Thomas Rietzschel / 12.08.2015 / 17:38 / 7 / Seite ausdrucken

An der Saale hellem Strande forschen Narren stolz und kühn

So etwas kann man sich nicht ausdenken, es muss geschehen. Würde man es erfinden, setzte man sich dem Verdacht aus, nicht mehr ganz dicht zu sein. Wie sich das bei den Wissenschaftlern des Leibniz-Institutes für Wirtschaftsforschung in Halle an der Saale verhält, wissen wir nicht. Es mag dahingestellt bleiben. Vielleicht haben sie ja auch nur ein bisschen zu lange in der Mittagssonne gesessen, bevor sie folgende Rechnung aufmachten:

Die sogenannte Griechenland-Rettung, dieses schwarze Loch, in dem Milliarde um Milliarde versinkt, befanden die Forscher, sei für Deutschland ein lukratives Geschäft, mehr noch eine Sparmaßnahme sondergleichen. Aber nicht weil wir unverhofft damit rechnen könnten, das Geld in einer menschlich überschaubaren Zeit mit Zins und Zinseszins zurückzubekommen, sollten wir uns weiter keine Sorgen machen. Ganz im Gegenteil liege der Vorteil gerade im Verlust. Habe die Krise doch dazu geführt, dass die Zinsen im Euroraum auf ein Niveau gefallen sind, das es verbietet, überhaupt noch von einer Verzinsung zu sprechen. Was wiederum bedeute, dass die Deutschen über hundert Milliarden weniger ausgeben müssten, um die eigenen Schulden - schlappe 2.149 Milliarden Euro - zu finanzieren.

Angesichts eines solchen Gewinns, erklären uns die Wissenschaftler weiter, gäbe es keinen Grund, den beinahe 90 Milliraden nachzutrauern, die uns Griechenland bis zum Sankt Nimmerleinstag schulden wird‚. Schließlich bliebe dann noch immer ein Gewinn von gut zehn Milliarden, den wir nie hätten einstreichen können, wäre es den Helenen nicht gelungen, mit ihrer Pleite die Zinssenkung im Euroraum zu befeuern.

Darauf muss man erst einmal kommen, ohne vorher zu tief ins Glas geschaut zu haben. So weit hat sich nicht einmal Wolfgang Schäuble vorgewagt, der ausgefuchste Rosstäuscher, als er uns zum Auftakt der Eurokrise goldene Rendite-Berge versprach, wenn die Regierung nur ermächtig würde, sich selbst immer weiter für die Konstruktion diverser Rettungsschirme zu verschulden. Denn das, was die Deutschen dazu beisteuerten, lag ja nicht auf der hohen Kante. Die Hilfe erfolgte auf Pump. Sie war nötig, damit der Euro-Schwindel, die Lebensversicherung einer parteiübergreifend vernetzten Kaste von Berufspolitikern, nicht auffliegt.

Kein Argument, das da nicht zur Rechtfertigung aufgeboten werden müsste; und sei es noch so schräg. Das haben auch die Wirtschaftswissenschaftler in Halle verstanden. Mit ihrer Milchmädchenrechnung stützen sie die Bilanz des Staates, der sie bezahlt: zu fünfzig Prozent aus der Kasse des Bundes, zu anderen Hälfte aus der des Landes. In ihrem Elfenbeinturm an der Saale hellem Strande müssen sie sich nicht weiter um das Leben da draußen kümmern. Was nicht zu ihrer fixen Idee passt, wird kurzerhand ausgeblendet. Kein Gedanke daran, dass der niedrige Zinssatz, aus dem sie die staatlichen Gewinne errechnen, zugleich die Geldvermögen der Sparer auffrisst - der Bürger, die den Staat aushalten.

Anders als der Namensgeber ihres Instituts Gottfried Wilhelm Leibniz, immerhin auch der Erfinder einer Rechenmaschine, genießen sie die Splendid Isolation wohlversorgter Narren, stolz und kühn. Wir indessen dürfen uns zugute halten, dies zu finanzieren: Deutsche Spitzenforschung im Jahr 2015.

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Leserpost

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Phillipp Thurn / 14.08.2015

Eine treffliche Antwort auf dieses Narrenwerk, die leider kaum den Weg in unsere Leitmedien finden wird. Die Studie dieses sogenannten “Leibniz-Instituts” ist das eine, die Rezeption dieser Studie durch unsere “Freie Presse” aber das andere, eigentliche Problem. Ich weiß noch genau den Tag, als ich unterwegs in einem ICE das Vertrauen in unsere Presse verlor. Mit Bezug auf eine Studie der Bert-Stiftung titelte JEDE der ausgelegten Zeitungen sinngemäß: “Zuwanderer entlasten Sozialstaat um Milliarden: Jeder Ausländer zahlt pro Jahr durchschnittlich 3300 Euro mehr Steuern und Sozialabgaben als er an staatlichen Leistungen erhält.” (http://www.tagesschau.de/inland/sozialstaat-101.html). Zwei Abos hab ich seither gekündigt und dem Axel-Springer-Verlag dabei versprochen, nie wieder eines seiner Produkte käuflich zu erwerben.

Regina Horn / 13.08.2015

Tja. “Spare in der Not, dann hast du Zeit dazu.” Das geht auch.

Hjalmar Kreutzer / 13.08.2015

Ähnlich “erhellende” Antworten erhält man von den Bundestagsabgeordneten seines Wahlkreises auf Abgeordneten-Watch, im Sinne von: “Deutschland hat an Griechenland noch überhaupt gar nichts gezahlt, aber von den Zinszahlungen der Griechen profitiert Deutschland sogar!” Irgendjemand scheint diesen netten Leutchen vorzugeben, was sie zu antworten haben. Wenn ich Zinsen zahlen müsste auf Geld, was mir gar keiner geborgt hat, würde ich mich bedanken, kommt vielleicht alles noch?

Helmut Driesel / 13.08.2015

Allgemein betrachtet sind die Zinsen deshalb so niedrig, weil es immer mehr Leute gibt, die Geld haben, das sie nicht brauchen und es deshalb sicher anlegen wollen. Inwieweit das die Folge von Überbezahlung oder falscher Gesetzgebung ist, bedürfte einer sorgfältigen und vor allem unparteiischen Untersuchung. Bemerkenswerterweise liegt die Nachfrage der EZB nach europäischen Anleihen mit 1,2Bill E. etwa genau auf dem Level dessen, was die wohlhabenderen Griechen in den letzten 6 Jahren außerhalb Hellas angelegt haben. Der zinssenkende Effekt ist also gegenüber dem Gesamtmarkt überschaubar. Ganz sicher aber kann man davon ausgehen, dass 90 Mr mehr in den Kassen des deutschen Finanzministers die Renditen speziell deutscher Papiere weiter nach unten drücken würden. Aber bescheiden, niemals so weit in den negativen Bereich, dass man hier davon zehren könnte. Die oben Milchmädchenrechnung genannte Expertise überzeugt mich daher nicht.

Thorsten Hammbuch / 12.08.2015

Wir müssen also nur die Zinsen generell abschaffen und schon treten wir in den Zustand des Kommunismus ein! Gender Studies, Klima Studies und jetzt auch Finanz Studies.. wird ja immer besser;-)

Hartmut Laun / 12.08.2015

Guten Tag, so haben wir als Kinder immer gerechnet, noch bevor wir eingeschult wurden: 10 Pfennig haben, aber die 10 Pfennig nicht ausgeben, dann haben wir schon 20 Pfennig. :)) MfG H.Laun

Frank Mora / 12.08.2015

Bezahlt haben es letztlich die vorrangig deutschen Sparer und Altersvorsorger, deren Sparbuchrendite bei stolzen 0,05% liegt und die bei Auszahlung ihrer Lebensversicherung nicht nur enttäuscht sind, sondern ihr Wohneigentum fürs Alter nicht nur nicht schuldenfrei, sondern mit nach wie vor erheblichen Hypotheken belastet vorfinden. “Spare jederzeit, dann hast du immer Not.” Man hätte das Geld wie “die Griechen” in deutschen Ministerien/Landratsämtern/Rathäusern durch den Schornstein jagen sollen. Oder?

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