Das „Spiegel“-Büro in Jerusalem hatte eigens eine Praktikantin zum Fauxpas-Gucken geschickt. Aber HWZ unterliefen keine Fauxpas’. Tapfer absolvierte die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) dieser Tage das Programm ihrer jüngsten Israel-Reise, forderte getreulich die Rückkehr an den Verhandlungstisch, eine Zwei-Staaten-Lösung für Israel und die Palästinenser in den Grenzen von 1967 und die Abkehr von jedweder Gewalt.
Das Programm selbst war der Fauxpas.
Nach dem Pflichtbesuch in der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vashem und einem Turbo-Plausch mit Präsident Peres war ein einziger Termin auf israelischer Seite eingeplant: Ein Besuch in Sderot, wo täglich Kassam-Raketen aus dem nördlichen Gaza-Streifen einschlagen, ständig Verletzte und Tote zu beklagen sind und schwere Beton-Bunker inzwischen das Stadtbild beherrschen. Die Korrespondentenschaft in Tel Aviv und Jerusalem, an die der Reise-Plan vorab verschickt worden war, staunte nicht schlecht: Einzelgespräch mit Israels Linksaußen-Kämpfer Uri Avneri und Abendessen mit weiteren Jerusalemer Friedensaktivisten , palästinensische Mädchenschule, palästinensische Universität Bir Zeit, Abendessen mit Vertretern der palästinensischen Zivilgesellschaft, Besuch im palästinensischen Flüchtlingslager, Gespräche mit der palästinensischen Fatah-Regierung in Ramallah, Information seitens der UN darüber, wie israelische Checkpoints und Straßenblockaden das palästinensische Leben lahm legen… Zeit für einen Vertreter Israels, die Lebenssituation im Land und die Ziele israelischer Sicherheitspolitik zu erläutern, fand sich leider nicht im straffen HWZ-Programm.
Besonders denkwürdig schildern Teilnehmer den Besuch der Ministerin im Jerusalemer Willy-Brandt-Center. Die versammelten VertreterInnen des „zivilen Friedensdienstes“, die allesamt in den Palästinensergebieten Anti-Gewalt und Konfliktbewältigungsarbeit leisten, hatten im Wesentlichen zwei Punkte auf der Agenda. Zum einen solle Deutschland endlich nicht länger nur die Probleme der Palästinenser gegenüber der israelischen Regierung kritisch ansprechen, sonder „richtig Druck machen“. Konkreter wurde es leider nicht, obwohl es ja durchaus interessant gewesen wäre, welche Art politischer Daumenschrauben man sich im friedliebenden Kreise so vorstellt. Zweitens: Die Ausdehnung des zivilen Friedensdienstes auf Israel, was auch mitreisende Ministerielle für plausibel hielten. Wieczorek-Zeul umschiffte solche diplomatischen Untiefen geschickt, und so darf man mit einiger Spannung entsprechenden Vorlagen aus dem Bonner Ministerium entgegensehen: Wie wäre es mit einem Anti-Aggressionstrainig für israelische Militärs? Konflikt-Mediation für Schulbusfahrer im Umgang mit Sprengstoffgürtel-Trägern oder einen israelisch-palästinensischen Begegnungskreis „Wandel durch Annäherung“ mit jungen Hamas-Mitgliedern? Überhaupt scheinen gerade deutsche Friedensfreunde dazu prädestiniert zu sein, jüdischen Zeitgenossen ins verrohte Gewissen zu reden. Sechzig Jahre Bedenkzeit sind genug. Ohne uns hättet ihr noch immer keinen Staat, also benehmt euch gefälligst anständig.
Voll von Eindrücken kehrte die Ministerin nach vier Tagen Palästina nach Hause zurück.