Gunnar Heinsohn / 11.05.2021 / 06:15 / Foto: RealRoy / 32 / Seite ausdrucken

Amerikas groteske Unterschätzung Chinas

“Sixty Minutes”, Amerikas berühmte Plattform für hochkarätige politische Interviews, befragt Anfang Mai den US-Außenminister Antony Blinken zur Zukunft der Konkurrenz mit China. Er gibt sich zuversichtlich, weil das Reich der Mitte „eine alternde Bevölkerung“ hat, während die USA „besser als jedes andere Land der Erde“ ihre „menschlichen Potenziale maximieren können.“

Das CIA-Factbook meldet für Chinas 1,44 Milliarden Menschen ein Median-Alter von 38,4 Jahren (2020), für die 330 Millionen Amerikaner jedoch ein etwas höheres von 38,5 Jahren. Bei den rund 200 Millionen „Whites“ sind es sogar 44 Jahre. Die vergreisen noch schneller als Schweizer (42,7) und kaum langsamer als Österreicher (44,5) oder Deutsche (45,7)

Bei der Entfaltung des Humankapitals liegen bereits diese drei Länder deutlich vor Blinkens Heimat. Bei den Ende 2019 publizierten PISA-Tests von 2018 gibt es unter 1.000 Kindern (jünger als 15 Jahre) bei Höchstbegabten und Schulversagern folgende Rangfolge: Schweiz (49/168), Deutschland (28/211), Österreich (25/211) und USA (15/271). China hingegen spielt mit 165 Assen bei nur 24 Scheiternden in einer anderen Liga.

Nun lässt sich einwenden, dass nur vier chinesische Provinzen mit knapp 200 Millionen Einwohnern bei PISA mitgemacht haben und Peking obendrein regelwidrig selektiert hätte. Doch selbst wenn man nur die Werte Südkoreas (69 ganz oben und 150 im Abseits) auf China überträgt, gibt es unter seinen 249 Millionen Kindern des Jahres 2019 über 17 Millionen, die einmal Ausnahmeleistungen erbringen können. Unter rund 61 Millionen amerikanischen Kindern können nur 915.000 dabei mithalten.

In den USA erzogene Kinder aus Ostasien

Da es fast 19:1 für die Volksrepublik steht, wünscht man sich gerade für einen so besonnenen Mann wie Blinken besser informierte Berater. Selbst bei Hinzufügen der Musterschüler unter der Ägide von Berlin (320.000), Wien (32.000) und Bern (64.000) sieht es für die ökonomischen Kernräume des Westens kaum besser aus. Allein die 455.000 Nachwuchskönner unter 50 Millionen Südkoreanern übertreffen die drei Mitteleuropäer, obwohl sie doppelt so viele Menschen zur Verfügung haben. 

Dabei scheint es noch unter den Besten beider Seiten Qualitätsunterschiede zu geben. Das demonstriert Südkorea bei den streng gesiebten PCT-Patenanmeldungen von 2020, als es Deutschland mit 20.060 zu 18.643 deutlich hinter sich lässt. 1994 stand es noch 4.294 zu 190 für die Bundesrepublik. Beide legen zu, aber Ostasien sprintet, wo die Europäer schlendern. 

Recht hat Blinken – zumindest bisher – mit den Maximierungskünsten privater amerikanischer Schulen und Universitäten. Man erkennt ihre Überlegenheit daran, dass in den USA erzogene Kinder aus Ostasien besser und schneller vorankommen als alle anderen Ethnien. Höchste kognitive Kompetenz holt aus optimalen Förderungen nun einmal das meiste heraus. Wo sie jedoch, wie in Amerika, von vornherein knapp ist, wird am Ende nicht nur die Nation zurückfallen, sondern auch ihr Ausbildungssystem seine Attraktivität verlieren. 

 

Gunnar Heinsohn ist Autor von Wettkampf um die Klugen (Zürich: Orell&Füssli, 2019).  

 

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Daniel Oehler / 11.05.2021

Zeig mir Deine Infrastruktur und ich sage Dir, in welchem Zustand sich Dein Land befindet. Die Schweiz betrachtet Deutschland bahntechnisch als Dritt-Welt-Land. Mit Recht! Aber zur Eisenbahn in den USA und China: China hat mehr Hochgeschwindigkeitsstrecken als der Rest der Welt zusammen. Die USA haben weniger zu bieten als Marokko oder die Insel Taiwan. In Kalifornien waren es chinesische Arbeiter, die die äußerst anspruchsvolle Strecke durchs Gebirge Richtung Osten gebaut haben. Derzeit bastelt Kalifornien an einer sehr teuren Hochgeschwindigkeitsstrecke, die in einigen Jahren 2 Kleinstädte verbinden wird. Ob und die Metropolen San Francisco und Los Angeles erreicht werden? Ungefähr dann, wenn der letzte Grünen-Wähler erkennt, dass der Strom nicht aus der Steckdose kommt, dass das Netz kein Speicher ist und das das grüne Wolkenkuckucksheim von weltfremden Kobolden bevölkert ist. Aber vielleicht kommen die Chinesen ja wieder den Kaliforniern zu Hilfe? Das - wie China - einst von den Briten gedemütigte Indien baut Frachtkorridore auf Schienen, auf denen zweistöckig beladene elektrisch betriebene Containerzüge verkehren. In den USA und der EU neigt man dazu, die Lernfähigkeit der einstmals kolonisierten Asiaten zu unterschätzen. In China ist man heiß auf Technologie und Fortschritt und wird sich hüten, das durch Ideologie zu zerstören. Im Westen, insbesondere in den USA und Deutschland, zählen richtige Gesinnung und politisch-korrektes Auftreten mehr als Fortschritt und Technik. In China wurde um des technischen Fortschritts willen teilweise entideologisiert, in den USA und im grünen Merkelwählerland wird um der Ideologie willen enttechnisiert. Da ist klar, wem die Zukunft gehört.

Alois Ludwig / 11.05.2021

Was sollen all diese Intelligenz Vergleiche, wenn bei uns seit vielen Jahren mehr darauf geachtet wird, dass sich bereits in den Schulen die „richtige Haltung“ ausbreitet, die dann schließlich auch zu guten Noten führt. Die Patentanmeldungen im internationalen Vergleich oder auch der heimlich stattfindende Produktivitätsverlust in der Industrie sind untrügliche Hinweise für ein mittlerweile miserables Schulsystem. Begonnen hat alles mit der systematischen Ausgrenzung der alt ehrwürdigen Gymnasien und der Einführung der Gesamtschulen. Die staatliche Gelder sorgten dafür, dass prächtige Gebäude entstanden, dennoch schicken viele Eltern ihre Kinder lieber in die mittlerweile finanziell abgehängten noch existierenden Gymnasien. Aber sei’s drum, heutzutage bekommen landesweit bald annähernd 60% das Abiturzeugnis in die Hand gedrückt, dabei wird hingenommen, dass ein hoher Anteil der „Bildungselite“  den Dreisatz, die einfache Prozentrechnung oder auch das fehlerfreie Schreiben mehr oder weniger als Belästigung empfindet. Einige Hochschulen reagieren auf die neue Bildungsrealität, in dem sie „Stützkurse“ anbieten, die die „Studierfähigkeit“ der Studenten herstellen sollen. In einer Gesellschaft, wo Studienabbrecher oder Langzeitstudenten u.  Bildungsbetrüger immer öfter über die Parteien in finanziell höchst lukrative, vorwiegend staatliche, Positionen vordringen ist mehr oder weniger alles „GAGA“. Das sieht man am deutlichsten an der sogenannte Klimapolitik, wo man bei einem weltweiten CO2 Anteil von ca. 2%, mit einer Reduzierung in welcher Höhe auch immer, die Welt vor dem herbei fantasierten Hitzetot retten will. Die allgemeine „Blödheit“ ist mittlerweile mit jedem Atemzug spürbar.

Chris Vehring / 11.05.2021

Ich halte diese reinen Zahlenvergleiche nicht für zielführend. Der politische Kapitalismus Chinas hat ohne Zweifel zig Millionen Menschen aus der Armut befreit. Dies ist auch das der Grund warum die KP so breiten Rückhalt in der Bevölkerung hat. Aber der Westen mit dem liberalen Kapitalismus hat extrem viele Vorteile, die hier unterschlagen werden. Im Aufholprozess sind 5-Jahrespläne relative leicht planbar. Das was zu tun ist, ist offensichtlich: Integration in die Lieferketten, Ausnutzung der eigenen “billigen” Arbeitskräfte, Aufbau von Infrastruktur, etc. China hat noch nicht das Niveau des Westens, kommt aber nach KKP immer näher ran. Desto näher China dem Westen kommt, desto schwieriger wird die Planung. Da hat Hayek einfach auch in 2021 noch Recht. Ob das chinesische Ausbildungsmodell wirklich so fabelhaft ist, wage ich außerdem zu bezweifeln. Geld und vor allem Beziehungen spielen hier eine extrem große Rolle, das ist zwar auch in den USA der Fall, aber dort gepaart mit einem “westlich” freiheitlichen Ansatz, der in der Forschung entscheidend ist. Und natürlich in den Sozialwissenschaften auch extreme Stilblüten produzieren kann: Gender, Rassismus etc. Es kommt im Westen auch schneller zu einer Politisierung von Wissenschaft: Klima und Corona legen hiervon Zeugnis ab, aber trotzdem gilt: “Die Luft der Freiheit weht” - in China nicht.  Schwierig ist es übrigens für Afrika. Angenommen wir ignorieren alle Nachteile die tatsächlich in der kolonialen Vergangenheit liegen. (Einschub: Allein in der DR Kongo leben 200 Ethnien, in Nigeria werden 514 Sprachen gesprochen usw.) Wenn sich jetzt ein Land entschließen sollte dem chinesischen Weg zu folgen, kann es den eigenen Leuten nur versprechen: Du musst dir noch den Buckel krumm schuften für einen geringen Lohn (Integration in Lieferketten u Ausnutzung “billiger” Arbeitskräfte) , aber deinen Kindern und Kindeskindern wird es mal deutlich besser gehen. Anders als für Chinesen ist der reiche Westen aber um die Ecke.

Alexander Mazurek / 11.05.2021

Nun, wer hat denn China groß gemacht, indem die westliche Industrie “in pursuit of happiness and prey” unserer Plutokraten dahin ausgelagert wurde, wo’s billiger war, wenn nicht unsere Globalisten, beginnend mit Thatcher und Reagan? Anders als im inzwischen kulturentwurzelten und wohlstandsverwahrlosten Westen, dessen “Bildungs”-systeme, ausgehend gerade von den USA, inzwischen seit Jahrzehnten intellektuelle Pfeifen produzieren, so Ayn Rand, gibt es in China noch einen Willen zur Leistung und Entbehrung. Nun werden die westlichen Plutokraten wohl die Geister nicht los, die sie selbst erweckten? Wer hätt’s gedacht ... Was die Sterblichkeitsraten angeht, ausgehend vom CIA-Factbook, rate ich zum Blick in indexmundi: China 0,81% seit 2005 steigend, USA 0,83% leicht steigend, DE 1,2%  seit 2008 steigend. Dito für die Geburtenraten: DE ca. 0,87%, China ca. 1,17%, USA 1,23% nach 1,18% in 2018. Insoweit sind sich China und die USA bei den demografischen Trends ähnlich, allerdings bei China mit 1,41 Mrd. und USA mit 0,331 Mrd. Einwohnern (lt. Wikipedia). Was die Freiheit und Demokratie angeht, werden die USA völlig überschätzt, von Beginn an, siehe Tocqueville’s “Über die Demokratie in Amerika” und Ortega y Gasset “Wie es in Nordamerika heißt, anders sein ist unanständig”, in 2010 hat der Supreme Court mit der Entscheidung im Fall Citizens United v FEC gar die anonyme Käuflichkeit der Politik (durch Super PAC’s) für Recht erklärt ...

Ralf.Michael / 11.05.2021

Chinesische Studenten/Studentinnen kommen ganz besonders gerne nach Deutschland. Warum ? Hier muss mann nämlich keine Studiengebühren zahlen…Noch Fragen ??

Klaus Keller / 11.05.2021

Jetzt müßte mir nur noch jemand erklären warum ich den möglichen Niedergang der USA bedauern soll. Zahlreiche dt. Politiker erzählen gerne: Nur mit der €U haben wir eine Chance gegen die USA und China. Kürzlich war in der FAZ zu lesen das man Indien gegen China beistehen müsste. M.E. sind wir Partner und Rivalen und das Beste was Deutsche machen könnten ist zwischen den Kontrahenten zu vermitteln.  Ich bin nämlich überzeugt das es bei allen Gegensätzen auch gemeinsame Ziele geben müsste.

klaus brand / 11.05.2021

@Jan Kandziora / 11.05.2021; Wer während seiner Studienzeit an einer Universität die Fertigkeiten und Lernerfolge chinesischer Mitstudenten zutreffend und abschließend zu beurteilen lernt, sollte man von dem nicht auch erwarten, das im akademischen Umfeld übliche Wort “Kommilitonen” halbwegs, richtig buchstabieren zu können? Ein Wort, zwölf Buchstaben, zwei Fehler-das ist echte deutsche Wertarbeit. Und hinsichtlich der Qualität chinesischer Ingenieurprodukte verweise ich nur auf das 5G-Internet, das sich die Chinesen offenkundig von deutschen Ingenieuren erklären lassen müssen, auf die Raketen, die sie von deutschen Ingenieuren zusammenschrauben lassen müssen und die Satellitentechnik, die sie von deutschen Ingenieuren auf der Rückseite des Mondes installieren ließen. Spaß beiseite, Sie sollten von Ihrem hohen Roß herunterkommen, denn dieses Roß ist bereits mausetot.

A. Ostrovsky / 11.05.2021

Ozeanien paktiert abwechselnd mit Eurasien oder Ostasien. Mehr kann man dazu nicht sagen. Immerhin war ja der Ausbau Chinas zur HighTech-Macht ein Werk US-amerikanischer Politiker und ihrer Demagogen, weil man nicht willens war das so bequeme Außenhandelsdefizit abzubauen und weil Deutschland und Japan als Lieferanten einfach an ihre Leistungsgrenze gekommen waren. Jetzt zu heulen, dass die Chinesen nicht nur Kommunisten sind, sondern sogar wirtschaftlich längst führend, hat etwas vom Zauberlehrlin. Wir können nichts mehr tun, nicht für die Amerikaner und nichts für uns selbst. Wir haben getan, was wir konnten, bis zur Selbstverleugnung durch die Agenda 2010, aber es gab keine Wertschätzung. Wir können nichts tun, außer uns dagegen wehren, wenn man uns nun wieder die Schuld zuschieben will.

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