Wolfram Weimer / 20.08.2016 / 18:08 / Foto: Tomás Castelazo / 15 / Seite ausdrucken

Merkels nächstes Opfer: Der Berliner Kandidat Henkel

Die Volksparteien fürchten bei den Landtagswahlen im September schwere Stimmenverluste. Umfragen sagen SPD wie CDU für Mecklenburg-Vorpommern und Berlin historische Rückschläge voraus. Die Migrationspolitik der Bundesregierung ist in beiden Ländern das alles überlagernde Wahlkampfthema – und sie dürfte massiv abgestraft werden. In Berlin sehen Umfragen die CDU nur noch bei 18 Prozent und damit sogar hinter der Grünen. „Wenn es dumm läuft, dann überholt uns auch noch die AfD“, heißt es von einem Spitzenfunktionär des Berliner Landesverbandes. Aber auch ohne den AfD-Überholer wären 18 Prozent ein historisches Fanal für die CDU – etwas noch nie da Gewesenes, und ein Hauptstadtdesaster mit internationaler Sichtbarkeit.

Kein Wunder also, dass sich der CDU-Spitzenkandidat und Innensenator Berlins, Frank Henkel, ganz besonders ins Zeug wirft. Er kämpft einen verzweifelten, hektischen Wahlkampf und profiliert sich als oberster Polizist, Beschützer und schwarzer Sheriff. Das ist zwar politisch nahe liegend, ist er doch Innensenator, gilt die CDU doch traditionell als die Sicherheits-Partei und wirkt die Wählerschaft derzeit doch von keinem anderem Thema derart emotional angefasst. Und doch verpufft jeder Law-and-order-Profilierungsversuch Henkels. Denn er schärft an einem Unionsprofil, das seine Kanzlerin gerade gezielt zerstört.

Kanzlerin versetzt Henkel den Todesstoß

Henkel versucht nun mit einer „Berliner Erklärung“ einen Befreiungsschlag aus diesem Dilemma. Er versammelt dabei die Innenminister der unionsregierten Länder und fordert die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft und ein Burka-Verbot. Doch was eigentlich als konzertierte Wahlkampfoffensive gedacht war, droht zum Eigentor zu werden. Denn auch diesen beiden Vorschlägen zeigt die Kanzlerin ihre kalte Schulter. Henkel wird mit beiden Vorstößen von der Bundes-CDU nicht nur im Stich gelassen, sondern sogar öffentlich gemaßregelt. Weder die Doppelpass-Abschaffung noch das Burka-Verbot sollen kommen, verkünden die Merkel-Getreuen aus der Bundesregierung.

Für den weiteren CDU-Wahlkampf in Berlin ist das der Todesstoß. Henkel wankt nun entblößt durch die ohnedies zugige Berliner Wahlkampfarena. „Merkel duldet nicht die geringste Abweichung ihrer Linie. Sie bringt die Union auf Multikultikurs und jede Kritik wird abgestraft“, wütet es aus der Berliner CDU. An der Basis ärgert man sich vor allem über den Umgang mit dem Burka-Verbot. Dass ausgerechnet aus Kanzleramt und Innenministerium die Verfassungskonformität dieses Vorschlag infrage gestellt wird, empört die Berliner CDU.

Der Staatsrechtler und ehemalige Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz, so etwas wie der gefühlte Präsident der Berliner CDU, hält ein mögliches Burka-Verbot für rechtens: „Das Beispiel Frankreich zeigt doch gerade, dass es geht. Es muss gesetzlich festgelegt werden, dass sich Frauen nicht in der Öffentlichkeit vollverschleiert zeigen dürfen“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Umzusetzen wäre ein Verbot seiner Meinung nach als Ordnungswidrigkeit. Tatsächlich hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2014 das Burka-Verbot in Frankreich für völlig vereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention gehalten.

Die Quadratur des Kreises: loyal zur Kanzlerin stehen und ihre Politik relativieren

Obwohl der Merkel-Kreis an der CDU-Spitze Frank Henkel entblößt hat, bekräftigt der seine Forderungen: „Ich bleibe bei dem, was ich gesagt habe“, sagte Henkel trotzig am Rande der Vorstellung seiner Wahlwerbespots: „Ich möchte, dass Deutschland wiedererkennbar bleibt. Die Burka ist ein Käfig aus Stoff“, findet Henkel. Er wolle sich – so sagt er, als müsse er Innenminister De Maizière persönlich widersprechen – bei Forderungen auch nicht damit abfinden, „immer zu hören, was nicht geht“.

Henkel befindet sich im gleichen Dilemma wie zuvor die CDU-Wahlkämpfer in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt. Sie alle spüren, dass die eigene Wählerbasis der Offen-Tor-Politik Merkels zusehends misstraut und in immer größer Zahl zur AfD tendiert. Sie alle müssen loyal zur Kanzlerin stehen und doch deren Politik irgendwie relativieren. „Es ist wie vor zwölf Jahren als die SPD sozial wähl-kämpfte, ihr Kanzler aber die Agenda-Politik durch drückte. Sie verloren damit jede Wahl. So geht es uns bei der CDU heute auch“, heißt es aus der Parteizentrale.

Während das Kanzleramt gerne die drohende Empfehlung verbreitet, jede Distanzierung von Merkels Politik schade dem Wahlerfolg, fühlen die CDU-Landespolitiker zusehends wie Bauernopfer einer (aus ihrer Sicht) falschen Bundespolitik. Am besten kam aus diesen schwierigen Wahlen noch der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts Reiner Haseloff heraus, der sich früh und konsequent kritisch gegen Merkels Migrationspolitik positionierte. Das wiederum dürfte Henkel nicht wagen. Er wählt eher die Halbdistanz wie weiland Julia Klöckner – ohne freilich deren Sympathiewerte zu haben.

Kurzum: Die CDU marschiert in eine Wahlniederlage mit Ansage. Spannend wird sein, wie lange die Partei diese Selbstzerfleischung ohne größere Konflikte übersteht. Wenn Merkels Migrationspolitik immer mehr Landes- und Kommunalpolitiker den Kopf kostet, wird sich auch jenseits der CSU Widerstand formieren – direkt nach der Berlinwahl könnte es soweit sein.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European hier

Foto: Tomás Castelazo CC BY-SA 3.0 via Wikimedia

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Leserpost

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Thomas Bode / 21.08.2016

Schröder sagte über Merkel “die kann das nicht”. Auf ironische Weise beweist sie aber eben dass sie es ebenso gut wie Schröder kann – eine Volkspartei ihrer Werte zu berauben und sie auf Talfahrt zu schicken.

Horst Jungsbluth / 21.08.2016

Als der Berliner CDU-Vorsitzende Frank Henkel endlich (viel zu spät) merkte, dass die Bürger von seiner Partei mehr erwarteten, als die üblichen Phrasen, da bekam er nicht nur Gegenwind von den Medien, sondern von seiner eigenen Kanzlerin, wo sich viele Bürger in der Zwischenzeit fragen, ob diese Frau die Probleme in unserem Land nicht erkennt oder gar nicht erkennen will. Die Berliner CDU hat aus dem tiefen Sturz, als sich die Hälfte der Wähler von einer Wahl zur nächsten angewidert abwendete. ganz offenkundig keine Lehren gezogen und läuft Gefahr zur dritten oder vierten Kraft in der Haupstadt zu werden. Dabei liegen die Probleme auf der Hand: Wachsende Kriminalität, hohe Verschuldung, ein Heer von arbeitsfähigen Leistungsempfängern, fortschreitende Verwahrlosug und nicht zuletzt Terrorgefahr. In Berlin werden Milliarden für “Nichtarbeit” verschwendet, aber für notwendige Investionen und Reparaturen fehlt das Geld. Nichts wird fertig, aber alles wird teurer und in Ämtern und Justiz sitzen Leute, die nicht arbeiten, aber dafür verhindern oder streiken und das Ganze erinnert fatal an die DDR, wo diese Apparate alles Positive bis zum bitteren Ende erstickten. Wenn Henkel und seine CDU aus den Erfahrungen der neunziger Jahre, als der SPD/AL-Senat nach einem Strategiepapier mit gefälschten Vorschriften und unzutreffenden Gründen unter schlimmstem Missbrauch der Verwaltungsgesetze “mit gleichgeschalteten Ämtern, Justiz und sogar der Wissenschaften” (so damals Diepgen CDU im Berliner Parlament) unbescholtene Bürger wie Verbrecher verfolgen ließ, während letztere dank der Justizsenatorin, die “Täter interssanter als Opfer fand”, unbehelligt blieben, nichts gelernt haben, dann sollten sie nicht wundern, wenn viele Bürger ihr Kreuz bei einer “Täterpartei” machen.

Klaus Metzger / 21.08.2016

Das Kalkül der Kanzlerin sieht doch ganz anders aus. Zur Zeit haben wir noch eine Rot/Rot/Grüne Mehrheit im Bundestag. Was der Stimmungslage der Deutschen wahrscheinlich sogar entspricht. Nicht zuletzt ein Verdienst der bezahlten Rot/Grünen Meinungsmacher in den traditionellen Medien. Also positioniert Merkel die CDU mitten im Rot/Grünen Mainstream. Ergebnis, es entsteht eine starke offene liberal/konservative Flanke, die von AfD und FDP besetzt werden kann. Damit verschwindet die Rot/Rot/Grüne Mehrheit, das Regieren ohne CDU wird unmöglich. Und Merkel kann sich dazu noch aussuchen, ob sie die SPD oder die Grünen am Nasenring durch die politische Arena ziehen will. Würde sich die FDP klarer positionieren und würde sie Rot/Grün/Gelbe Abenteuer wie in Rheinland-Pfalz vermeiden, hätte die AfD wahrscheinlich weniger Stimmen und es würden sich vielleicht zusätzliche Optionen ergeben. Aber das ist bei dieser Wackelpuddingpartei leider ein frommer Wunsch.

Franck Royale / 21.08.2016

Manchmal braucht es sehr lange bis Konstruktionsfehler sichtbar werden, meistens erst wenn außerwöhnliche Belastungen auftreten. Dann fallen Gebäude in sich zusammen, verbiegen und brechen Brücken, explodieren Maschinen. Was wir jetzt in Deutschland beobachten können, ist der Konstruktionsfehler der repräsentativen Demokatrie: Parteien.

Klaus Eckhard / 21.08.2016

Merkel: Rechtsbruch, Dublin ausgesetzt, egal, unkontrollierte Zuwanderung, Mißbrauch der Sozialsysteme, Terrorgefahr, egal, Spaltung der Gesellschaft, egal, Selbstgleichschaltung der Medien, Internetzensur, egal, Brexit mitverursacht, egal, und, wie im Artikel ausgeführt, CDU an die Wand gefahren, auch egal. Warum? Wozu das Ganze? Wir haben keine Flüchtlingskrise, wir haben ein Regierungskrise.

Karl Brenner / 21.08.2016

Eine CDU, welche eine Fr. Merkel so walten hat lassen, ist für alle Zeiten unwählbar. Fr. Merkel reiht die CDU in die gescheiterten deutschen Parteien SpD und Grüne ein, deren Fehler die Bürger dieses Landes jahrzehntelang belasten werden. Der Bürger muss damit rechnen, dass nach der nächsten Wahl noch schlimmerers kommt. Es währe Sache der Abeordneten und Mitglieder gewesen, hier zu handeln. Sie haben es aber nicht getan, Damit hat sich die Sache “CDU” erledigt, Hier können schlecht Wahltaktische Gründe für den Wähler eine Rolle spielen. Denn mit der CDU bekommen die Wähler dieser Partei offensichtlich genau das gleiche, wie mit der SPD oder den Grünen im zweiten Parlament der Bundesländer, dem Bundesrat.

Detlef Dechant / 21.08.2016

Merkels Taktik ist meines Erachtens eine Kanzlerschaft links von ihr zu verhindern. Da ist ihr egal, was rechts passiert. Solange die CDU im Bund die stärkste Kraft ist, bleibt sie Kanzlerin. Eine Regierungsbildung ist dann nur mit ihr unter ihrer Führung möglich. Damit haben sich auch SPD und Grüne abgefunden und hoffen, von Merkel mit ins Boot genommen zu werden, wenn ein Wahlergebnis das zulässt. Es würde sich einiges ändern, wenn sich die AfD als auch möglicher Koalitionspartner anbieten würde, aber der derzeitige Zustand dieser Partei lässt das nicht erwarten.

Georg Enderle / 20.08.2016

Wie lange mussen wir Deutschen diese verheerende Politik der Frau Merkel, die sich gegen die Mehrheit dea deutschen Volkes richtet, noch ertragen? Da fuhr kürzlich ein ehemaliger Journalist in einem Bus nach Tel Aviv. Bei einem Gespräch mit einem Israeli über die Flüchtlinge in der BRD sagte der Israeli: Die Moslems werden sich nie integrieren. Diese wollen, dass wir uns ihnen anpassen. Mit mitleidigem Gesicht sagte er, Deutschland wird untergehen.

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