Thomas Baader, Gastautor / 12.01.2016 / 21:29 / 16 / Seite ausdrucken

And the winner is: The Gutmensch!

Von Thomas Baader

Irgendwann musste es ja kommen. Seit Jahren schon hat man darauf gewartet. Wer die „Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres“ und ihr (Un)Wahlverhalten vergangener Jahre kennt, der hat es sicherlich kommen sehen: “Gutmensch” ist Unwort des Jahres 2015.

Ich habe die ganze Aktion seit Jahren schon nicht mehr verstanden. Da ja noch nicht einmal der Anschein eines unparteiischen Sprachbeobachters erhoben wurde, war für jeden offensichtlich, dass das gesamte Projekt der Selbstdarstellung eines bestimmten politischen Milieus dient: “Wir mögen die Vorwürfe unserer Gegner nicht und erst recht nicht die Begriffe, die dabei zum Einsatz kommen.” Ja, kapiert, aber wer tut das schon? Jede Unwort-Wahl war daher stets eine banale Aussage - mit viel Brimborium geschmückt sicherlich, aber dennoch banal. Manchmal kürte man dort auch Wörter, die ohnehin niemand benutzt.

Letzteres zumindest kann man dieses Jahr nicht behaupten. Das Wort “Gutmensch” erfreut sich einiger Beliebtheit und ärgert verständlicherweise jene, auf die der Ausdruck passt (was freilich nichts daran ändert, dass er passt). Die Begründung der Jury lautet: “Mit dem Vorwurf ‘Gutmensch’, ‘Gutbürger’ oder ‘Gutmenschentum’ werden Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm und weltfremd, als Helfersyndrom oder moralischer Imperialismus diffamiert.” Das ist in etwa so sinnvoll, als hätte die Jury das Wort “Besserwisser” zum Unwort des Jahres gekürt und erklärt: “Mit dem Vorwurf ‘Besserwisser” werden Kenntnis und Bildung pauschal als überheblich, belehrend und moralisierend diffamiert.” Die Jury verwechselt Gutmenschen offensichtlich mit guten Menschen, es würde also auch nicht überraschen, wenn sie Besserwisser für Menschen hält, die im Besitz besseren Wissens sind.

Differenzieren ist die Sache der Jury eben nicht, wenn es um die Begriffe des politischen Gegners geht. Das Irre dabei: Das (wohl ältere) französische “bonhomme” ist wörtlich genommen exakt dasselbe wie das deutsche “Gutmensch”. Da mit dem französischen Begriff aber konservative Spießer und nicht etwa linke Traumtänzer gemeint sind, ist er politisch korrekt. Wer “bonhomme” sagt, ist Gesellschaftskritiker. Wer “Gutmensch” sagt, ist Unmensch.

So, und jetzt sollen aber mal endlich all die Nazis zu Wort kommen, die “Gutmensch” sagen:

“Die Grünen haben sich immer als die Gutmenschen präsentiert, die für Umweltschutz, Frieden und Frauenrechte sind.”
Manfred Güllner, Geschäftsführer des Forsa-Instituts

“Dass er [Günter Grass] mit dieser Offenbarung lebensklug wartete bis nach seinem erwarteten Nobelpreis, ist für jeden, der die chronischen Gutmenschen in Schweden kennt, kein Wunder.”
Wolf Biermann, Liedermacher und Lyriker

“Diese Gutmenschen sind eine echte Gefahr.”
Ursula Spuler-Stegemann, Turkologin und Autorin

“Natürlich haben sie sich sogleich wieder zur Stelle gemeldet allen voran die Gilde der Multikulti-Illusionisten, Sozialromantiker, Dauerumarmer und Gutmenschen vom Dienst.”
Ralph Giordano, Schriftsteller und Journalist

“Frau Käßmann verkauft ihre Bücher in Talkshows. Sie hat inzwischen 1 Million Auflage. Sie ist die Königin im Gutmenschen-Business.”
Franz Josef Wagner, Schriftsteller und “Bild”-Kolumnist

“Es übersteigt das geistige Fassungsvermögen der Gutmenschen, dass sie vielleicht in Wahrheit gar nicht so gut sind.”
Zoe Jenny, Schriftstellerin

“Diese Gutmenschen, die Fundamentalisten verstehen wollen, machen mich verrückt.”
Andras Schiff, Dirigent und Pianist

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Leserpost

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Peter Laudi / 12.01.2016

Der Begriff “Unwort” ist selber eines. Nein - eigentlich das einzige. Es trägt totalitäre und orwellianische Züge. Hinsichtlich des “Unwortes” Gutmensch empfehle ich den Donald Trump’schen Ansatz: dabei bleiben, wiederholen, immer noch einen draufsetzen. Wie wäre es mit Übergutmensch?

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