Von Marc Neugröschel.
Inwiefern Angst vor dem Islam und dem Islamismus für das starke Abschneiden der AfD bei der Bundestagswahl verantwortlich war, ist eine relevante und diskussionswürdige Frage. Völlig absurd ist es jedoch, ausgerechnet jene liberalen Muslime, welche Islamismus, islamistischen Terror und radikalen Islam kritisieren, für den Erfolg der neuen Rechten in Deutschland verantwortlich zu machen.
Genau das tut jedoch Aiman A. Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland. In einem Tweet vom 25. September zitiert Mazyek einen von ihm willkürlich herausgegriffenen und nach Zitierregeln unzulässig gekürzten Satz aus einer Antwort auf die Frage „Warum haben Sie AfD gewählt?,“ welche die Zeitung „Die Zeit“ ihren Lesern im Rahmen eines Diskussionsforums auf ihrer Internetseite stellt. Dieses „Zitat“ liest sich in Mazyeks Tweet folgendermaßen:
„...Zudem las ich H. Abdel-Samad, A.H. Ourghi, B. Tibi, A. Hirsi Ali, S. Ates, A.Mansour...“ und wird zynisch mit den Worten „ach so“ kommentiert, als würde ausgerechnet diese von ihm willkürlich ausgewählte und modifizierte Textstelle verraten, warum Menschen die AfD wählten.
Oder ist es der Koran?
Dass die zitierte "Zeit"-Leserin auch schreibt, sie habe „den Koran und die Hadithen gründlich studiert“, übergeht Mazyek. Würde Mazyek seiner eigenen Logik folgen, müsste er daraus schließen, dass der Koran schuld am Erfolg der AfD sei.
Eine solche Schlussfolgerung würde man zu Recht als islamophob kritisieren. Umso alarmierender ist aber die Botschaft, die Mazyek tatsächlich verbreitet: Die zitierte "Zeit"-Leserin wählte AfD, weil muslimische Nestbeschmutzer wie Ahmad Mansour, Hamed Abdel Samad oder Bassam Tibi mit ihrer Islamkritik Ängste schürten. Ausgerechnet jene liberalen Muslime, die radikalen Islam und Islamismus kritisieren, die exemplarisch dafür stehen, dass nicht alle Muslime den Terror gutheißen, und die beweisen, dass eine Identifikation mit dem Islam und ein Bekenntnis zu westlichen Werten sich nicht zwangsläufig ausschließen, sollen nun also verantwortlich dafür sein, dass Menschen in Deutschland Angst vor dem Islam haben!
Das ist umso zynischer, da Ayman Mazyek dem Zentralrat der Muslime vorsteht: Einem Dachverband 19 islamischer Organisationen, von denen einige Verbindungen zur ägyptischen Muslimbruderschaft, also jener Organisation aufweisen, in deren Schoß der Islamismus in der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts entstanden ist.
Mazyek folgt einem Muster
Wenn Muslime dafür verantwortlich gemacht werden können, dass die AfD im Aufwind ist, dann sind es solche wie Mazyek, die den Islamismus in Deutschland protegieren. Hinter Mazyeks Tweet steckt ein klassisches psychologisches Muster, dessen sich Menschen immer wieder bedienen, um ihnen unangenehme Kritik zu marginalisieren. Nicht ein Problem selbst oder dessen Urheber werden verantwortlich gemacht, sondern diejenigen, die auf das Problem hinweisen.
Dementsprechend ist nach Mazyeks Logik nicht der Islamismus oder der der radikale Islam ein Problem, sondern es sind diejenigen Menschen, die auf dieses Problem aufmerksam machen. Dass ist so, als würde man Austritte aus der christlichen Kirche nicht mit dem Missbrauchsskandal, sondern damit erklären, dass sie Medien darüber berichten. Oder man würde die Juden dafür verantwortlich machen, dass die Deutschen an einem Schuldkomplex leiden.
In Wirklichkeit wird umgekehrt ein Schuh draus: Die Tatsache, dass couragierte, liberale Muslime wie Ahmad Mansour, Bassam Tibi und Hamed Abdel-Samad die Problematik des radikalen Islams oder des Islamismus in den Fokus der öffentlichen Debatte rücken und dazu beitragen, dass dieses Problem von den etablierten politischen Kräften nicht völlig ignoriert werden kann, hat ganz sicher dazu beigetragen, dass die AfD die Problematik kultureller Konflikte mit Migranten aus islamischen Ländern nicht noch weiter für sich monopolisieren konnte und nicht noch mehr Wähler bekommen hat!
Marc Neugröschel schreibt für die Jerusalem Post und die Times of Israel. Er promoviert derzeit an der Hebräischen Universität in Jerusalem zum Thema Antisemitismus und Antiamerikanismus.