Dushan Wegner, Gastautor / 23.02.2018 / 06:23 / Foto: Pixabay / 47 / Seite ausdrucken

Anatomie eines Absturzes

In dieser Woche ist es also passiert: Die AfD liegt in einer Umfrage bundesweit vor der SPD. Nicht in irgendeiner Umfrage, sondern in einer Umfrage von INSA, welche ich aus Erfahrung extra ernst nehme. Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, kämen die Sozialdemokraten demnach auf 15,5 Prozent. Die AfD liegt jetzt bei 16 Prozent.

Meine Sympathie für Sozialdemokraten in ihrer heutigen Form ist eher überschaubar. Unsere Sorge um die Demokratie in Deutschland – und damit Europa insgesamt, muss dennoch heute wieder größer werden. Man ist hin- und hergerissen: Einerseits würde der politische Abgang der Partei von Heiko „NetzDG“ Maas oder Walter „Eikonal“ Steinmeier nicht nur Trauertränen fließen lassen – andererseits wäre der politische Untergang der Partei von Brandt und Schmidt dann doch eine Plattenverschiebung in der politischen Tektonik Deutschlands – und „Deutschland“ ist ja ein Begriff, der geschichtlich mehr umfasst als die Bundesrepublik. Lassen Sie mich deshalb, in einem so einfachen Bild, dass selbst eine Nahles oder ein Stegner es verstehen könnten, erklären, warum die AfD erfolgreicher ist als die SPD.

Dem wählenden Arbeiter bieten sich zwei politische Freunde an: Beide pöbeln sie gelegentlich. Der eine kritisiert den Islam. Der andere kritisiert Israel. Der eine wird vom Fernsehen gehasst. Der andere lügt, dass sich die exportierten Panzerrohre biegen. Der eine hat klargemacht, dass ihm Deutschland wichtig ist. Der andere träumt von den Vereinigten Staaten von Europa und scheint Deutschland zu verachten.  

Der Arbeiter mag nicht, wenn gelogen wird

Der Arbeiter fühlt sich ebenfalls vom Fernsehen gehasst (er guckt es dennoch). Der Arbeiter mag nicht, wenn gelogen wird. Der Arbeiter hat sein Leben lang für Deutschland gearbeitet, genauso wie seine Eltern und Großeltern. Europa ist für den Arbeiter eine Urlaubsregion und eben Nachbar, nicht ein Grund, das eigene Land aufzugeben. Und, vor allem: Der Arbeiter sieht, wie Teile von Deutschland, dem Land seiner Kindheit, zu No-Go-Zonen werden. Er spürt, wie die Angst wieder in sein Leben einkehrt, wie Gewalt zum Teil seines Alltags wird. Der eine Freund verspricht, das einzudämmen. Der andere Freund sagt: Mehr davon! Wegen der Moral! Welchen dieser beiden Freunde wird der Arbeiter auswählen?

Die Menschen haben Trump nicht gewählt wegen seiner eher „mexikaner-kritischen“ Sprüche. Die wenigsten AfD-Wähler entscheiden sich für die AfD wegen Höcke oder wegen Poggenburg. Die Menschen wählen Trump oder AfD, weil diese glaubhaft versichern, sich an den Amtseid halten zu wollen, zum Wohl des eigenen Volkes zu handeln.

Die Auswahl ist für den Arbeiter: Ein schlauer Schlägertyp, der gelegentlich etwas eklig klingt, aber glaubhaft verspricht, die Menschen zu schützen – oder ein etwas dümmlicher, egoistischer Lügner, mit dem er sich buchstäblich ans Messer geliefert fühlt. AfD-Wähler sagen: Lieber politisch unkorrekt leben als politisch korrekt sterben.

Minutenlanges Geklatsche für die Parteivorsitzende

Das Berliner Fernsehen kann noch zwanzig weitere „Comedians“ gegen Opposition und Abweichler agitieren lassen. Sie können noch dreißig weitere Journalistenpreise für besondere Verdienste um die Haltung vergeben – es wird immer schwieriger werden, den Bürgern ihren Überlebenswillen auszureden.

Wenn ich Poggenburg oder Höcke höre, dreht sich dem Geschichtsbewussten in mir der Magen um. Wenn ich Merkel oder die SPD höre, wird dem Gegenwartsbewussten in mir heiß und kalt.

Jedes Volk und jedes Land brauchen, etwas, ja, Vaterlandsliebe, jedes – sonst werden sie aufhören zu existieren. („Blüh im Glanze dieses Glückes!“) Man hört aus Berlin, wie sie von „Völkersterben“ oder „Volkstod“ schwärmen. „Deutschland verrecke“, brüllen sie. Wir erleben aus Teilen der rot-grünen Kultur- und Politik-Szene geradezu offenen Hass auf Deutschland. Es ist eher ein Fall für andere Spezialisten als mich.

Was in medialer und politischer Vertretung weitgehend fehlt, ist ein „normales“ Verhältnis zum Vaterland. Immer mehr Wähler ziehen ein „zu viel an Vaterlandsliebe“ der offenen Verachtung gegen das eigene Land (und den Lügen sowieso) vor. Das Angebot am „glaubwürdig Normalen“ ist gerade etwas dünn. Ein Jens Spahn etwa wurde ausgebootet. Merkel plant anders.

Bittet man einen CDU-ler um eine typische Handbewegung, bricht er in minutenlanges Geklatsche für die Parteivorsitzende aus, und das wird auch so bleiben, selbst wenn die Merkel-vom-Dienst demnächst „Kramp-Karrenbauer“ heißen sollte. Bittet man übrigens einen SPD-ler um eine typische Handbewegung, zeigt er bei Gelegenheit, wie Gabriel oder Steinbrück, den Stinkefinger in Richtung des Arbeiters – um sich dann zu wundern, dass dieser ihn nicht wählen will.

Der „einfache Deutsche“ – die Anführungszeichen sind bewusst gesetzt, denn was wäre das Gegenstück? Ein „komplizierter“ Deutscher?  Der „einfache Deutsche“ also muss sich in dieser sumpfigen Lage entscheiden: Will ich ein paar gefährliche Schippen zu viel Vaterlandsliebe, oder ein gerüttelt Maß zu wenig? Die Antwort könnte das Establishment verunsichern.

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.

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Dr. Liu Mei / 23.02.2018

Das „Volk“ entscheidet „aus dem Bauch“. Wird dieses Bauchgefühl verletzt, entstehen neuartige Koalitionen. Ob man Pegida mag oder nicht ist letztlich eine individuelle Entscheidung. Wenn Pegida die „Lügenpresse“ thematisiert, handelt diese entsprechend der Weisheit: „wo ein Blatt weht, ist auch ein Wind“. Da spielen die Repräsentanten einer Bewegung nicht die entscheidende Rolle. Wenn die AfD, als demokratisch gewählte Partei von den Etablierten derart den Wind von vorne bekommt, sind das anscheinend die verzweifelten Zuckungen einer sich verändernden Parteienlandschaft. Das spürt das „Volk aus dem Bauch heraus.“ Vermutlich spielt dieses Agieren der Etablierten, der AfD nur in die Karten.

Stefan Maier / 23.02.2018

Hätte ich das Talent gut schreiben zu können, hätte dieser Text glatt von mir sein können!

Ronny Habermann-Curie / 23.02.2018

Die SPD kann Köpfe auswechseln und die Partei jünger und weiblicher oder sonst was machen, es wird sich aber am Trend nichts ändern, solange sie nicht mehr in die Mitte der Gesellschaft hineinhört. Die SPD steht heute vor allem für Realitätsverweigerung und Polarisierung. Solange sich die Partei weigert die Gründe für das Wahldesaster aufzuarbeiten, ihre Politik zu verändern, wird sie den Weg ihrer europäischen Schwesterpartein gehen. Eine Partei, die Angst vor Neuwahlen hat, kann gleich den Laden dicht machen. Sie wird marginalisiert und das zu Recht!

Reinhard Schilde / 23.02.2018

Der Niedergang der SPD ist nicht mehr aufzuhalten und mein Mitleid hält sich absolut in Grenzen. Es war und ist mit Sicherheit ein großer Fehler, die AfD nicht für voll zu nehmen und einfach als rechte Partei zu brandmarken und zu diskreditieren. Die Masche besteht ja leider noch immer darin, die AfD täglich arrogant von oben herab vorzuführen, als sich ernsthaft mit ihr als politischer Gegner auseinander zu setzen. Von der eigenen Unfähigkeit ablenken, indem man auf die Verfehlungen anderer zeigt, ohne auch nur ansatzweise eine bessere Lösung parat zu haben. Glücklicherweise ist ein Teil der Bürger nicht so dumm, darauf reinzufallen und darum geht die Rechnung auch nicht mehr auf. Dafür gibt es jetzt die Quittung für SPD sowie die CDU. Und das ist gut so. Ein “weiter so” zieht nicht mehr, der Zug ist abgefahren.

Günther Feist / 23.02.2018

Ich würde dieser Umfrage nicht allzuviel Bedeutung beimessen. Sie ist am ehensten eine Momentaufnahme schlechter Umfragewerte für die SPD, die durch diie durch das Hin-und-Her um die Postenverteilung verursacht ist. Einige potentielle SPD-Wähler sind deshalb zu anderen linken Parteien wie CDU, Grüne oder Linkspartei gewechselt. Vielleicht auch zur AfD. Bei der nächsten echten Wahl kann wieder alles anders sein. Und bei der AfD, die ja eigentlich jetzt die Chance hätte, die Partei der Vernunft zu werden und tatsächlich eine dauerhafte Alternative für die Arbeiter zu werden, wird schon einer mit dummen Sprüchen dafür sorgen, solche Wähler zu vergraulen: Sie wissen schon, irgendwas mit den drei großen N: “Nazis”, “Neger”, “Nutten”.

Nicholas van Rijn / 23.02.2018

Meinen Sie wirklich, dass der “Arbeiter” und dessen Eltern ein Leben lang für Deutschland gearbeitet haben? Er fühlt sich hier wahrscheinlich wohl (oder hat sich wohl gefühlt). Aber ich denke, in erster Linie arbeitet er für sich, seine Familie, seine Kinder und hofft auf eine bessere Zukunft. Dazu ist das “Land” (im Sinn von Staat oder Nation) aber eher ein Vehikel, als der Grund, vielmehr der Rahmen, in dem er dies zu erreichen hofft. Die Unzufriedenheit kommt meiner Meinung nach nicht aus einem unbewussten Kollektivbewußtsein, sondern aus ganz simplen alltäglichen Widrigkeiten.

Siering Christian / 23.02.2018

Auch das Bild vom “einfachen Deutschen”, vom “Arbeiter” ist mir zu klischeehaft. Die AfD-Abgeordneten im Bundestag argumentieren sauber, systematisch, kausalitätsbewußt und komplex. Dagegen wirken die Repliken der Restparteien wie eine einzige Orgie aus hyperventilierten Impulsen, die mangels Artikulationspotentialen immer und immer wieder in Nazi- und Rassismus - Stereotypen zusammengefasst werden müssen. Das ist keine echte Herausforderung für selbständig denkende Menschen. Wenn also unsere intellektuelle Elite nicht mehr von Sachargumenten überzeugt werden kann, sondern nur noch von ideologieaffinen Reflexen gesteuert wird, dann ist die gewohnte Adressierung von Primitivismus und Schlichtheit etwas aus der Zeit gefallen.

Horst Lange / 23.02.2018

Ich muss gestehen, selten habe ich eine ehrlichere und dabei objektive Beschreibung der Lage gelesen. Statt teurer Studien des DIW, hätte es schlicht dieses Kommentars bedurft. Vernunft statt Ideologie.

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