächsischen Wählern den Balsam zur Linderung des Niederlagenschmerzes nach der Bundestagswahl. Vielleicht als Belohnung für das Bekenntnis zur Opposition.

Die Staatsanwaltschaft kann nicht immer helfen

Die proportional zu den Wahlergebnissen dahinschmelzende Schar der Anhänger der alternativlosen Kanzlerin wärmte sich daran, dass die AfD nur sechs Prozent bekommen hat. Das aber wird die potentiellen Abtrünnigen nicht beruhigen, denen speziell in Sachsen und Bayern der Schreck über die Stärke der neuen Konkurrenz in die Glieder gefahren ist. Den Gefallen, dass sich ein Landesvorsitzender und eine Spitzenkandidatin gegenseitig mit schweren Vorwürfen überziehen und sogar die Justiz für ihre Auseinandersetzungen bemühen, werden andere AfD-Landesverbände ihren Mitbewerbern nicht unbedingt tun.

Auch das so zeitlich günstige Vorgehen einer Staatsanwaltschaft, die in der Woche vor der Wahl beim AfD-Landesvorsitzenden aufsehenerregend zur Hausdurchsuchung erscheint, lässt sich andernorts nicht so leicht wiederholen. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass das Ermittlungsverfahren kurz darauf eingestellt wurde. Diese Nachricht bekam schließlich weniger Aufmerksamkeit. Kurz und gut: Unter diesen Bedingungen sind sechs Prozent für die AfD keine Beruhigung für die CSU und die CDU-Landesverbände, die zur Bundestagswahl massiv Stimmen verloren haben.

Und was sagt Angela Merkel, Langzeit-Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende dazu? Nichts. Den ganzen langen Wahlabend über, meldet sich sich nicht zu Wort. All das Schönreden der ersten Niederlage einer Koalition, über die die Möchtegern-Koalitionäre offiziell noch gar nicht miteinander gesprochen hatten, überließ sie ihren Nachgeordneten. Die CDU-Mitglieder, die sich zur Wahlparty in der Berliner Parteizentrale einfanden, mussten sich mit Zuspruch des Generalsekretärs Peter Tauber begnügen. Die Kanzlerin mochte ihre Getreuen nicht mit eigenen Worten aufrichten.

Abfuhr aus Österreich

Hat sie die niedersächsische Niederlage so getroffen oder musste sie erst noch das zwar erwartete aber ihre Politik dennoch fundamental angreifende Wahlergebnis in Österreich verdauen? Denn ihre Politik, die vor allem in den Chefetagen des EU-Apparats und in der luxemburgischen Regierung Verständnis fand, erfährt wiederholt eine Abfuhr.

Die Probleme der massenhaften Zuwanderung in die Sozialsysteme, der großen Zahl von Zuwanderern, die von einer Gewaltkultur geprägt sind, der Ausbreitung gefährlicher, extremistischer Islamideologien, also all das, was im deutschen Wahlkampf möglichst ausgeklammert wurde, war in Österreich Thema. Mit den Lösungsvorschlägen, mit denen FPÖ und ÖVP für sich warben und für die sich auch österreichische Sozialdemokraten aufgeschlossen zeigten, landet man hierzulande noch im Kreis der politisch Aussätzigen und hat noch Glück, wenn man nur als „rechtspopulistisch“ abqualifiziert wird.

Aber natürlich weiß man insbesondere bei CDU und CSU, dass ein Sebastian Kurz mit seinem Programm auch in Deutschland einen fulminanten Wahlsieg errungen hätte. Die CSU freute sich am Sonntag immerhin offen über den Erfolg der österreichischen Schwesterpartei. Dummerweise ist dieser Kurs, mit dem man offenbar Wahlen gewinnen kann, einer, der den Bruch mit der alternativlosen Kanzlerin voraussetzt.

So angeschlagen sie auch sein mag, noch scheint kaum ein einflussreicher Parteifreund den Mut zu finden, einen klaren Wechsel zu fordern. Sind alle zu verstrickt? Können sie sich nicht mehr von „Mutti“ emanzipieren? Oder sind sie beschäftigt damit, das Schweigen der Kanzlerin zu deuten, wenn sie lange nichts sagt und sie sich zurecht zu interpretieren, wenn sie etwas sagt? Das Problem all dieser Akteure ist es, dass sie verkennen, wie sehr es eigentlich außerhalb der politisch-medialen Wahrnehmungsräume gärt. In Österreich kann das einen klaren Ausdruck bei der Wahl finden. Mag einem das Ergebnis passen oder nicht, es spiegelt die Stimmung wider. Der deutsche Wähler hatte das vielfältige Angebot seiner südlichen Nachbarn nicht zur Auswahl.

Dieser Beitrag erschien auch auf Peter Grimms Blog sichtplatz.de

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Leserpost

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Karla Kuhn / 16.10.2017

Time to say goodbye Frau Merkel.

Martin Lederer / 16.10.2017

“Der deutsche Wähler hatte das vielfältige Angebot seiner südlichen Nachbarn nicht zur Auswahl.”: Die AfD ist von ihrer politischen Haltung sicherlich nicht schlimmer als die FPÖ. Die Professionalität der FPÖ hat die AfD ganz sicher noch nicht. Und dass Kurz in der ÖVP hochkam, lag GANZ ALLEINE an den 30-Prozent-Wahlergebnissen der FPÖ bei den Landtagswahlen, also an den Wählern. Um es kurz zu machen: Die deutschen Wähler, vor allem in Nordwesten, wählen einfach ein “Weiter so” und das bekommen sie dann auch. Die österreichischen Wähler sch… vielleicht einfach mehr darauf, was die Elite oder das Ausland oder ... von ihnen denkt. Die Deutschen wollen einfach mehr geliebt werden.

Anders Dairie / 16.10.2017

Frau Merkel jedenfalls kriegt in den neuen Bundesländern kaum noch ein Bein auf die Erde.  Die Stimmung in den Städten, in denen Muslime randaliert haben, ähnelt der von 1989.  Es scheint, als würden die Parteien zunehmend rücksichtslos.  Das ist ein Ausblick, den sich die Bürgermeistern der Städte im Westen gut einprägen sollten. Es ist auch ihre Zukunft, die sich so zeigt.  Da die Grundlage, die kulturelle Unverträglichkeit, eher zunehmend ist, ist auch eine Besserung nicht in Sicht.  Die Begehrlichkeiten richten sich immer stärker auf Frauen und junge Mädchen.  Man hat es kommen sehen.  Die Rufer von “Refugees Welcome” trifft es gleichfalls.

Dietmar Schmidt / 16.10.2017

Wenn sich die AfD personell weiter stabilisiert, dann werden österreichische Verhältnisse entstehen die nicht mehr totgeschwiegen werden können. Ich hoffe sehr, für Deutschland, dass es so kommt.

B.Rilling / 16.10.2017

Wie sagte Herr Broder so schön: Soll sie die Suppe mal schön alleine auslöffeln.

Detlef Wilke / 16.10.2017

so pervers es klingen mag: Die Österreicher sind uns schlicht weg 20 Jahre voraus, und zu dieser Weitsicht kann man ihnen nur gratulieren. Daß ich mich damit in bester Gesellschaft mit der Kanzlerin befinde, die Sebastian Kurz bereits gestern Abend gratuliert hat, muß ich als Kollateralschaden akzeptieren. Der heutige Beitrag von Alexander Meschnig weist aber auf einen wesentlichen Unterschied in der Verfaßtheit der österreichischen und der deutschen Nachkriegsgesellschaft, wobei der Unterschied erst in den letzten Jahren überlebensentscheidend geworden ist. Wo wären wir nur ohne unser tägliches achgut.com. Danke für Mut, Rückgrad, Stringenz und kluge Analysen!

Marc Hofmann / 16.10.2017

Nicht die ÖVP hat in Österreich gewonnen sondern die “Liste Kurz”! In und mit der ÖVP hätte Kurz keine Chance auf den Wahlsieg gehabt. Erst als sich Kurz emanzipierte und sich mit seiner Liste von der ÖVP abtrennte konnte Kurz befreit Wahlkampf machen….Kurz hat die Themen der FPÖ angsprochen und ist damit auf den Kurs der FPÖ gefahren….daran wird sich Kurz jetzt messen lassen müssen.

Wulfrad Schmid / 16.10.2017

Merkel ist völlig merkbefreit. Sie hat einen neuen Klebstoff erfunden, der sie unlösbar an den Kanzlersessel pappt. Wer um Himmels Willen befreit die Welt von dieser Kanzlerdarstellerin?! Jeder Tag mit Merkel verschlechtert das Ansehen Deutschlands in der Welt.

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