Merkel Fans stehen vor einem faszinierenden Paradox: Die Bundeskanzlerin hat den internationalen Klimapoker haushoch verloren und steht vor einer bitteren außenpolitischen Niederlage. Den innenpolitischen Popularitätswettbewerb in Deutschland hingegen hat sie haushoch gewonnen! How come?
Es ist jetzt allgemein anerkannt, daß Angela Merkel nicht in der Lage sein wird, ihre zentralen Ziele beim anstehenden G8 Gipfel durchzusetzten. Das habe ich seit Wochen ausführlich dargelegt. Jetzt wird diese Einschätzung von den meisten politischen Beobachtern geteilt. Auch die Mehrheit der Deutschen glaubt nicht mehr an einen Durchbruch für den Klimaschutz beim G8-Gipfel. http://www.szon.de/news/politik/aktuell/200705300997.html
Die Financial Times Deutschland hatte schon vor Tagen prognostiziert, der G8-Gipfel in Heiligendamm werde sich als die “größte außenpolitische Niederlage” der Bundeskanzlerin entpuppen. Dessen ungeachtet sausen Merkels Beliebtheitswerte steil nach oben:
Bundeskanzlerin Angela Merkel erfährt kurz vor Beginn des G-8-Gipfel in Heiligendamm in der wöchentlichen Polit-Umfrage des Forsa-Instituts die höchste Zustimmung ihrer bisherigen Amtszeit. Könnte der Bundeskanzler direkt gewählt werden, würde mehr als jeder zweite Bundesbürger (54 Prozent) für Merkel stimmen, teilte das Magazin „Stern“ in Hamburg mit, das gemeinsam mit RTL die Studie in Auftrag gegeben hat. Sogar 39 Prozent der SPD-Anhänger würden sich eher für Merkel als für SPD-Chef Kurt Beck entscheiden. Beck kommt in der Umfrage auf 19 Prozent. http://www.welt.de/politik/article921442/Kanzlerin_Merkel_schwimmt_auf_Sympathiewelle.html
Wie läßt sich der Moment Merkels “größter außenpolitischer Niederlage” mit der wachsenden Zustimmung und Popularität in Deutschland vereinbaren? Ulrich Speck hat vor ein paar Tagen als erster auf diesen scheinbaren Widerspruch aufmerksam gemacht. Speck liefert zugleich eine ziemlich überzeugende Antwort, die sich jetzt offenbar als Volltreffer erweist:
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Die Financial Times Deutschland sagt voraus, der G8-Gipfel in Heiligendamm werde zum Moment der “größten außenpolitischen Niederlage” Angela Merkels.
Wenn allerdings Außenpolitik vor allem Innenpolitik mit anderen Mitteln ist, dann dürfte Heiligendamm zum Triumph werden. Nachdem sich die Bundeskanzlerin kürzlich offen mit dem russischen Präsidenten gestritten hatte, ist ein taktisches Bedürfnis nach Äquidistanz entstanden. Ein Streit mit dem amerikanischen Präsidenten kommt da gerade recht.
Und beim “weichen” Thema Klima, das in der Regel von apokalyptischer Rhetorik, vagen Versprechungen, großartigen Ankündigungen und Unverbindlichkeiten gekennzeichnet ist, lässt sich ein solcher Streit auch ohne ernsthafte Risiken inszenieren.
Auch hier nimmt Merkel der SPD die Butter vom Brot. Während die Sozialdemokraten Äquidistanz zwischen Russland und USA fordern, stellt die Kanzlerin sie eben mal her.
Damit verschafft sie sich wieder innenpolitischen Spielraum für eine klar transatlantisch ausgerichtete deutsche Weltpolitik - und baut ihren Vorsprung aus für den Moment, auf den es ihr wirklich ankommt: die nächsten Wahlen. http://blog.zeit.de/kosmoblog/?p=882