Schon als Elfjähriger hatte ich an das Revers meines Jacketts (ja, so etwas trug man damals schon als Elfjähriger und dazu kurze Hosen) das Motto des US-Rangers Flying Jack geheftet: „Treu und tapfer für Recht und Gesetz“. Soweit meine Erinnerung reicht, war ich stets für „Law and Order“ und habe mich immer gewundert, wie man dagegen, also für „Ungesetzlichkeit und Unordnung“ oder gar Chaos und Anarchie („Keine Macht für niemand“) sein konnte.
Ich war also vorbereitet, als ich 1959 aufgrund einer Losentscheidung während der obligatorischen Klassenfahrt nach Berlin statt in Goethes „Faust“ mit Will Quadflieg und Gustav Gründgens (eine Eintrittskarte fehlte) ins Kino ging, mir den Otto-Preminger-Film „Anatomie eines Mordes“ (Musik von und mit Duke Ellington) mit James Stewart als Strafverteidiger Paul Biegler ansah (nach dem Roman „Anatomy of a Murder“ von Robert Traver) und daraufhin beschloss, Jura zu studieren.
Dass ich mein Studium in Berlin begann, hing allerdings nicht mit diesem Erlebnis zusammen, sondern lag daran, dass Berlin mein verhinderter Geburtsort ist. Meine Eltern lebten seit ihrer Hochzeit dort, meine Mutter zog dann aber fünf Wochen vor meiner Geburt wegen der befürchteten Luftangriffe zu ihren Eltern in das Dorf Treblin (heute Trzebielino) in Pommern, wo ich am 8. Mai 1941 im Kreiskrankenhaus von Rummelsburg (heute Miastko) geboren wurde.
Reichlich pathetisch könnte ich also sagen: „Der Kampf ums Recht“ (Rudolf von Jhering) wurde zum Motto meines Berufslebens, wenn nicht meines Lebens überhaupt. Nichts bringt mich mehr in Rage als Ungerechtigkeit. Und wenn doch, dann ist es die Inflationierung des Begriffs der Gerechtigkeit, etwa in Chancengerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit, Bildungsgerechtigkeit, Umweltgerechtigkeit und – le dernier cri – „Klimagerechtigkeit“ und, last but not least, „Geschlechtergerechtigkeit“, sprich „Geschlechtervielfalt“.
Vielfalt bei der Abfalltrennung
Vielfalt gibt es nirgendwo so ausgeprägt wie im Recht und speziell bei der Abfalltrennung. Zwar fehlt hier noch ein „Bündnis Vielfalt für alle“ (gegen die Diskriminierung von LSBTTIQA-Menschen); aber das hieße nun wirklich „Eulen nach Athen“ oder „Kohlen nach Newcastle“ (to carry coals to Newcastle) tragen. Denn am Abfallrecht sind bereits alle betroffenen Ebenen beteiligt, an deren Ende der Abfallverursacher jedweden Geschlechts steht:
- Europäisches Recht
- Bundesrecht
- Landesrecht
- Kommunales Recht
Demgemäß entsorgen wir seit Jahren unseren Müll auf fünffache Weise:
- Papier: grüne Tonne (Standplatz am Haus)
- Bio-Abfälle: braune Tonne (am Haus)
- „Altglas“: Glascontainer (für Weiß-, Braun- und Grünglas – etwa 200 m entfernt)
- Verpackungen: gelber Sack (wird alle drei Wochen abgeholt)
- Restmüll: graue Tonne (Standplatz am Haus).
Während die graue und die grüne Tonne von der Müllabfuhr abgeholt und nach der Leerung wieder an ihren Standplatz zurückgestellt werden, muss die braune Tonne von den Anwohnern zur Leerung an den Straßenrand gestellt werden. Dies ändert sich jetzt ab Januar 2019. „Biotonne wird ab 2019 im Vollservice geleert“:
„Wie bereits beim Restabfall und Altpapier praktiziert, wird ab 1. Januar 2019 auch der Bioabfall im Vollservice geleert. Für die Nutzer der Biotonne bedeutet dies, dass sie bei einem satzungskonformen Standplatz die braunen Tonnen am Tag der Leerung nicht mehr bereitstellen müssen.
Ein satzungskonformer Standplatz hat folgende Kriterien zu erfüllen:
- der Standplatz ist in möglichst kurzer Entfernung zum Fahrbahnrand einer vom Müllfahrzeug befahrbaren öffentlichen Straße einzurichten
- der befestigte Standplatz muss für die Mitarbeiter des Eigenbetriebs AWS frei zugänglich sein
- der Transportweg darf 15 Meter nicht überschreiten, nicht über Stufen und Treppen führen und darf keine Steigung von mehr als 2 Prozent aufweisen.“
Wessen Standplatz nicht „satzungskonform“ ist, also etwa eine Steigung von 2,1 Prozent aufweist, muss die (braune) Biotonne, wie bisher, zur Leerung eigenhändig an den Straßenrand stellen. Es ist anzunehmen, dass dieser Tatbestand genauso akribisch überprüft werden wird, wie die Beachtung des Fahrverbots am Neckartor.
An sich müsste eine solche fein ziselierte Regelung das Herz eines jeden Juristen höher schlagen lassen. Bei mir verursacht sie dagegen einen moderaten Anfall von Niedergeschlagenheit. Irgendetwas scheint mit mir nicht zu stimmen.