Rainer Bonhorst / 11.01.2021 / 12:00 / Foto: Pixabay / 29 / Seite ausdrucken

Amerika? Die weltweit geheuchelte Sorge 

Schadenfreude ist ein deutsches Wort, das Eingang in andere Sprachen gefunden hat. Beschreibt es eine besondere deutsche Neigung? Offenbar nicht. Der Sturm auf den Kongress in Washington hat weltweit einen Tsunami der Schadenfreude ausgelöst. Allerdings eine Schadenfreude der besonderen Art. Eine als tiefe Besorgnis getarnte Schadenfreude.

Die Sorgenfalten der Autokraten und Diktatoren von Südamerika über Afrika bis hin nach Ostasien haben etwas Komisches. Da fließen klassische Krokodilstränen. Auch die eine oder andere deutsche Träne schmeckt stark nach Krokodil. Es wird geheuchelt, als habe Molière das Drehbuch geschrieben: Ach diese Sorge um die erschütterte Zitadelle der Demokratie! Um das Verblassen der „leuchtenden Stadt auf dem Hügel“, die – leider, leider - nicht mehr ihre Botschaft von Freiheit und Wohlstand hinaus in die Welt senden kann! 

Die einen „sorgen“ sich, obwohl sie selber für keine Sekunde an die hehre Rolle Amerikas glauben, sondern im eigenen Land auf eiserne Härte setzen. Die anderen „sorgen“ sich, obwohl sie sich selber für Leuchttürme der Demokratie, der Freiheit und Gerechtigkeit halten und diese Rolle den Amerikanern schon lange nicht mehr zubilligen.

Man könnte die Welle der Heuchelei mit einem Schmunzeln über menschliche Schwächen abtun, wie wir sie nun mal alle haben. Wäre da nicht die vielerorts daraus gezogene Schlussfolgerung, dass Amerika dank Donald Trump seine Rolle als ordnende Weltmacht und als Führungsgestalt der demokratischen Welt verloren habe. Dieser Meinung kann man sein, aber was dann? Wer soll die frei gewordene Führungsrolle übernehmen?

Gehen wir kurz die einzelnen Kandidaten durch und fangen vor der Haustür beziehungsweise im eigenen Haus an. Deutschland? Natürlich nicht. Aber vielleicht Europa, diese Union, die sich im tiefsten Herzen doch für das bessere Amerika hält? Die EU als Führungsmacht mit weltweiter Autorität? Dieser in sich zerrissene, zuletzt von einem wichtigen, als Atommacht Mitglied, einer Atommacht verlassene Block aus 27 auseinander driftenden Staaten? Dem immer noch die demokratischen Grundvoraussetzungen fehlen, die dieser Club von seinen Mitgliedern verlangt? Die Europäische Union hat ihr Gutes, aber sie ist bei weitem nicht gut und nicht stark genug, um Amerikas Rolle in der Welt zu übernehmen.

Was bleibt, ist Amerika 

Der Riese Russland? Putin würde schon beim Vorsprechen für diese Rolle durchfallen. Als Atommacht ist Russland ein Konkurrent Amerikas. Aber als Wirtschaftsmacht ist es so schwach, wie es groß ist. Und von moralischer Autorität kann Moskau nur träumen.

China? Ein sehr ernst zu nehmender Ersatzspieler. Ökonomisch übermächtig, mit Zugriff auf Europa und Afrika. Militärisch stark. Für die europäische, vor allem für die deutsche Wirtschaft ein unverzichtbarer Partner. Also ein Amerika-Konkurrent, ob wir wollen oder nicht. Aber wehe uns, wenn uns der chinesische Weg aufgeladen würde. Kältester Kapitalismus, gesteuert von einem Staat, der keine politische Freiheit kennt. Ein imposanter, ökonomisch verlockender Riese, aber das Gegenteil eines Vorbildes.

Sonst ist da nichts. Die Operetten-Diktatoren in anderen Weltgegenden, die dieser Tage ihr „Besorgnis“ über den Zustand Amerikas formulieren, muss man in diesem Zusammenhang keines zweiten Wortes würdigen.

Was bleibt, ist Amerika. Das angeschlagene Amerika, das uns auch in diesem Zustand um Meilen näher ist als der Rest der Welt. Sicher, Donald Trump, der in den letzten Tagen, Wochen und Monaten das verspielt hat, was er zuvor an Beachtlichem geleistet hat, hinterlässt ein beschädigtes Amerika. Aber der Schaden wird behoben werden. Einerseits, weil Joe Biden einen anderen, international kooperativeren Stil pflegt. Andererseits, weil er durchaus ein Stück Trump-Politik aufrechterhalten wird. Er sagt nicht: America first. Aber er denkt es, wo es um den Wiederaufbau der US-Wirtschaft geht. Im Übrigen hat Amerika schon Krisen von ähnlicher Größenordnung wie der des Sturms auf den Kongress überwunden. Wer denkt heute noch an Watergate?

Amerika ist sturmerprobt. Es ist und bleibt unsere beste Hoffnung als starker Partner. Und – trotz aller Unzulänglichkeiten – auch unsere beste Hoffnung als politisch-moralische Weltmacht. 

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Leserpost

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Thomas Klingelhoefer / 11.01.2021

@Joerg Haerter: Das sehe ich genauso, wir können dankbar sein, mit einem halbwegs rationalen Menschen zu tun zu haben anstatt mit einem ideologisch völlig erstarrten Apparatschick oder religiös durchgeknallten Fanatikern, welche ohne Rücksicht auf die eigene Existenz Atombomben einsetzen würden, um ihrem Glauben zu dienen.

Peter Michel / 11.01.2021

Demokratie und Toleranz ist, Herrn Bonhorst hier auszuhalten.

Susanne antalic / 11.01.2021

Ja, mei, Trump hat Amerika beschädigt , aus ihrem Artikel habe ich nicht erlesen können, warum sie das so sehen(Fakten) und wie beschädigt. Jetzt blasen sie alle gegen Trump, nur weil er und seine Anhänger für ihren REcht kämpfen, den man hier nicht sehen will. Es gab in viele Ländern demonstrationen FÜR Trump, also so einseitig wie das auch hier geschrieben wird, ist das nicht. Aber sollen sie sich alle für den Biden und Harris freuen, denn sie alle bekommen ein böses Erwachen und es werden nie wieder hieben und drüben demokratische Wahlen geben, weil jetzt weiss man wie es geht.

Volker Kleinophorst / 11.01.2021

@ F Burig Schön erklärt, warum das Narrativ Demokratie nicht mehr überzeugt. Weil die Demokratie keine mehr ist, sich nicht mal bemüht so zu tun. @ J. Harter Würde Putin sofort gegen das gesamte Kabinett eintauschen. Unser natürlicher Verbündeter. Als Deutschland noch was zu bieten hatte, ist er uns wirklich einladend entgegenkommen. Aber man steht natürlich zu Amerikas Sanktionen wg. Krim… Eines Amerika dessen Präsidenten man seit 4 Jahren abgrundtief torpediert, diffamiert, ja hasst (Ist linker Hass. Der ist erlaubt.) inkl. aller seiner Millionen Wähler. Mit welchem Amerika arbeitet man da eigentlich zusammen? Den “inoffiziellen” Staaten von Amerika?

Kostas Aslanidis / 11.01.2021

@Frank Stricker Christian Streich ist ein fanatischer Gruener. Er hat den illegallen islamisten, der ein junges Maerchen in Freiburg vergewaltigt und ermordet hat, niedlich den “Bub” genannt. Als ob er einen Streich gespielt hat. Pfui

Samuel Donar Lang / 11.01.2021

Tja, wie wäre es mit einer Welt, in denen es keine von parasitären Hintergrundmächten aufgeblähten “Supermächte” mehr gibt? Dann würde jede Region der Welt ihre Probleme selber regeln, ganz ohne Eingriff von Moralistengeschmeiß? :D Kann man natürlich als umerzogenes Wrack und westlich geprägtes Zivilisationsopfer schon gar nicht mehr geistig erfaßen, diese Möglichkeit.

Ralf Schmode / 11.01.2021

Trump hat das “beschädigte Amerika” nicht hinterlassen, er hat es vorgefunden. Identitätspolitik hat schon zu Zeiten des Heilsbringers Obama das Land vergiftet und gespalten, und während der Amtszeit von Trump wurde von den Democrats, den ihnen hörigen Medien und den “woken” Social Media- und Big Data-CEOs in Silicon Valley alles getan, um diese Spaltung zu vertiefen. BLM und die damit verbundene Verbreitung von Hass auf Durchschnittsamerikaner haben ein übriges getan. Die Vorgänge um die Präsidentschaftswahl haben dann den Damm brechen lassen. Nein, die positiven Resultate der Amtszeit von Trump werden ganz sicher nicht durch die durch nichts zu rechtfertigenden Ereignisse vom Capitol entwertet, das hätten die Trump-Verächter gerne. Ja, auch Biden mag für “America first” stehen. Aber er wird nicht viele Entscheidungen zu treffen imstande sein, und hinter ihm warten mit Harris, Ocasio-Cortez und Warren Personen, die offenbar - wie Merkel in Deutschland - bereit sind, das Land, dem sie dienen sollten, aus ideologischen Gründen zu ruinieren. Dagegen war Trump tatsächlich ein Kontrastprogramm. Und wenn die Damenriege hinter Biden erst mal so richtig loslegt, werden sich viele Amerikaner den Orange Man zurückwünschen.

Ulrich Kalscheuer / 11.01.2021

Sehr geehrter Herr Bonhorst, vielen Dank für Ihren Artikel zur Rolle der USA als Welthegemon! Ihrer Beurteilung Herrn Bidens kann ich nicht folgen. Dieser ist gesundheitlich angeschlagen und wird kaum der Belastung des Amtes standhalten können. Zudem hat er Herr Biden eine Vergangenheit, die eine Prognose als Präsident des Friedens und Ausgleichs nicht rechtfertigt. Zudem sollten wir eher einer multipolaren Möchtekonstellation den Vorzug geben, als eine von der Finanzindustrie und von Riesenkonzernen dominierte Welt zu wünschen. Dies entsteht nämlich gerade mit Herrn Biden! Mit freundlichen Grüßen! Ulrich Kalscheuer

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