Joachim Nikolaus Steinhöfel / 05.05.2017 / 16:07 / Foto: A.Savin / 13 / Seite ausdrucken

Am Tag der Pressefreiheit: Lösch-Groteske nach Maas

Wenn Justizminister Maas Recht hat, hat er Recht. Am „Tag der Pressefreiheit“ postet er auf seiner Facebook-Seite dies:

Kritischer Journalismus ist unverzichtbar für jedes freie Land. Das gilt auch und gerade am heutigen "Tag der Pressefreiheit". Ohne Meinungsfreiheit gibt es keine Demokratie. Parolen wie „Lügenpresse“ oder „alternative Fakten“ machen die Gefahren für die Pressefreiheit deutlich. Die #Pressefreiheit ist keine Selbstverständlichkeit, sie muss erkämpft, verteidigt und geschützt werden – in Deutschland und weltweit. In immer mehr Ländern fassen die Mächtigen politische Kritik als persönliche Beleidigung auf und unterdrücken Meinungsfreiheit – auch mit dem Strafrecht. Unsere Solidarität gilt allen unabhängigen Journalistinnen und Journalisten, die daran gehindert werden, ihre Arbeit zu machen. Wir fordern insbesondere die Freilassung von Reportern, die wie Deniz Yücel zurzeit in Haft sitzen! #freedeniz"...„#TagDerPressefreiheit"

Ich unterschreibe jedes Wort! Nun sehen viele Bürger, Verbände und auch Politiker der Koalition die Aktivitäten des Justizminister im Zusammenhang mit dem geplanten „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ durchaus kritisch. Ich hatte nahezu zeitgleich einen Videokommentar zu diesem Thema produziert, den ich mit folgendem Kommentar unter das Posting von Heiko Maas einstellte:

"Sehe ich genauso. Und weil der kritische Journalismus auch in der BRD unter Beschuss gerät, habe ich mir dazu, ganz im Sinne unseres Justizministers – und insb. dessen gesetzlicher Vorhaben – ein paar Gedanken gemacht."

Was dann geschah, ergibt sich aus meiner Anfrage an die Pressestelle des Bundesjustizministeriums, die dort am 05.05.2017 um 09:10 Uhr einging:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin Autor der “Achse des Guten”, “Tichys Einblick”, “The European”, Gastautor von “stern.de” usw.

Herr Minister Maas hat am 03.05.2017 um 11:20 Uhr ein Posting zum „Tag der Pressefreiheit“ veröffentlicht.

Ich habe unter diesem Posting folgenden Kommentar geschrieben: ” Sehe ich genauso. Und weil der kritische Journalismus auch in der BRD unter Beschuss gerät, habe ich mir dazu, ganz im Sinne unseres Justizministers – und insb. dessen gesetzlicher Vorhaben – ein paar Gedanken gemacht.” Und dazu diesen Link mit einem Video-Kommentar zum geplanten “NetzwerkdurchsetzungsG” verlinkt: ‪https://www.youtube.com/watch?v=-b1qhsXXm9E.

Der Kommentar war kurze Zeit später der “Top-Kommentar”, dann wurde er gelöscht. Facebook bietet die Funktion an, den Kommentar dergestalt zu entfernen, dass er für den Kommentierenden und dessen Freunde sichtbar bleibt, für alle anderen aber nicht. Diese Funktion wurde, wie eine Recherche zweifelsfrei ergeben hat, gewählt. Mein Kommentar befasst sich – im Video – kritisch mit dem “NetzwerkdurchsetzungsG”, ist jedoch in keiner Weise justiziabel. Ich bin seit ca. 25 Jahren als Anwalt mit auch presserechtlichem Schwerpunkt tätig und traue mir daher diese Einschätzung zu. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir im Laufe des Tages, möglichst bis zum frühen nachmittag, die nachstehenden Fragen beantworten könnten.

1. Warum wurde der Kommentar in der beschriebenen Weise gelöscht?

2. Sieht der Minister keinen Widerspruch in dieser Löschung einer kritischen Stimme, während er sich im Ausgangsposting als Verfechter der bedrohten Pressefreiheit und des kritischen Journalismus positioniert?

3. Wird der Minister die Löschung rückgängig machen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, darf ich mit einer Entschuldigung rechnen?

4. Die Facebook-“Währung” sind Likes. Mein Kommentar ist trotz der Manipulation der Top-Kommentar. Die Zahl der Likes wäre deutlich höher, wenn der Kommentar nicht, ausser für meine “Freunde” gelöscht worden wäre, sondern der gesamten Öffentlichkeit zugänglich. Damit ist der durch Likes dokumentierte Zuspruch manipuliert und die Leser der Seite werden über den Zuspruch getäuscht. Einen möglichen Hinweis auf diesen “redaktionellen Eingriff” zur Vermeidung dieser Täuschung haben Sie unterlassen. Wie rechtfertigen Sie dies?“

Knapp zweieinhalb Stunden später meldete sich Herr Scholz aus der Pressestelle des Justizministeriums. Er bestätige den Sachverhalt. Es lasse sich aber „nicht mehr nachvollziehen“, wie es zu der Sperrung des Kommentars gekommen sei. Der Kommentar sei jetzt wieder für alle sichtbar freigeschaltet. Das Ministerium lösche nur Beiträge, die gegen die eigene Netiquette verstießen. Dies sei bei dem in Rede stehenden Beitrag nicht der Fall. Man bitte um Entschuldigung.

Was das Ministerium nicht mehr nachzuvollziehen vermag, dürfte sich so abgespielt haben: Der Redaktion der Facebook-Seite von Heiko Maas gefiel der „kritische Journalismus“ nicht, weil er sich gegen den eigenen Dienstherren richtete. Anstatt dies im Interesse der Meinungsfreiheit, die der Minister soeben pries, zu ertragen, wurde die perfide Löschmöglichkeit von Facebook genutzt, mit der man löschen kann, ohne dass der Kommentator dies sogleich merkt. Als sich dann ein shitstorm abzeichnete, ruderte man zurück. Wie wir sehen, hatte Justizminister Maas mit seinem Posting völlig Recht. “Die Pressefreiheit ist keine Selbstverständlichkeit, sie muss erkämpft, verteidigt und geschützt werden.” Schade nur, dass das auch gegenüber denjenigen gilt, die sie zu verteidigen eigentlich berufen sind.

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netiquette:

Karla Kuhn / 05.05.2017

„Die Pressefreiheit ist keine Selbstverständlichkeit, sie muss erkämpft, verteidigt und geschützt werden.“  Sie als Anwalt Herr Steinhöfel wissen sich zu wehren. Was macht ein Rechtsnichtkundiger wenn ihm so etwas passiert ?  Einen Anwalt kann sich nicht jeder leisten. Also bleibt es an uns hängen, die Pressefreiheit immer wieder neu zu erkämpfen, verteidigen und zu schützen ? Ein sehr anstrengendes Unterfangen. Es gehören zusätzlich noch glasklare Regeln dazu,  daß auch diejenigen, die sie verletzen bestraft werden und das unabhängig von der Person.

Sepp Kneip / 05.05.2017

„Die Pressefreiheit ist keine Selbstverständlichkeit, sie muss erkämpft, verteidigt und geschützt werden.“ Schade nur, dass das auch gegenüber denjenigen gilt, die sie zu verteidigen eigentlich berufen sind.” Solche Pardoxien, Herr Steinhöfel,  sind doch Gang und Gäbe bei unserem “honorigen” Justizminister. So bekämpft er “Rechts”, also das, was von unseren Regierenden als “Rechts” angesehen wird, mit Methoden, die seinerzeit die Rechten Nazis angewendet haben. Der Zweck heiligt die Mittel. Deutschland noch einen Rechtsstaat zu nennen, ist sehr verwegen. Die Aushängeschilder sind die von Merkel gehypten Maas und Schwesig. Wo sind wir nur gelandet?

Thomas Nuszkowski / 05.05.2017

Und gut, dass es noch alternative Foren gibt, bei denen Sie diesen Sachverhalt problemlos schildern können. NOCH, wohlgemerkt.

Petra Wilhelmi / 05.05.2017

Herr Steinhöfel, haben Sie etwas anderes erwartet? Maas’ Text auf Facebook ist das glatte Gegenteil von dem was er fordert. Obendrein widerspricht er sich noch in seinem Text: Zitat Maas: “Parolen wie „Lügenpresse“ oder „alternative Fakten“ machen die Gefahren für die Pressefreiheit deutlich.” Die Pressefreiheit hat nichts mit der Feststellung “Lügenpresse” und “alternative Fakten” zu tun. Dadurch wird die Pressefreiheit nicht bedroht. Wieso auch? Keiner verbietet irgendeiner Zeitung “Enten” in die Welt zu setzen. Sie müssen natürlich dann dazu stehen, wenn sie erwischt werden, und sich dafür entschuldigen und die Falschaussagen richtig stellen. Im Gegenteil, UNSERE Meinungsfreiheit wird bedroht, wenn wir nicht mehr sagen dürfen, was wir denken, sondern so denken sollen, wie Maas es im Verein mit der Presse uns vorschreiben. Das man Ihren Kommentar wieder eingestellt hat, ist Ihrer Person zu verdanken. Hätte ich das geschrieben, ohne dass ich vorweisen kann, journalistisch tätig zu sein und wo, dann hätte ich nicht mal eine Antwort erhalten.

Markus Rühseler / 05.05.2017

Das gleiche ist mir die letzten 3 Tage psssiert. Es wurde ein von mir kommentierter Artikel der Welt 3 mal gelöscht. Weder braun, noch beleidigend, noch unwahr oder verschwöhrungstheoretisch. Allerdings enthiehlt er auch Regierungskritik. Immer wieder gepostet mit kleiner Beschwerde…und zack, nach ner gewissen Zeit wieder weg. Dann mal direkt den Denunziatinsartikel von Correctiv gepostet über die AfD-Frau, die darin als Ex-Prostituierte “entlarvt” wird. Mit Kommentar über den Stil der Diffarmierung und dem Hinweis, dass doch dieser Artikel bestimmt nicht gelöscht wird…und zack nach kurzer Zeit das Macherk aus dem eigenen Stall gelöscht. Es fängt tatsächlich an.

Thomas Rießinger / 05.05.2017

Pressefreiheit ist die Freiheit der Presse, der Regierung nach dem Mund zu reden. Denkt sich der Justizminister.

Jochen Brühl / 05.05.2017

Wenn der Justizminister Maas den Satz: “In immer mehr Ländern fassen die Mächtigen politische Kritik als persönliche Beleidigung auf und unterdrücken Meinungsfreiheit” tatsächlich so geschrieben hat, ist das von ihm so geäußert Realisatire.

Christoph Kaiser / 05.05.2017

Ich bewundere Ihr treffsicheres Gespür, den “Gegner” in Verlegenheit zu bringen. Chapeau!

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