Einmal ist die Schweiz nicht die Insel der Glückseligen. Die Notenbank hat vor fast fünf Jahren einen Leitzins von 0,75 Prozent ausgerufen. Minus 0,75 Prozent, wohlgemerkt. Weltrekord. Der Grund dafür ist allerdings, besonders wenn man in der Schwindsucht-Euro-Zone lebt, beneidenswert: Das hat die Schweizerische Nationalbank 2015 eingeführt, nachdem sie die Verteidigung der Untergrenze zum Euro aufgab. Um zu verhindern, dass der Franken anschließend durch die Decke ging, will sie seither Frankenkäufer mit diesem Negativzins abschrecken.
Verschreckt sind aber immer mehr auch in der Schweiz die Sparer und die Rentenanwärter. Denn es wird ihnen langsam bewusst, dass ihre eigene Notenbank ihnen seit 2015 bereits ein paar Milliarden abgeknipst hat.
Die EZB verlangt (noch) keine Strafzinsen, aber ein Zinsniveau von Null macht den Anleger auch nicht gerade froh. Nun führt bereits die eine oder andere deutsche Bank Negativzinsen ein. Und zwar, was sich Schweizer Banken nicht trauen, ab dem ersten Euro. Zuvor hatten sich deutsche Geldhäuser bemüht, nur vermögendere Kunden zu schröpfen, so ab 100.000 Euro Einlage zum Beispiel.
Natürlich gibt es auch eine gute Nachricht. Ach ja? Aber sicher: Das ist ja nichts Neues. Mit Kontoführungsgebühren, Kommissionen und ähnlichem Schnickschnack haben Banken schon länger den minimalen oder Nullzins auf Einlagen ins Negative gedrückt. Nur hört sich Negativ- oder Strafzins irgendwie bösartiger an. Es kommt halt immer darauf an, wie man dem Bankkunden in die Tasche greift.
Keine Ahnung wie der Euro da jemals wieder rauskommen will
Diese negative Zinsspirale geht natürlich von der Europäischen Zentralbank (EZB) aus. Die ist zwar theoretisch unabhängig, weiß aber, dass ohne den Aufkauf von Staatsschuldpapieren in der eigenen Währung und ohne Nullzinsen Eurostaaten reihenweise die Bücher deponieren könnten. Denn außer Deutschland gäbe es kaum einen Staat, der seine Schulden mit einem früher üblichen Zinssatz von 5 Prozent – plus Amortisation – stemmen könnte.
Bevor einer fragt: Ich habe keine Ahnung, wie die EZB, wie der Euro aus dieser Nummer jemals wieder rauskommen will. Ich glaube weder an den Weltuntergang noch an den angeblich bevorstehenden großen Crash. Das ist Angstmacherei von Scharlatanen, die sich daran, wie bei Untergangspropheten üblich, selber gesundstoßen wollen. Aber ohne eine neuerliche Währungsreform, mindestens einen massiven Schuldenschnitt, auch in Form einer massiven Inflation, wird es nicht abgehen. Bei einem solchen Rasieren lässt natürlich immer der Gläubiger Haare. Also zum Beispiel der Steuerzahler und der Sparer.
Als ob das des Elends nicht genug wäre, hat der Nullzins auch in Deutschland dramatische Auswirkungen auf das sowieso schon wackelige Rentensystem. Als ob die Demographie nicht schon genug Anlass zu Besorgnis böte. Denn es ist eigentlich völlig klar, dass angesichts steigender Lebenserwartung bei gleichzeitiger Vermehrung der Rentner und Verminderung der Beitragszahler der Zeitpunkt der Katastrophe mit mathematischer Sicherheit ausgerechnet werden kann. Intelligente 30-Jährige wissen heutzutage, dass sie sich besser selber um ihre Altersversorgung kümmern sollten.
Denn beide Ansparmethoden laufen aus der Spur. Das Umlageverfahren – also aktuelle Beitragszahler stemmen die Renten von aktuellen Jubilaren – verändert sich immer mehr zu ungunsten der Beitragszahler, bis dann einer – wie in Frankreich bei der Eisenbahn – für drei Rentner zuständig ist. Also unmöglich, außer, der Staat stopft die Löcher.
Dann hätten wir noch das Ansparverfahren. Also der zukünftige Rentner legt, steuerlich bevorzugt und vom Arbeitgeber unterstützt, einen Euro auf den anderen, damit er dann nach seiner Pensionierung das Kapital fröhlich verzehren kann. Konnte. Denn in all diesen Sparplänen, auch bei Lebensversicherungen, gekoppelt mit einer Rente, ist eine gewisse Mindestverzinsung eingepreist.
Was tun, fragt sich der kleine Mann
Man geht also davon aus, dass nicht nur der Spargroschen das Vermögen ansammelt, sondern dass auch der Zinsgewinn eine wohltätige Rolle spielt. Und da es sich um langfristige Anlagen handelt, kommt noch der Faktor Zinseszins hinzu. Dessen Auswirkungen werden vom Laien gerne unterschätzt.
Ein einfaches Beispiel zur Illustration. Wie lange dauert es, bis sich 5.000 Euro bei einem Zinssatz von 5 Prozent verdoppelt haben? 20 Jahre? Falsch. Mit Zinseszinsen dauert es lediglich 14,2 Jahre. Und das „nur“, weil jedes Jahr auf den Anfangsbetrag plus die bisher aufgelaufenen Zinsen 5 Prozent draufgesattelt werden. In 20 Jahren ist man schon bei 13.260 Euro. Bei einer wohlwollend gerechneten Lebensarbeitszeit von 40 Jahren sind aus den ursprünglich 5.000 immerhin 35.200 Euro geworden.
Nun nehmen wir mal ein aktuelles Beispiel mit risikofreier Verzinsung. Wie lange dauert es, bis sich 5.000 Euro verdoppelt haben, wenn der Zinssatz Null beträgt? Blöde Frage? Okay, seien wir großzügig und rechnen damit, dass ein Profit von 1 Prozent erwirtschaftet wird. Das ist möglich, aber nicht ganz risikofrei. Wie lange dauert es dann bis zur Verdoppelung? Nun, muntere 69,66 Jahre. Also wenn Sie heute mit Sparen anfangen, haben Sie das ursprüngliche Kapital Ende 2088 verdoppelt. Vorausgesetzt, Sie sind so um die Zwanzig, und vorausgesetzt, Deutschland schafft es tatsächlich nochmal 70 Jahre, keinen Krieg vom Zaun zu brechen.
Was tun, fragt sich der kleine Mann, wohl auch die kleine Frau. Leider sind die guten Ratschläge sehr überschaubar. Ich würde mal sagen: Ab Lebensalter 50 gilt, Augen zu und durch. Von Wundern und Ausnahmen abgesehen, ist es zu spät, noch große Sprünge in der Selbstversorgung mit Vermögen zu machen. Wer mag, kann es ja mit regelmäßig Lottospielen probieren.
Unter 50: Da kommt zuerst die Einsicht, dass es fahrlässig ist, sich auf das ewige Versprechen aller Regierungen „die Rente ist sicher“ zu verlassen. Das gilt vielleicht für den Schöpfer dieses Satzes, denn Norbert Blüm verzehrt eine nette Pension als ehemaliger Abgeordneter und Minister. Aber für fast alle anderen gilt: selber schauen. Wie das, und wohin?
Ab 10 Prozent sollte man eher ins Casino gehen
Die erste Stellschraube ist die eigene Risikobereitschaft. Heutzutage gilt: Eine Rendite ab 5 Prozent bedeutet das mögliche Risiko eines Totalverlusts. Ab 10 Prozent sollte man eher ins Casino gehen, da stehen die Chancen besser, dass man wenigstens mit dem eingesetzten Kapital wieder rauskommt.
Eine Mischrechnung wäre dann noch empfehlenswert. Hä? Nun, man rechnet aus, was sich so jährlich an Gebühren und Abgaben für die Kontoführung zusammenläppert. Und dann macht man sich schlau, was das Anmieten eines Bankschließfaches kostet. Ist das billiger, ist die Verwandlung in Bargeld eine Überlegung wert. Hier gibt es allerdings das kleine Risiko: wenn die Bank ausgeraubt wird, ist es nicht so einfach, die Höhe des Inhalts nachzuweisen. Man kann sich also auch das Versteck unter der Matratze überlegen.
Gut, damit wäre der Zins- und Gebührenschneiderei ein Riegel geschoben. Aber wenn der Euro zu allem Elend auch noch zu galoppieren beginnt? Inflation ist immer die klassische Methode von Staaten, ihre Schulden loszuwerden. Nun, da greift der Kleinanleger vielleicht noch zu einem Goldbarren. Legt den aber physisch in sein Versteck, ja nicht in Form eines Zertifikats. Denn wenn der Aussteller pleite geht, hat der Besitzer kein Gold in der Hand, sondern nur einen Fetzen Papier.
Ach, und nicht nur in der Weihnachtszeit: Solange das Lämplein glüht, das gilt heute so sehr wie kaum einmal. Denn wenn die Aufbewahrung von Geld Geld kostet, also 1.000 Euro auf der Bank in einem Jahr, ganz abgesehen von der Inflation, weniger wert sind als heute, dann kann man noch etwas gegen diesen Verlust tun. Die 1.000 Euro auf den Kopf hauen. Einfach verrösten, verblöden, sich eine Sause leisten, den Unsinn finanzieren, den man schon immer mal anstellen wollte.
Sicher, der daraus gewonnene Genuss ist flüchtig. Geld aber auch. Und Erinnerungen kann einem niemand nehmen. Nicht mal die EZB.