Archi W. Bechlenberg / 20.11.2020 / 06:25 / Foto: JA/Facebook / 122 / Seite ausdrucken

Alysson – Tage später

Ein Meer von Blumen liegt vor dem kleinen Friseursalon von Alysson Jadin in der Lütticher Rue Saint Gilles. Am Montag nahm sich die 24-Jährige das Leben, die wirtschaftlichen Folgen der Ladenschließung infolge der Corona-Maßnahmen hatten ihr jeden Lebensmut geraubt.

Die Zeitungen in Belgien sind voll von Berichten über den Fall. Es dürfte einer von vielen sein, und eher einem Zufall ist es zu verdanken, dass er soviel Aufmerksamkeit erlangte – kurz vor ihrem Suizid war die junge Frau nämlich in der Presse in einem Videobericht vorgestellt und so aus der Anonymität geholt worden. Selbst staatlich kontrollierte Medien wie der RTBF berichten, und das durchaus kritisch. So überschreibt RTF einen Text mit der Headline „Jung und belgisch. Die doppelte Strafe“ Ohne Fragezeichen.  

Inzwischen weiß man mehr über sie. Hört und liest man Aussagen ihrer Nächsten über Alysson, bekommt man mehr als eine Ahnung darüber, wie verzweifelt sie gewesen sein muss. Alle sagen übereinstimmend, sie habe immer vor Energie und Lebensfreude gesprüht, sei immer voller Ideen und Pläne gewesen und habe sich trotz ungünstiger Umstände nicht davon abhalten lassen, ihr Geschäft zu eröffnen. Immerhin, es war Anfang August nicht absehbar, dass es erneut einen weitgehenden Lockdown geben würde. Was mich besonders beeindruckt hat: Während des 1. Lockdowns im Frühjahr hat Alysson Jadin freiwillig und unentgeltlich in der Lütticher Universitätsklinik Patienten kosmetisch gepflegt und frisiert.

Berichterstattung über weitere „Kollateralschäden“

Eine aktuelle Umfrage nach Alyssons Tod hat ergeben, dass sich 70 Prozent aller belgischen Einzelhändler in der gleichen wirtschaftlichen Situation wie Alysson sehen; in einer ähnlichen Umfrage vor Corona zum Stand der Wirtschaft waren es gerade einmal 10 Prozent. Man kann sich also ausmalen, was da erst noch kommen wird. Natürlich nicht nur in Belgien.

Zugenommen hat auch die Berichterstattung über weitere „Kollateralschäden“ durch die massive Einschränkung von persönlichen Kontakten. Heute lese ich, dass jedes fünfte Kind in Belgien Zeichen von Depression zeigen. Der belgische Rundfunk BRF berichtet von unfassbaren Fällen. Ein Mann durfte nicht an der Beerdigung seiner Frau teilnehmen. Seine Tochter erzählt: „Meine Eltern waren im selben Seniorenheim, aber in einer anderen Abteilung, da meine Mutter dement war. Die Pfleger haben mir im Nachhinein gesagt, sie hat immer nach mir gerufen. Sie haben versucht, das zu lockern, aber leider war die Bestimmung so, dass das nicht ging.“

Auch ihr Vater durfte seine Frau nicht mehr besuchen. Die Mutter hat das alles nicht verstanden. Sie verweigerte daraufhin das Essen und ist nach zwei Monaten gestorben. Der Vater verlor danach die Lust am Leben und ist kurze Zeit danach gestorben. „An Trauer.“ sagt die Tochter.

Alyssons Freunde und Verwandte versuchen, ihren Verlust zu verarbeiten. „Wir hoffen, dass ihr Tod nicht ganz umsonst war. Vielleicht wird dadurch das Bewusstsein für die bisher unter den Teppich gekehrten Folgen der vielen Einschränkungen geweckt und gestärkt“. Von Lüttich aus startete gestern eine Initiative von Selbstständigen und Unterstützern, sie prangern die Arbeitsbedingungen und die geringe Hilfe an, die ihnen in dieser Zeit der Gesundheitskrise gewährt wird. 

Ob es etwas nützt? Zumindest das Argument, das alles diene ja vor allem dem Schutz der Alten, kann angesichts der Schicksale alter Menschen, die an Einsamkeit und Kummer sterben, beerdigt werden. Streng nach Vorgaben für Beisetzungen und Einäscherungen: „Die Aktivität ist so zu organisieren, dass Zusammenkünfte vermieden werden.“ 

Foto: JA/Facebook

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Leserpost

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Stefan Schultz / 20.11.2020

Und warum wählen genau diese Leute überwiegend die Blockparteien? Sorry. Aber das Wahlverhalten spricht Bände. Wer die Sozialisten und Kommunisten wählt oder gar nicht zur Wahlurne geht, bekommt genau das, was er oder sie verdienen. Es ist nur noch traurig zu sehen, wie die Bevölkerung ihren eigenen Untergang wählt. Aber Dummheit ist nicht auszurotten.

Heinrich Moser / 20.11.2020

Nachdem den alten, weißen Männern der Stinkefinger gezeigt wurde, machen die Jungen Schneeflockerln Politik. Koste es, was es wolle.

Dr. Karl Eduard Brodersen / 20.11.2020

Dieses Mitgefühl mit einem Einzelschicksahl ist äußerst glaubhaft und berührend. Machen Sie weiter so und irgendwann werden Sie auch für weitere Schicksale Mitgefühl empfinden können, selbst für alte und kranke Menschen. Als Trump Corona hatte, kam hier ja auch sowas ähnliches wie Mitgefühl auf.

Archi W Bechlenberg / 20.11.2020

Einige ganz aktuelle Ergänzungen: das im Artikel von Dienstag erwähnte Video ist unter dem genannten Link nicht mehr verfügbar, man findet es aber bei Youtube, so wie auch weitere zu dem Fall. Suchen Sie bei YT nach “Alysson Jadin”. Am Sonntag findet ein Trauermarsch in Lüttich statt, der zum einen an die junge Frau erinnern, zum anderen auf die prekäre Situation der Selbstständigen hinweisen soll. Eine kleine Gedenkveranstaltung mit hunderten von Teilnehmern fand bereits gestern in der rue Saint Gilles statt. Die Hauptabendnachrichten im Fernsehen berichteten darüber mit einem Filmbeitrag. Bemerkenswert auch: der amtierende Ministerpräsident Belgiens, Alexander van Croo, hat sich bewegt zu dem Schicksal Alyssons geäußert, eine Aufmerksamkeit, die in Deutschland nicht einmal jedem Terroropfer zuteil wird.

Karsten Dörre / 20.11.2020

Als Revolutionäre die Macht übernahmen, war die Euphorie gross. Je länger diese allein regierten, wurde das Leben unerträglicher. Der Weihnachtsmann darf nicht an die Tür klopfen, Kindergeburtstagsfeiern sind illegal, Freundschaften pflegen gefährlich bis tödlich. Kultur und Kunst werden verboten, Parlamente zu Operettenhäusern. Das nimmt kein gutes Ende.

beat schaller / 20.11.2020

Danke Herr Bechlenberg für diesen erneuten Bericht des Schreckens. Es wird immer dramatischer auf dieser Welt. Wenn ich auch die Bilder vor dem deutschen Bundestag gesehen habe mit all den brutalsten Einsätzen der Polizei, die da gefilmt wurden, die dermassen unwürdig sind, dass man sich kaum zurückhalten kann. Wenn ein Polizist, auch wenn er Anweisungen von “oben” erhalten hat,  einem Demonstranten, der sich nicht wehrt direkt auf den Kopf sitzt um ihn mit drei anderen Polizisten zu fesseln, dann ist das mindestens versuchter Mord. Mit Verhältnismässigkeit hat das nichts zu tun. Wenn eine Hundestaffel in der Art auf die Menschen losgelassen werden, wenn Politzisten in der Art auf Demonstranten die keine Gewalt anwenden einhauen, dann ist das Kanonenfutter für den Europäischen Menschenrechts Gerichtshof.  (sofern dieser nicht auch schon gekauft ist). Solche Bilder, solche tragische Geschichten wie Alysson oder das was Sie vom Altenheim schreiben, das muss grossflächig und symbolisch in die -Welt hinaus geschrien werden. So haben solche Schicksale oder treffender gesagt, solche Morde mindestens einen symbolischen Sinn. Wenn das nicht mehr hilft, dann ist wirklich Kanonenfutter angesagt. Wenn wir in Europa von solchen Brutalos regiert und dressiert werden sollen, dann ok! Dann habe ich auch nichts mehr zu verlieren, ausser meine Achtung und Menschenwürde!  b.schaller Danke Herr Belchenberg dass Sie sich so aus dem Fenster lehnen!

Kostas Aslanidis / 20.11.2020

Solche Schicksale, interessieren den Coronafanatikern (Systemlinge), nicht im geringsten. Sie blenden die Toten durch die untragbaren und ungesetzlichen, Coronamassnahmen aus. Es gibt nur den Coronagott. Ein Alptraum und Tortour ist inzwischen das Leben. Die Folgen sind noch im Anfangsstadium. Die “Wir konnten es nicht ahnen” Fraktion, wird sich bald wundern.

Horst Girmann / 20.11.2020

Tja, in vielleicht einer Generation oder auch erst etwas später werden die Soziologen eine Delle in der durchschnittlichen Lebenserwartung feststellen und rasch die Ursache dafür finden: Der Preis für die “Lebensrettung um jeden Preis.”

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