„Als Jüdin musst Du besser sein als alle anderen.“

Von Malca Goldstein-Wolf.

Eigentlich wollte ich immer nur sein wie alle anderen, fühlte mich auch nicht anders und lernte erst später, dass man eine gewisse Bürde trägt, wenn man jüdisch ist. Egal wie gläubig man ist, für die Welt bleibt man Jude und eben doch irgendwie anders.

Mal was Privates über mich … „Als Jüdin musst Du besser sein als alle anderen.“ Schon als kleines Mädchen hat mir mein Vater diesen Satz eingeimpft. Ich habe das zunächst nicht verstanden und empfand diese Aussage als unangenehmen Druck. Eigentlich wollte ich doch nur sein wie alle anderen, fühlte mich auch nicht anders und lernte erst später, dass man eine gewisse Bürde trägt, wenn man jüdisch ist. Egal wie gläubig man ist, für die Welt ist man Jude und eben doch irgendwie anders.

Als ich Anfang der Achtziger aufs Gymnasium kam, machte ich meine erste deutlich antisemitische Erfahrung, als mir eine Mitschülerin zurief, dass man mich wohl auch vergessen hätte zu vergasen. Meine gute Deutscharbeit rief Hass in ihr empor. Als meine (eigentlich gute) Freundin im Geschichtsunterricht zum Besten gab, dass die „hergelaufenen Israeliten den Palästinensern das Land geklaut haben“, durchfuhr mich mit elf Jahren ein leiser Schauer. Ich wusste noch nicht viel über unsere Geschichte, aber ich spürte, dass ich für irgendetwas verantwortlich gemacht werde.

Als ich traurig von der Schule nach Hause kam, fragte ich meine Mutter, warum meine Freundin Julia das gesagt hatte. Sie schaute mich an und antwortete: „Weißt Du, Malca, als ich Deinen Vater geheiratet habe, sagte uns der Standesbeamte, dass so eine Ehe vor kurzem nicht möglich gewesen wäre und er meinte das nicht nett.“ Sie, die Christin, ist mit mir, ihrer sechsjährigen Tochter, zum Judentum konvertiert. Sie wollte, dass wir uns zu meinem Vater bekennen, eine Einheit bilden. Es ging ihr, so denke ich, nicht nur um eine Glaubensfrage, sondern mehr um Zugehörigkeit, darum, Flagge zu zeigen, in einer Welt, in der auch sie angefeindet wurde, weil sie einen Juden geheiratet hat. Und ich wollte das auch.

Es war nicht immer leicht für meine Eltern, und unterschwellig spürte ich auch als kleines Mädchen immer wieder Argwohn und Ablehnung. Anders als mein Vater, der lieber leise war und es lieber gesehen hätte, wenn auch ich leise gewesen wäre, habe ich mich anders entschieden. Ich wollte mich nicht verstecken, keine Angst haben, mich den Anfeindungen stellen. Dieses Gefühl, kein Opfer sein zu wollen, wuchs in den Jahren immer stärker an und jetzt kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, zu schweigen. Eine Identität wird einem in die Wiege gelegt und sie nicht auszuleben, würde für mich bedeuten, mich zu verleugnen. Ob dieser Weg zufriedener macht, weiß ich nicht, aber ich wäre todunglücklich, wenn ich nicht zu mir und meinen Wurzeln stehen würde. Der Name „Goldstein“ steht wie eine Etikettierung, ich will ihn mit Würde tragen.

 

Malca Goldstein-Wolf, geb. 1969, ist eine deutsch-jüdische Aktivistin und Publizistin, die sich gegen Judenhass einsetzt. Neben ihrem Aktivismus als ehrenamtliches, geschäftsführendes Mitglied des deutschen Präsidiums von Keren Hayesod, Israels größter Spendenorganisation, sammelt sie Gelder für israelische Menschen in Not. Mehr von Malca Goldstein-Wolf finden Sie auf ihrer Facebookseite und bei Twitter, wo dieser Beitrag zuerst erschien.

Foto: Tapfer im Nirgendwo

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Leserpost

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Lutz Liebezeit / 17.09.2023

Ich glaube, das ist eher ein Frauenproblem als ein Judenproblem. Meine Frau hatte auch das Bedürfnis, anders zu sein, so anders, daß sie bestenfalls von Frauen, aber keinesfalls von Männern, am wenigsten von ihrem Ehermann verstanden werden konnte. Ich denke, die Juden haben auch den Ehrgeiz, kein Volk unter Völkern zu sein? Jesus hat den biblischen Gott allgemeingültig gemacht. Vielleicht würde ich das auch bedauern, daß mein Exklusivrecht von diesem Typen verramscht worden ist? Aber es könnte auch ein Grund sein, stolz zu sein? Wessen Glaube erlebt schon einen solchen Siegeszug? Gut, Sie haben eine Reihe von Prophezeiungen, und die haben wir auch. Unsere Prophezeiungen sind von “Riesen” und nicht weniger dramatisch und nicht weniger unwahr. Denkt man ehrlich darüber nach, dann löst sich Gott irgendwann auf. Die Indianer hatten ihre Propheten, die Griechen hatten ihre Propheten (Orakel von Delphi), alle Völker hatten ihre Propheten. Also sollte es sich bei dem allmächtigen Gott um die Vorsehung handeln, die keinen bevorzugt und aller gedenkt. Ist Ihnen das zu launisch? Und schlußendlich war auch Jesus ein Prophet. Er hat uns wahr und richtig über das Ende der Welt informiert, wie Johannes. Die Bibel ist das Abbild der Welt, am Anfang stehen die Schöpfung und das Paradies, und dann strebt sie unaufhörlich dem Weltuntergang zu. “Nicht die Pläne der Menschen sind es, die sich verwirklichen, sondern der Wille Gottes.” Pharao Ptahhotep, Altes Reich. Die Ägypter kannten Gott, bevor er sich bei den Juden gemeldet hat. Wir müssen teilen lernen.

Ralf Pöhling / 17.09.2023

Wer bei Verstand will schon Opfer von irgendwem anders sein? Das darf auch niemals gesellschaftlicher Konsens werden, dass solche Opfer Normalität werden. Opfer bringt man gegenüber sich selbst und den Eigenen, niemals gegenüber Fremden. Mit dem Namen Goldstein sind Sie in Deutschland im übrigen nicht allein, Frau Goldstein-Wolf. Ich kenne da noch jemanden. In meiner Verwandtschaft. Ob da mehr hinter steht, weiß ich nicht. Aber die gleichen Namen kommen ja meist nicht von ungefähr. Goldstein-Wolf ist im übrigen auch eine sehr passende Bezeichnung für das, was uns geschichtlich ja schon sehr lange verbindet und jetzt in vollem Umfang zum Einsatz kommen sollte. JHWH und Odin im selben Team. Mit geeinten Kräften schlägt es sich doppelt so hart.

Johannes Schuster / 17.09.2023

Jetzt möchte ich die Autorin erst ein am Knuddeln, um sie zu trösten. Ja, ich erkenne vieles wieder: “besser sein (zu müssen) als alle anderen”, jaja, das hat aus mir einen Neurotiker gemacht, den man mal im Forellenteich auf das Eis warf um ihn zu ersaufen, und dem man einen Finger brach und einmal die Treppe runter warf in der Schule. Wäre ich nicht autistisch ich würde heuten noch mit einem Trauma rumlaufen. Und hätte ich nicht manchen rabbinischen Vortrag, der mich mal aus dieser Kondition der Welt holte und sei es auch nur in einem flüchtigen Gedanken, ich würde sicher verrückt. Aber das ist doch Noah und die Arche, das sind die Begriffe die einen über das Meer heben, oder ? Ob man nun glaubt oder nicht spielt keine Rolle, und ob Gott oder der Mensch die Begriffe schafft, die tragen, hauptsache nicht die Rolle ! Also sagen Sie bitte von Sich aus nicht .... “Ich , als Jüdin”. Sagen Sie bitte “ich bin Mensch und als Mensch jüdisch”. Sonst wird man in dem Begriff “als” dem utilitaristischen Gedanken unterworfen und das ist so gut als die Unterjochung in Ägypten. Sie können für die da draußen, für das Meer sein, was sie wollen, das ist beliebig, für sich sollen sie immer wissen, daß sie ein Mensch sind, der eben nicht das Meer ist. Gott hat drei Verträge hinterlassen: Das Leben, die Arche und den Berg Sinai. Drei mal hat er den Menschen gebunden in einer Bedingung des Menschseins an sich. Daß daraus das Jüdischsein wurde ist eine Sache für sich. ABER ungeachtet des Meeres und der Beliebigkeit ist der Mensch mit den Begriffen er selbst. Alles andere ist das Wasser in dem nur die Fische nicht ertrinken. Gott hat drei mal das Wasser wirken lassen: Am Anfang, bei Noah und bei Moses, den er schwimmen ließ und für ihn die Fluten brach. Sie müssen in der Eigenschaft Mensch nicht “als” sagen, das macht aus allem ein Narrativ. Dafür ist man nicht da, ein Narrativ zu sein.

Gerhard Schäfer / 17.09.2023

Sehr verehrte Frau Goldstein-Wolf,- nur dumme Menschen können Antisemiten sein! Als Christ befasse ich mich besonders mit den Prophetien des Alten Testaments (AT) und des Neuen Testaments (NT). Die meisten Prophetien der Bibel sind schon in Erfüllung gegangen, ich schätze mal ca. 90%. Ein Beispiel: Die Juden sind in ihr Land zurückgekehrt, siehe Psalm 107 / Hesekiel 11 V 17, Hesekiel 36 V 24 / Jesaja 43 V 5 - 6 / Jeremia 16 V 14 - 16 / Sacharja 8 V 7 - 8 /  -  Über diese Rückkehr der Juden in ihr Land hat Stefan Frank mit seiner Artikelserie ja sehr spannend berichtet! Wir leben damit auf dieser Welt in der Endzeit! Wie es jetzt weitergeht, erzählt uns das NT, insbesondere die Offenbarung (z.B. Offb. 13 V 16), aktuell scheinen wir uns vor der Einführung der digitalen Währungen (CBDC´s) und der weltweit gültigen digitalen ID zu befinden. Und die Bibel prophezeit, daß am Ende der Tage Israel die wichtigste Nation auf dieser Erde sein wird!

Gudrun Meyer / 17.09.2023

Als Jüdin müssen Sie nicht moralisch oder fachlich in allem “besser” als andere zu sein, aber Sie brauchen sehr viel Rückgrat und sehr viel von der Fähigkeit, sich abzugrenzen, andernfalls gehen Sie seelisch kaputt. - Woher ich das weiß? Ich bin Nicht-Jüdin und mit 8 auf einen Zeitungsartikel gestoßen, der mich über ein besonders sadistisches Verbrechen in einem nat.soz. KZ informierte und in dem einige Sätze standen, aus denen hervor ging, dass derartige Verbrechen systemisch waren. Meine Eltern waren zwar der Meinung, ich sei zu klein, um davon zu erfahren, und erst meine 2 jüngeren Schwestern, aber es war nicht mehr vermeidbar. Eltern sind hilflos, wenn Kinder neugierig sind. Na ja, meine Eltern hatten recht, ich war zu klein, um diesen Horror zu verkraften. Als Kind identifizierte ich mich ja ohne jede Abgrenzung mit den Opfern. Ein paar Jahre später kam das Thema in der Schule dran, und der Lehrer war ein Linker, der uns im Schuldkult gegenüber der ganzen Welt unterrichtete. Sogar die sozialen Probleme schwarzer Amerikaner gehörten für ihn zur deutschen Schuld. Aus einer völlig anderen Situation und Perspektive als der Ihren heraus wurde ich traumatisiert und musste lernen, mich einerseits als Deutsche zu fühlen und andererseits eine deutsche Verantwortung für staatliche, deutsche Verbrechen voll anzuerkennen. Als ich 2017 oder 2018 zum ersten Mal mitbekam, wie eine afrikanische Ladendiebin eine deutsche Verkäuferin, von der sie sich beim Klauen gestört fühlte, ohne jeden Grund als NAZI beschimpfte, blieb ich ruhig, aber in mir kam ein Hass auf, den ich kaum für möglich gehalten hätte. Mir war klar, dass der Hass weniger mit dem schlechten Benehmen einer Kleinkriminellen als mit meiner eigenen inneren Biographie zu tun hatte. Und nein, ich schäme mich nicht für diesen Hass. Bitte schämen auch Sie sich nur ja nicht, wenn schon Belege für den Antisemitismus der Dümmsten bei Ihnen Hass auslösen. Der Hass hat viel mit der Selbstachtung verletzter Menschen zu tun.

Joerg Machan / 17.09.2023

Natürlich ticken Juden anders als der Rest der Welt -  Eine deutsche Mutter fragt ihr Kind nach der Schule ” ...na, was hast du heute gelernt? Die jüdische Mamme fragt “... und welche Fragen hast du heute gestellt? Noch ein schönes jüdisches Sprichwort: Wer nicht an Wunder glaubt, der ist kein Realist. Mazel tov!

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