Felix Perrefort / 09.08.2022 / 11:00 / Foto: Imago / 56 / Seite ausdrucken

Als Lauterbach Wieler vor den Bus schubste

In der Kontroverse um die Verkürzung des Genesenen-Status geriet Lauterbach in die Kritik. Drei Wochen später noch schob er die Schuld auf Lothar Wieler. Eine veröffentlichte E-Mail bezeugt nun, dass er gelogen hatte. 

Als das Robert-Koch-Institut Mitte Januar 2022 den Genesenen-Status auf drei Monate verkürzte, sorgte das auch unter den sich hintergangen fühlenden Ministern für breite Kritik, auf die Karl Lauterbach in gewisser Hinsicht einging. Um den allgemeinen Zorn zu dämpfen, behauptete er, von den Plänen der ihm unterstellten Behörde nichts gewusst zu haben. Das war damals schon unglaubwürdig, weshalb ich auf Achgut.com fragte, ob Lauterbach lügt. Schließlich hatte die Staatssekretärin seines eigenen Ministeriums die Verkürzung angekündigt und Lauterbach darüber hinaus in einem Interview einmal offen eingestanden, dass ein aufrichtiger Umgang mit der Wahrheit den politischen Tod bedeuten könne. Angesichts der unzähligen widersprüchlichen Äußerungen von ihm schrieb ich, dass Lauterbach sich an Fakten und Argumenten stets nur das greift, was seinen augenblicklichen Zwecken dient, sein Verhältnis zur Wahrheit rein instrumentell ist. Man kann das unter „typisch Machtpolitiker“ verbuchen, vielleicht muss man aber auch weitergehen – aber dazu später mehr.

Die WELT hat nun unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz (und gegen monatelanges Verzögern seitens des Ministeriums) die Veröffentlichung einer E-Mail erwirkt, die die Kommunikation zwischen Gesundheitsministerium und RKI in der Frage des Genesenen-Status beweist. Das RKI möchte darin wichtige Fragen geklärt wissen, was dann auch geschah. Die Absegnung des Bundesgesundheitsministeriums sei schließlich „im Rahmen einer mündlichen Rücksprache erteilt“ worden. Zugleich beharrt das Ministerium jedoch auch heute noch darauf, dass Lauterbach nichts von der Änderung gewusst habe, als er kurze Zeit vorher in seiner Rede vor dem Bundesrat versicherte, die Länder vor Änderungen bezüglich der Corona-Verordnungen zu informieren und mögliche Einwände zu berücksichtigen. Grund dafür sollen „Kommunikationsprobleme zwischen RKI und BMG sowie innerhalb des BMG“ gewesen sein, so ein Sprecher des Gesundheitsministeriums.

Professionelle Schamlosigkeit 

Es gibt nur drei Möglichkeiten: 1) Lauterbach lügt und mit ihm aktuell sein Ministerium: Er wusste von den Änderungen und entschied sich für sie (um den Impfdruck auf genesene Ungeimpfte zu erhöhen). 2) Lauterbachs Mitarbeiter haben ihn sehr wohl informiert, er hat es nicht bemerkt (E-Mail nicht gelesen) oder vergessen, und nun decken ihn seine Mitarbeiter unter Verweis auf eigene Kommunikationsprobleme. Dann wäre er maßlos überfordert. 3) Sein Ministerium handelte in einer Frage, die die Grund- und Freiheitsrechte von Millionen von Bürgern betrifft, ohne ihn zu informieren. Dann hätte er seine Behörde nicht im Griff und müsste öffentlich personelle Konsequenzen ziehen. 

Die für Lauterbach günstigste Version wäre die letzte. Gegen sie spricht, dass kaum vorstellbar ist, dass Ministeriumsmitarbeiter in dieser Frage entscheiden und wichtige Ergebnisse dieser Entscheidung nicht dem maßgeblichen Vorgesetzten mitteilen. Andererseits ist bei einem an einer Atemwegsinfektion irre gewordenen Verwaltungsstaat auch simple Dysfunktionalität nicht mehr auszuschließen. Vielleicht muss man sich das Treiben in den Ministerien ja inzwischen so vorstellen, wie es in Asterix – Sieg über Cäsar persifliert wird. Dort antwortet ein römischer Beamter auf Asterix' Frage, wo die Auskunft sei: „Weiß nicht, frag bei der Auskunft, die geben euch Auskunft.“

Wahrscheinlicher wäre dann aber doch Version eins oder zwei. Wie ich damals schrieb, ist Lauterbachs Bezugnahme auf Fakten und Argumente seinen momentanen Begierden unterworfen, die heute andere als gestern sein können. Wer sich im politischen Betrieb nach oben arbeitet, muss aus rein polit-strategischen Gründen darin bewandert sein, sich die Wirklichkeit pragmatisch zunutze zu machen. Das ist für sich noch nicht verwerflich. Es ist dann eben eine Frage des Charakters, wie weit man zu gehen bereit ist. Scham ist etwas, gegen das man sich abhärten kann.

Lauterbach opferte Wieler 

Kommen wir damit zu seinem Umgang mit Lothar Wieler. In einem Interview mit der BILD vom 7. Februar, also drei Wochen (!) nach Beginn der Affäre, hatte er dem Leiter des RKI die Schuld gegeben. Dessen angeblicher Alleingang sei „nicht in Ordnung“ gewesen und „wird sich nicht wiederholen“. Nehmen wir zugunsten Lauterbachs an, dass Version drei zutrifft, es also ministeriumsinterne Kommunikationsprobleme gab, für die er unmittelbar nichts konnte. Dann musste er zu diesem Zeitpunkt dennoch von der Kommunikation zwischen RKI und BMG gewusst haben. Er hat Lothar Wieler, wie man im Englischen so schön sagt, vor den Bus geschubst, um sich selbst aus der Affäre zu ziehen. 

Wie man es auch dreht und wendet: Lauterbach sieht in allen Varianten schlecht aus. Selbst wenn die staatsoffizielle Version zutrifft, in der er „nur“ sein Ministerium nicht unter Kontrolle hätte, muss er immer noch über Lothar Wieler gelogen und ihn geopfert haben, um die Kritik von ihm weg auf das RKI zu lenken.

Denn eines kann man tatsächlich mit Gewissheit ausschließen: dass seine Ministeriumsmitarbeiter Lauterbach drei Wochen nach der Veröffentlichung zum Genesenen-Status noch nicht über ihre Absprache mit dem RKI unterrichtet hatten. Zu diesem Zeitpunkt wusste Lauterbach unweigerlich von den nun veröffentlichten E-Mails. Erhebliche ihn als Entscheidungsträger disqualifizierende Persönlichkeitsdefizite offenbaren sich in diesem Skandal also in jedem Fall. 

Zwar sollte man politische Widersacher nicht pathologisieren, bei Lauterbach muss man sich allerdings vernünftigerweise fragen, ob seine Corona-Politik nicht nur verrückt insofern ist, als sie einen deutschen Sonderweg darstellt, der angesichts einer Atemwegsinfektion immer noch maßlos in Grundrechte eingreift, sondern ob sie tatsächlich einem klinisch pathologischen Geisteszustand entspringt.

Systematisches Lügen ist jedenfalls eine Form der Manipulation, die zusammen mit Empathielosigkeit zu einigen psychischen Krankheiten gehört. Nun bin ich gewiss kein Fachmann auf diesem Gebiet, weshalb ich es bei dem Wunsch belassen will, dass Experten in klinischer Psychologie der Frage nach Lauterbachs psychischem Gesundheitsstatus doch einmal systematisch nachgehen und ihre Ergebnisse dann der Öffentlichkeit mitteilen. Es besteht ein allgemeines Interesse an der Frage, ob jener Politiker, der im pandemischen Ausnahmezustand mit zentraler Macht über die Grundrechte aller Staatsbürger ausgestattet ist, psychisch überhaupt gesund ist. 

 

Korrekturhinweis:

In einer früheren Version dieses Textes war von vier Wochen Zeitspanne zwischen der RKI-Veröffentlichung zum Genesenen-Status und dem BILD-Interview die Rede, das in den Artikel vom 16. Februar eingebettet ist. Richtig ist also, dass es sich um drei Wochen handelte.

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Dr. Markus Hahn / 09.08.2022

Berufswahl ist Symptomwahl. Das gilt auch (andere würden sagen: insbesondere) für Berufspolitiker. Die nicht korrigierbare Fixierung Lauterbachs auf eine als existentielle Bedrohung der Gesellschaft phantasierte Virus-Epidemie bei gleichzeitig ebenso nicht korrigierbarer Ignoranz gesellschaftlich real existentiell bedrohlicher Entwicklungen im Bereich der Krankheitsversorgung ist bizarr bis verantwortungslos. Die Frage ist, wer treibt da wen warum? Und: Wer lässt da wen warum treiben?

Hjalmar Kreutzer / 09.08.2022

Auf DuRöhre ist eine Demo in Pforzheim zu sehen, unter vielen Schildern auch: „Lauterbach zur MPU!“ Nein, diese „Aussegnungsgesichter“ (Autor der AdG) auf der BuPreKo! Zwei Heulbojen im Winterwind ...

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