Gastautor / 17.11.2014 / 17:16 / 4 / Seite ausdrucken

Amos Oz und die Zwei Staaten

Eliyah Havemann

Letzten Freitag wurde im Hamburger Rathaus der Siegfried Lenz Preis zum ersten Mal vergeben. Preisträger war Amos Oz, ein israelischer Literat. Seine Geschichten sind die Geschichte des jungen Landes Israel und seiner Bewohner wunderbar verflochten mit Familienschicksalen und Sagen. Ich habe ein paar seiner Bücher verschlungen. So hat Amos Oz mir als Einwanderer in Israel meine neue Heimat ein weiteres Mal geschenkt.

An jenem Freitag früh hatten meine Frau, mein Sohn und ich die Ehre, der Zeremonie beizuwohnen. Amos Oz reiste mit seiner Ehefrau an, die Frau des verstorbenen Siegfried Lenz war auch da und einiges an Hamburger Prominenz aus Politik und Kultur. Die Laudatio hielt Aussenminister Frank Walter Steinmeier. Mein Sohn Levi, zwei Jahre alt, wurde mit Hilfe meines Tablet-Computers und eins Winnieh-Puuh-Videos abgelenkt.

Amos Oz wird in Israel von manchen als Verräter bezeichnet. In seiner Dankesrede schmückte er sich mit diesem Titel, den er sich als Verfechter der Zwei-Staaten-Lösung und der Einforderung von schmerzlichen, will sagen: selbstzerstörerischen Kompromissen durch Israel erarbeitet hat. Ich kann ihn nicht einen Verräter nennen, denn eine Meinung in einem Streit ist kein Verrat. Aber seine Meinung teile ich deswegen noch lange nicht.

Den Preis hat er sich redlich verdient. Seine literarische Leistung ist zwar herausragend, so weit ich als Laie das beurteilen kann, aber für den Preis offenbar nicht hinreichend. So lobte der Aussenminister in seiner Laudatio auch weniger die Qualität seiner Werke - ich bezweiflel, dass er überhaupt eines gelesen hat - sondern seine politische Einstellung.

Die Konsensmeinung in der deutschen Politik scheint es zu sein, dass die einzig vernünftigen Israelis die politisch linken sind und die einzig vernünftige Lösung für den Nahostkonflikt eine Zwei-Staaten-Lösung ist mit einem jüdischen und einem palästinensischen Staat, in friedlicher Koexistenz.

Ich wage es, dem zu widersprechen. Die politische Rechte in Israel verfolgt durchaus Ziele, die vernünftig sind. Netanjahu fällt mehr gute als schlechte Entscheidungen, und die Zwei-Staaten-Lösung ist eine Utopie. Genau wie der Sozialismus. Der klingt auf dem Papier edel und gut, in der Realisierung stellt sich heraus, dass jenes Papier geduldig ist, Menschen aber nicht. Die Zwei-Staaten-Lösung klingt auf den ersten Blick auch richtig und gerecht, aber die Realität zeigt, dass sie zumindest mit den momentanen Vorraussetzungen ein Irrweg ist.

Palästinenser, also Araber, deren Vorfahren im ehemaligen Mandatsgebiet Palästina lebten, leben weitgehend entrechtet im Nahen Osten. In Ägypten werden ihnen Bürgerrechte und die Einbürgerung vorenthalten. Im Libanon dürfen sie keine höhere Bildung anstreben, sie bekommen keine besseren Jobs und leben in Lagern. In Syrien hat Assad eine palästinensische Stadt ausgehungert, tausende Palästinenser sind verreckt. In Jordanien sind sie Bürger zweiter Klasse, unterdrückt von einem autokratischen Königshaus. Im Gaza-Streifen werden sie von Klerikalfaschisten unterjocht, die drakonische Strafen für Vergehen wie Alkohol- und Musikgenuss exekutieren.

Im Westjordanland geht es ihnen ein wenig besser, aber der demokratisch nicht legitimierte Präsident Abbas und seine Fatah stopfen sich die Taschen mit Hilfsgeldern voll und vernachlässigen die einfachen Leute. Einzig in Israel haben Palästinenser Rechte, die in westlichen Gesellschaften selbstverständlich sind: Religionsfreiheit, Wahlrecht, Gleichheit vor dem Gesetz und Rechtsstaatlichkeit, ungehinderter Zugang zu Bildung und Universitäten. Ausserdem eine staatlich organisierte Krankenversicherung und Versorgung, Arbeitslosen- und Rentenversicherung.

So ist es nicht verwunderlich, dass nach einer kürzlich durchgeführten repräsentativen Umfrage unter den arabischen Israelis 77% von ihnen glücklich sind, Israelis zu sein.

Eine Zwei-Staaten-Lösung würde für viele palästinensische Araber alle Hoffnungen auf diese grundlegenden Rechte zunichte machen. Ein palästinensischer Staat wäre ein weiterer failed State in der Region ohne Religionsfreiheit, Frauen- und Minderheitenrechte und würde für noch mehr Menschen Unterdrückung und Ausbeutung bedeuten. Ein Staat, der noch vor seiner Gründung darauf besteht, keine jüdischen Mitbürger zu haben, in dem Schwule an Baukränen aufgehängt und Frauen unterdrückt würden, hat die Unterstützung der Deutschen Politik und der israelischen Linken. Warum?

Dabei war es nicht immer so. Als in Israel die Schutzmauer gebaut wurde, die seit ihrem Bestehen Anschläge auf zivile Ziele in Israel auf ein Minimum reduziert hat, waren die Rechten und die Linken dagegen. Gebaut wurde sie trotzdem, denn sie war und ist leider notwendig für den Schutz von Zivilisten gegen den Terror von Hamas und Fatah. Die Gründe, warum die Rechten und Linken dagegen waren, waren jedoch beachtenswert. Die Rechten sträubten sich, mit der Mauer eine Grenze festzulegen und dadurch Gebiete hinter der Mauer noch vor Verhandlungen über einen Palästinenserstaat aufzugeben. Die Linken waren dagegen, weil sie damit alle Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben mit unseren arabischen Freunden in einem gemeinsamen Staat aufgegeben haben.

Die Zwei-Staaten-Lösung wäre also eine Kapitulation.

Die Fatah und die Hamas haben die Einwohnerzahlen und die Geburtenraten in den von ihnen kontrollierten Gebieten systematisch übertrieben. Sie drohen mit einer demographischen Bombe, die es so nicht gibt und erschleichen sich damit ausserdem mehr Hilfezahlungen aus dem Ausland. Die Palästinenser als Volk sind ein junges Konstrukt. Eigentlich handelt es sich um viele kleine arabische Stämme mit bis heute existierenden Stammesstrukturen. Wenn Israel es schaffen sollte, diese Stämme zu stärken und mit jedem einzelnen Frieden zu schliessen, dann wären die in Judäa und Samaria lebenden Araber in die Israelische Gesellschaft integrierbar. Und dann wären wahrscheinlich auch 77% oder mehr glücklich, die selben Rechte wie alle Israelis zu haben.

Nur für den Gazastreifen sehe ich keine Hoffnung. Der soll zurück nach Ägypten, wenn die denn wollen. Mit Ägypten hat Israel immerhin einen Friedensvertrag. Und die Stämme westlich des Jordans, die partout keine Israelis werden wollen, sollen sich Jordanien anschliessen. Mit Jordanien besteht auch ein Friedensvertrag.

Vielleicht irre ich und die Zwei-Staaten-Lösung ist doch eine gute Idee, auch aus israelischer Sicht. Aber es müssen auch andere Lösungen auf den Verhandlungstisch. Einen eigenen Staat muss man sich nämlich erarbeiten und dafür auch schmerzliche Kompromisse einzugehen bereit sein. Genau so wie Israel es 1948 getan hat. Wenn aber die Diskussion nur noch darum geht, wann Israel endlich den Palästinensern ihr angebliches Recht auf den eignen Staat einräumt und die arabische Seite nur fordert und nichts bietet, wird es keinen palästinensischen Staat geben. Sind aber andere Optionen auf dem Tisch, erhöht das den Verhandlungsdruck und es kann über Kompromisse geredet werden.

Ich persönlich werde einen Palästinenserstaat so lange kategorisch ablehnen, so lange die Palästinenser jüdische Einwohner ausgrenzen und die Zerstörung der jüdischen Dörfer und Städte fordern anstelle deren Integration in einen Staat Palästina. Da ist der Status quo noch 1000 mal besser.

Wenn Amos Oz anderer Meinung ist, dann halte ich das aus. Seine Bücher werden dadurch für mich nicht weniger spannend. Und nur im Streit der Meinungen kommt man zu einem funktionierenden Kompromiss, das ist das Grundprinzip der Demokratie. Daher möchte ich mich an dieser Stelle ganz deutlich für meinen Sohn entschuldigen.

Während der Dankesrede von Amos Oz rief er an einer Stelle laut und deutlich “Schwein!”. Ich versichere hoch und heilig allen, die das mit anhören mussten: Er meinte Ferkel, den kleinen Freund von Winnieh Puuh! Denn auch er würde sagen, wenn er könnte: Herzlichen Glückwunsch, lieber Amos Oz, zum Siegfried Lenz Literaturpreis.

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martin Krieger / 18.11.2014

Eine interessante und kluge Sicht auf das Thema “2-Staaten”, vielen Dank für diesen Denkanstoß. Martin Krieger, Frankfurt am Main

Alma Ruth / 17.11.2014

Amos Oz ist ohne Zweifel ein großer Schriftsteller. Alle seine Preise seien ihm vom Herzen gegönnt! Leider ist er politisch so naiv, wie man es sich kaum vorstellen kann. Lange Zeit sah ich die Welt auch so wie er. Irgendwann, vor langer Zeit, dämmerte es mir, daß mit meiner Sichtweise was nicht stimmt. Es war ein langsamer, schleichender Prozess, wie sich meine Sichtweise gewandelt hat. Ich glaube, Amos Oz ist nicht imstande die Ideale seiner Jugend auf- zugeben. Würde er das jetzt tun, in seinem Alter, würde er aller Wahrscheinlichkeit nach zusammenbrechen. Und das wollen wir, seine Leser, ganz bestimmt nicht. Er soll noch lange leben, gesund und zufrieden, und uns mit seinen Büchern beglücken!! lg Alma Ruth

Otto Jastrow / 17.11.2014

Amos Oz und der ebenso berühmte Autor David Grossman sind besonders gute Beispiele für den völligen Realitätsverlust der israelischen Linken. Es ist mir unbegreiflich, wie sich ein intelligenter Mensch so hermetisch abschotten kann gegen alles, was er tagtäglich hört, sieht, liest, selbst beobachtet oder im Fernsehen sehen kann. Wie er einfach nicht zur Kenntnis nehmen will, daß nicht nur die Palästinenser (ein paar Millionen Menschen), nicht nur die Araber (ca. 300 Millionen), sondern die gesamte islamische Welt (ca. 1,5 Milliarden) kategorisch die Auslöschung des Staates Israel fordert. Dieses Ziel ist im Islam verankert und ist völlig unabhängig von dem Verhalten Israels, doch je mehr Israel auf die Forderungen seiner Gegner eingeht, um so mehr schwächt es seine eigene Verteidigungsposition. Der Druck auf Israel, an seinem eigenen Untergang mitzuwirken, ist ungeheuerlich - er kommt von den haßerfüllten europäischen Staaten (Schweden, Norwegen etc.), aber auch von den USA (Muslimfreund Obama), von den jüdischen Feinden Israels (jüngstes Beispiel Blumenthals Auftritt bei der Linken) und eben von der verblendeten israelischen Intelligentsia. Wir im Westen sollten dieser Entwicklung nicht gelassen zuschauen. Israel ist der Vorposten der westlichen Zivilisation; wenn er fällt, ist dies unser eigenes Todesurteil.

Karl Krähling / 17.11.2014

Lieber Herr Havemann! „Die Konsensmeinung in der deutschen Politik“  spiegelt die Position wieder, die von der US-Außenpolitik wie auch vom Zentralrat der Juden vertreten wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein deutscher Außenminister ausgerechnet zu dieser Frage eine eigenständige Position entwickeln oder gar verteidigen würde. Die Debatte, wie Israelis und Palästinenser in 50 oder in 500 Jahren leben werden, ist nur für sehr wenige hier in Deutschland von Bedeutung. Es gibt derzeit wichtigere Probleme, als die Frage, wie viel Staaten es wo einmal geben wird, auch wenn es gelegentliche Eklats gibt – „Schockwellen des Antisemitismus“, wie Graumann sagte. Es gibt allerdings eine Meinungsbildung in der Bevölkerung Deutschlands bezüglich der israelischen Politik, die nicht nur von Sympathie und Verständnis getragen wird. Durch den wachsenden Anteil an Muslimen in Deutschland wird die Frage auch von größerer öffentlicher Bedeutung werden, mit denen sich vor allem „Linke“ und „Linksliberale“ solidarisieren werden. Ob das für Israel von Bedeutung ist, glaube ich eher nicht, eher für den Zentralrat der Juden, der in Deutschland verurteilt, was er in Israel toleriert. Die „Staatsräson“ Deutschlands gebietet, fest an der Seite Israels zu stehen und die israelische Politik ggf. nach eindringlicher Aufforderung durch Dritte zu kritisieren, wobei sehr genau darauf zu achten ist , dass sich Israelkritik nicht als verdeckter Antisemitismus offenbart. Um der Gefahr zu entgehen, wird die Kritik höchstwahrscheinlich ein extrem seltenes Ereignis im Leben eines prominenten Politikers bleiben, ausgenommen die wenigen bekannten Namen in der Partei „Die Linke“.  Es steht zu erwarten, dass auch zukünftig beide Seiten deutscherseits ihre angemessene finanzielle Förderung erhalten. In der europäischen Außen- und Israelpolitik wird die Stimme Deutschlands aufgrund seiner dunklen Vergangenheit eher verhalten sein in Relation zu den Stimmen, die aus anderen europäischen Staaten bezüglich einer „Zwei-Staaten-Lösung“ zu hören sind. Schließlich wächst auch in diesen Ländern der Anteil von Muslimen überproportional.

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