Gastautor / 03.10.2019 / 06:24 / Foto: Pixabay / 41 / Seite ausdrucken

Als ich Leninistin war

Von Liana Schütz.

Ernst Busch dröhnt auf voller Lautstärke durch die Wände meines Zimmers, im Regal stehen die Pflichtlektüren meines 14-jährigen Ichs: „das Kapital“, das „Kommunistische Manifest“ und die neuesten Bücher Wagenknechts und Gysis, an der Wand eine Ansammlung von Karl-Marx-Zeitungsausschnitten. Eben das volle Gerechtigkeitsprogramm. Und das ist erst drei Jahre her.

Damals begann sich mein politisches Interesse zu entwickeln, und ich tastete mich langsam an alles heran. Jedoch informierte ich mich nicht sehr objektiv, ich landete auf YouTube sofort in der linken Filterblase. Da ich Russlanddeutsche bin, war mein Wertegerüst klar: Die USA sind der Inbegriff des bösen Imperialismus und die deutschen Massenmedien lügen mit ihren Behauptungen über Putin. Ich war eine so überzeugte Ideologin, dass mein Profilbild für kurze Zeit eine brennende US-Flagge zierte. Mir kam gar nicht erst der Gedanke, die Welt sei nicht bloß schwarz-weiß. Das resultierte vermutlich aus den Lehren des Marxismus, die ich verinnerlicht hatte. Es gibt nur einen Feind: den Klassenfeind!

Und so dauerte es nicht lange, da entstand in mir ein Interesse an der Linkspartei; denn sie war damals die einzige im Deutschen Bundestag vertretene Partei, die sich für bessere Beziehungen mit Russland einsetzte und Putin nicht als das pure Böse darstellte. Ich beschäftigte mich mit ihrem Parteiprogramm und fand alles sehr einleuchtend. Soziale Gleichheit, Mindestlohn, niedrige Mieten – ist doch nur gerecht. Die Befristung von Arbeitsplätzen ist inhuman. Demokratischer Sozialismus ist das, was wir in Deutschland brauchen, um zu verhindern, dass unbescholtene Bürger ausgenutzt werden von großen Firmen, und der Kapitalismus ist sowieso das größte Übel, was die Menschheit hervorbringen konnte. Phrasen, die ich mir zum Programm gemacht hatte.

Mir war einfach nicht bewusst, wieso es so läuft, wie es läuft, und ich hatte kein Verständnis dafür, wenn mir jemand sagte: „Im Sozialismus ging es den Arbeitern doch viel schlechter!“ Denn darauf hatte ich wie jeder gute moderne totalitäre marxistische Jünger eine Antwort parat: „Das war auch kein richtiger Kommunismus!“ oder eben: „Ja, aber ich fordere demokratischen Sozialismus“ und dann war die Sache für mich auch geklärt. Für Außenstehende hört sich das alles sicher gerade vollkommen unverständlich an. Wie kann man so verblendet durch die Welt laufen? Aber es ist ganz leicht: Egal, was einem an Kritik oder an Nachrichten entgegenkommt, die einem nicht in den Kram passen, man hat immer die passende Phrase auf Lager. Man schafft es immer, alles zugunsten der Ideologie zu drehen, und das ist das Gefährliche, denn dann verhärtet sich der Glaube noch mehr. Ganz nach dem Sprichwort: „Wenn du Feinde hast, weißt du, dass du für etwas eingetreten bist“.

Der revolutionäre Mainstream

Diese Denkweisen wurden in der Schule nur bestätigt, man fühlte sich wie der große Revoluzzer und bekam Anerkennung dafür, dass man Bescheid wusste und dafür, dass man für die Gerechtigkeit eintrat, sowieso. Und das will ich auch gar nicht abstreiten, ich wusste wirklich Bescheid, zumindest was mein Gebiet betraf. Ich beschäftigte mich sehr viel mit linker Literatur. Das erlebe ich auch heute noch bei vielen Marxisten, mit denen ich diskutiere. Die meisten sind wirklich belesene Leute, nur begrenzt sich ihre Literatur auf Marx, Engels, Lenin und andere Genossen.

Ich trat gegen den Mainstream an. Gegen die bösen Kapitalisten und merkte dabei gar nicht, dass ich eigentlich absolut im Mainstream war. Ich konnte mich kämpferisch fühlen, und dabei wurde ich ständig in meinem totalitären Denken bestätigt. Von den Mainstreammedien natürlich am intensivsten, aber auch viel aus der Politik durch Parteien wie die Linke und die SPD, sowie die Grünen. Ist das nicht genial?

Ich verschwand oft in (N-)Ostalgie, vor allem, weil ich sowjetische Filme bei meinen Großeltern zu sehen bekam. Dieser russische Stolz auf die sowjetischen Soldaten machte auch mich stolz. Ich blühte in dieser Ideologie richtig auf, und sie wurde genährt durch mein Unwissen und meine Naivität. Dabei vergaß ich, wie sehr auch meine Vorfahren unter den Sozialisten gelitten haben. Ich verdrängte, wie meine Großeltern Jahrzehnte für einen Staat schufteten und nichts als Hass zurückbekamen. Aber das war ja kein echter Sozialismus und erst recht kein demokratischer ...

Meine Uroma rüttelte mich auf

Doch eine Geschichte traf einen Nerv bei mir. Meine Uroma erzählte mir unter Tränen, wie sie von den Sozialisten aus ihrer Heimat gerissen und in die Steppe geschickt wurde, um dort zu verhungern, weil Sie deutsch war. Obwohl das Verhungern, nebenbei bemerkt, im sozialistischen System eigentlich auch im Kern Russlands gut möglich gewesen wäre. Ihr und vielen anderen einfachen Arbeitern und Bauern wurde unterstellt, deutsche Spione zu sein. So wurden sie von einem auf den anderen Tag in Züge gesteckt, ihnen wurden die Wertgegenstände genommen, und schließlich landeten sie in Kasachstan, Kirgistan oder auch Sibirien. Dort fanden sie nichts als Steppe und Wüste vor.

Stalin hatte im Sinn, diese Menschen, die nun wirklich keine Spione waren, verhungern zu lassen. Doch meine Uroma erzählte mir, dass sie alles aßen, was sie finden konnten. Von Schildkröten bis zu allen Arten dort vorhandener Pflanzen. Und so bauten sie sich langsam durch harte Arbeit auch dort eine kleine Heimat auf. Doch auch dann konnten sie trotz ihrer Leistungen nicht ihr Leben genießen, denn im Kommunismus gilt es, für die Gemeinschaft zu arbeiten. Ferien waren ein Fremdwort auch für meine Großeltern. In der Zeit, wo es keine Schule gab, wurde Baumwolle gepflückt, eine wichtige Ressource der UdSSR. Und selbst meine Mutter, die Jahrgang 1978 ist, lebte dort noch wie Anfang des 20. Jahrhunderts, inklusive Plumpsklo. Und nicht nur das, die Leute mussten damals neben ihrer Arbeit zu Hause auch noch einen eigenen Bauernhof betreiben, da es in den Läden nichts zu kaufen gab. So hieß es nach einem Arbeitstag also noch Kühe melken, Stall ausmisten und Schafe füttern. Zur selben Zeit hatten die Menschen im Westen schon erste Mobiltelefone.

Das soll also die Befreiung der Arbeiter sein? Das waren Lohngerechtigkeit und die Freiheit der Bauern? Die Zweifel verschwanden nicht, sie wurden nur noch größer. Ich wurde älter und beschäftigte mich mehr mit ökonomischer Literatur. Durch politischen Diskurs lernte ich auch liberale Altersgenossen kennen. Einer davon brachte mich dann von meinem absurden Irrglauben ab, indem er mir anriet, Ludwig Erhard zu lesen: „Wohlstand für alle“.

Einsicht und Scham

Und so kam der Stein ins Rollen, ich kam immer mehr aus meiner kleinen sozialistischen Filterblase raus. Ich las Friedrich A. von Hayeks „Der Weg zur Knechtschaft“, und dieser zeigte mir so klar auf, dass mein Wunsch nach Gerechtigkeit in der Welt nicht durch Sozialismus, sondern gerade durch das Gegenteil realisiert werden kann.

Heute schäme ich mich dafür, für den Sozialismus eingetreten zu sein, denn er brachte nur Massenmord, Unterdrückung, Armut und Kulturzerstörung. Er nimmt den Menschen das Wichtigste, was sie besitzen: die eigene Freiheit.

Ich muss hier allerdings sagen, dass mir sogenannte „Social Justice Warriors“, Dritte-Welle-Feministinnen und der Hass auf die eigene Nation immer sehr fremd waren. Das war vielleicht auch ein Faktor, der mich dazu brachte, der Linken den Rücken zu kehren. Nun habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, auch andere von dieser Denkweise abzubringen. Und jetzt merke ich auch, was es heißt, nicht im Mainstream zu sein und wirklichen Gegenwind abzubekommen. Und vielleicht dient dieser Artikel dem ein oder anderen Sozialisten als Denkanstoß, um über die eigenen Positionen nachzudenken und diese zu ändern – das würde ich mir wünschen. Denn ich denke, diese Geschichte hier ist kein seltenes Phänomen, sondern ich sehe, vor allem aktuell an der „Fridays for Future“-Bewegung, wie viele noch nicht politisierte Jugendliche in einer linken Filterblase landen, in der ich mich auch lange aufhielt. Im Endeffekt denke ich, die meisten Linken sind einfach Menschen, die es gut meinen, aber blauäugig einen völlig falschen Ansatz wählen.

Liana Schütz, 17 Jahre, ist Schülerin aus Bitburg.

Dieser Artikel ist im Rahmen des Projekts  „Achgut U25: Heute schreibt hier die Jugend in Zusammenarbeit mit der Friedrich A. von Hayek Gesellschaft und dem Schülerblog „Apollo-News“ entstanden. 

Foto: Pixabay

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Leserpost

netiquette:

Rolf Menzen / 03.10.2019

@Thoms Schmidt: Irgendwie haben Sie da zeitlich etwas durcheinander gebracht. Schließlich hat die amerikanische Revolution über ein Jahrzehnt vor der französischen stattgefunden und hatte andere Ziele.

Thomas Taterka / 03.10.2019

Nun, Sie segeln jetzt auf der ARCHE des Guten. Ihre Seele ist vorerst! gerettet. - Ahoi !

Anders Dairie / 03.10.2019

Wer sich,  noch in Illusionen befindlich , vom Kommunismus beeindrucken lassen möchte:  Stephan CHAPUISAT u.A.  “Das Schwarzbuch des Kommunismus”. Wer danach den Schuß des 1. SPD-Vorsitzenden nach dem Kriege , Kurt SCHUMACHER, nicht gehört hat, dass Kommunismus rot lackierter Faschismus ist, dem ist nicht zu helfen.  Dieses System ist nicht nur ökonomisch ineffizient und macht Armut,  es erschafft auch ein Verbrechertum, das historisch einmalig ist.

Martin Landvoigt / 03.10.2019

Beinahe könnten einem Tränen in die Augen schießen vor Freude, dass es auch noch denkende Jugendliche gibt, die nicht nur wie Lemminge jedem Unsinn hinterher laufen. Die Erkenntnis, dass Menschen Motive zum Handeln brauchen,  dass es auch Konsequenzen aus Handlungen gibt, und dass diese Konsequenzen oft den Motiven völlig entgegen gesetzt sind, ist heute leider Mangelware. Selber Denken ist zum Luxus geworden. Ich wünsche Ihnen, Liana Schütz, viel Erfolg mit Ihrem Appell.

Dr. Freund / 03.10.2019

@Thomas Rießinger : “Wer mit 16 nicht links ist, hat kein Herz, wer mit 25 immer noch links ist, hat kein Hirn”,der Spruch ist alt, aber nie wurde er mehr bewiesen als mit FFF und der 16 jährigen Asperger-Gretl. Wenn die heute 16 Jährigen ihren 25. in der Realität der anhaltenden Rezession unter massiven Einschränkungen ihrer Lebesnqualität feiern,werden sich viele an die Birne klopfen, aber dann ist es zu spät. Kaputtmachen ist leicht, und geht schnell.Viel Spass beim Wiederaufbau, ich werde nicht mitmachen.

Wilfried Cremer / 03.10.2019

Die Politische Korrektheit ist der neue Kommunismus. Ihr Ursprung ist die angloamerikanische Kultur, bzw. deren Sektenwesen. Dieses wiederum basiert auf einem Ehebruch. Diesen zu rechtfertigen, indem man anderswo den Hypermoralisten gibt, ist auch schon alles an der Sache.

H.Milde / 03.10.2019

Sehr geehrte Frau Schütz, statt Greta vor der sog, UN, hätten sie eine, diese Rede halten sollen. Weiter so, Lassen sie die anderen retardierten, entwicklungsunfähigen pubertierenden FFF-Gretisten und deren politischen linksfrüne Nutznießer sich um den Verstand hopsen.

J. Polczer / 03.10.2019

Sehr geehrte Liana Schütz, ihr Beitrag war sehr interessant. Zum einen ist es wunderbar, dass sie Bücher zur Hand genommen haben und sich intensiv mit dem Kommunismus beschäftigt haben. Viel zu häufig werden gedankenlos irgendwelche Konzepte und Ideen übernommen ohne, dass sich sich das jeweilige Klientel mit der Substanz beschäftigt hätte.  Es ist keine Schande, dass Sie die Ideen wunderbar gefunden haben, denn theoretisch hört es sich doch sehr gut an. Ich bin schon einigen jungen Menschen begegnet, die den Kommunismus als ideale Lebenswirklichkeit beschrieben haben - oder gar die Anarchie, also die Abwesenheit jeglicher staatlicher Kontrolle. Diese armen Wesen sind dabei, wie Sie es ebenfalls ausgeführt haben, so fixiert auf ihre Ideen, das rationale Argumente im Grunde genommen an ihnen abprallen und manchmal werden diese jungen Menschen auch sehr agressiv, wie Schlafende, die es nicht schätzen vor ihrer Zeit geweckt zu werden. Ihr Weckruf kam in der Gestalt ihrer Urgroßmutter. Ich glaube, dass die Menschen am ehesten durch den Einfluss eines ihrer Angehörigen erreicht werden können.  Die Ideologie hat den Fehler, dass sie sich meistens nicht nach den lebenden Menschen richtet, sondern dass diese Menschen sich nach der Ideologie richten sollen, selbst wenn die direkte Befolgung in den Untergang führen sollte. Es macht allerdings auch Sinn: Ideologien sind Gedankenkonstrukte von Toten, aus früheren Zeiten stammend. Der Mensch an sich mag sich nicht so stark ändern, aber seine Lebensumstände und auch Gesellschaften verändern sich zumindestens was ihre Erkenntnisse anbelangt. Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Zukunft!

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