Felix Perrefort / 24.04.2021 / 17:00 / Foto: achgut.com / 45 / Seite ausdrucken

#allesdichtmachen: Bleibet Antifaschisten!

Allein die Vorstellung, dass ohne Einschränkungen alles genauso wie immer sein könnte, überfordert die Einbildungskraft aerosolfürchtiger Kleingeister, sodass sie schneller zu den Moralkeulen greifen als sie sonst in die Armbeuge niesen. Die Reaktionen auf #allesdichtmachen zeigen, wie eingeschliffen die Denkmuster bereits sind: Wer wie die Schauspieler die Beschränkungen bezweifelt, der sei zynisch gegenüber den Corona-Toten, solle doch einen Blick auf die Intensivstationen werfen, sei heimlicher Querdenker, ein rechter Sozialdarwinist, Lügenpresse-Rufer... Diese Argumentation ist intellektuell so anregend wie der tägliche Gong der Tagesschau.

Die Maßnahmengläubigkeit ist eine in sich geschlossene Ideologie, in welche die menschenfreundliche Außenwelt – etwa geöffnete Stadien in Texas und Mississippi – nicht vordringt. In manchen US-Bundesstaaten sind alle Maßnahmen längst aufgehoben, ohne dass die Intensivstationen überliefen, während in anderen signifikant gelockert wird. Das zeigt: Die Regierungstreue vieler Deutscher geht so weit, die Freiheit selbst dann nicht einzufordern, wenn sie einem nur einen Ozean weit entfernt vorgelebt wird. Rein psychologisch ist diese Abwehr verständlich: Sollte sich am Ende die Selbstbeschränkung als überflüssig erweisen, würde für sie eine Welt zusammenbrechen. Je mehr Risse diese bekommt, desto stärker muss jeder Gedanke an umsonst erbrachte Opfer bekämpft werden. 

Nun wird das kindische Vertrauen in Grundrechtseingriffe wegen eines längst endemischen Erregers auch im Wohnzimmer der Tatort-Freunde herausgefordert, etwa indem Monika Anna Wojtyllo durch die Maske lacht. Da kann man sich noch so sehr hinter einem angeblichen wissenschaftlichen Konsens verschanzen; subversive Kunst entlarvt diese Pose als Rechtfertigung eines Mitläufertums, dem grundsätzliches Hinterfragen nicht in die Tüte kommt. Die staatsnahen Moralapostel haben ihre Seite längst gewählt, doch wird es ihnen umso schwerer fallen, die Zweifelnden und Unentschlossenen noch an sich zu binden, je sympathischer und denkfreudiger die Gegenseite auftritt. Bleiben Sie gesund und unterstützen Sie die Maßnahmen der Bundesregierung. Ein angedeutetes Lächeln kann manchmal mehr als tausend Worte. 

Noch mag man die Tatsache, einem mit dem Grundgesetz in keiner Weise vereinbaren Autoritarismus die Stange zu halten, leicht verdrängen können, indem man sich einredet, per Verzicht auf das Leben dieses zu schützen, oder man schnappatmend auf Brasilien zeigt, während weiterhin kaum wer einen kennt, der überhaupt schwere Symptome hatte. Doch auf Dauer lässt sich nicht von der Hand weisen, was offen zu diskutieren frühzeitig mit dem Tabu der „Verharmlosung“ belegt wurde. An Grippewellen waren Corona-Viren schon immer beteiligt – Wolfgang Wodarg erklärt das sehr anschaulich –, und das durchschnittliche Alter, an oder mit diesem Erreger zu sterben, liegt über der durchschnittlichen Lebenserwartung (siehe etwa RKI S. 8.)

Gesundheit über alles, über alles in der Welt?

Was folgt daraus? Manche brauchen für den folgenden schmutzigen (gar querdenkerischen?) Gedanken wohl eine Triggerwarnung, um in psychohygienischer Hinsicht nicht traumatisiert zu werden: Solche Menschen sterben schlichtweg gar keinen besonderen, sondern einen altersbedingten Tod, den sie in den letzten Jahren genauso gestorben wären; den keine noch so strenge Maßnahme wird abschaffen können. Aber Spanien, New York, Bergamo! Nun, wo mancherorts ungewöhnlich viele Menschen dahingeschieden sind, muss dies nicht nur auf Corona zurückzuführen sein. In einer komplexen Situation können etwa Panik und falsche Behandlungsweisen eine bedeutsame Rolle spielen. Wer darauf nur geifernd antworten kann, dem fehlt es offensichtlich an Sachargumenten, Freiheitsliebe und der Lust, über die herrschende Moral hinaus zu denken.

Und wie rigide ist es bitteschön, noch über das Picknick im Park zu denken wie über eine sexuelle Ausschweifung? Wie albern eigentlich, einen von sehr vielen Erregern als Bedrohung der Nation zu halluzinieren? Wie verrückt, gegen deren innere „Feinde“ vorzugehen und zusammenzurücken, als hätte man seine politische Bildung bei Faschisten erworben? Gesundheit, Gesundheit über alles, über alles in der Welt?

Wer darüber staunt, dass man in den späten Achtzigern zuweilen Angst davor hatte, auf der Klobrille an Aids zu erkranken, sollte bedenken, dass es abends in deutschen U-Bahnen ausschaut, als hätten lauter Chirurgen und Zahnärzte vergessen, sich nach Feierabend ihrer Arbeitskleidung zu entledigen. It's a mad world. And I find it kind of funny, I find it kind of sad. 

Dass die offiziellen Zahlen allein auf den Ergebnissen von Tests beruhen, die für sich nichts bezeugen (keine Sterbeursache, keine Infektiosität, keine Erkrankung), dringt immer mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, und dennoch werden sie immer noch zur moralischen Erpressung genutzt. Während Maßnahmengläubige ihren Kritikern vorwerfen, an der Schädigung der Gesundheit anderer beteiligt zu sein, reden sie selbst einer staatlichen Übergriffigkeit das Wort, die schon jetzt eine durchaus historische Dimension hat. Man sollte sich also zweimal überlegen, ob man ernsthaft noch im Team der Viren-Dramatiker mitspielen will. Der Lockdown-Fanatismus im Böhmermann-Bunker ist doch ohnehin so sexy wie Tennissocken in Birkenstocksandalen.  

Die erfrischend ketzerischen Schauspieler haben jedenfalls einen Weg gewählt, den kein Essay, kein Artikel und kein Experten-Interview beschreiten kann. Sie wirken mit ihrer für sich stehenden und nicht erklärungsbedürftigen Performance von vornherein souveräner als alles, was an gereiztem und belehrendem Moralismus nun gegen sie aufgefahren wird. Mit den Mitteln der Kunst öffnen sie einen Diskussionsraum, der von den immer gleichen Argumenten gelockdownt wurde. Sie dürften gewusst haben, auf was sie sich einließen, und fallen hoffentlich nicht hinter sich selbst zurück. Sondern bleiben Antifaschisten.

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Wilhelm Lohmar / 24.04.2021

Es wird wohl auf einen kompletten Gesichtsverlust des politisch-publizistischen Komplexes hinauslaufen, und je länger mit dem Abbruch der Maßnahmen gewartet wird, desto härter wird die Bruchlandung in der realen Realität werden. Die virtuelle Realität meine ich natürlich nicht.

Mats Skinner / 24.04.2021

Das Jonglieren mit den Grundtugenden wie Neid wurde gestern in der unsäglichen RBB-Sendung „Abendshow“ mit dem Comedian Ingmar Stadelmann deutlich. Für jeden Pseudo-Intellektuellen und den restlichen geneigten Zuschauern wurde mit dem billigen Framing, aus allen Filmchen der Schauspieler die Silbe „ICH“ herauszuschneiden und aneinander zu reihern, der Hass und Neid auf die teilweise gut versorgten Miemen geschürt.Ist es den Schitstorm-Entfleuchern nicht eine Überlegung wert, dass nicht nur am Boden liegende sich bemerkbar machen, sondern im Gegenteil auch gutsituierte, die ja friedlich hinterm Ofen verharren könnten? Wo bleibt da der gerühmte und berüchtigte Hassrede-Widerspruch und die Gesetzlichkeit? Perfider geht es ja wohl nicht, das sind faschistoide Methoden und um keinen Deut besser als ihre großen Vorbilder. Soll ihnen doch ihre Widerlichkeit im Halse stecken bleiben und sie von allen Leuten wegen Verdacht auf andere epe- und pandemischen Horrorgefahr auf ewig ausgegrenzt werden.Für mich sind die 50 glaubwürdiger in ihrer Ironie als die bestellten und bezahlten Maul-Helden der ÖR in ihrer selbstgefälligen Lynchlust. Die fehlenden Zuschauer im Studio ersetzen bezahlte Klatschhasen, also die eigenen Kollegen.Was für ein Kunststück, das Volk so zu programmieren, dass es seine Hysterie als normal annimmt und sich gegenseitig denunziert als Ideal unserer Zeit. Ganz unrecht hatte das Mädchen aus Kassel doch wohl nicht mit ihrem Gefühl, eigentlich wie Sophie Scholl gegen die aufkommende Naziherrschaft aufzutreten. Denn inzwischen „heiligt“ ja wieder mal der (Propaganda-)Zweck die Mittel.

Michael Wagner / 24.04.2021

Wie meist von Ihnen: Sehr amüsant zu lesen und pointiert. “Bleiben Sie gesund und unterstützen Sie weiterhin die Maßnahmen der Bundesregierung.”

Alex Schindler / 24.04.2021

Es ist exakt wie im 1. Weltkrieg, es musste im weiter gehen, damit die bislang erbrachten Opfer nicht vergeblich sind. Absurd.

Wolf-Dieter Schmidt / 24.04.2021

Es ist ja faszinierend wie die Meute derjenigen mit Ärmelschoner und sicherem Job über eine Gruppe herfällt, in der so einige im letzten Jahr mit 4stelligem Einkommen auskommen mussten. Klar, wenn man 4- oder 5-stellig im Monat bekommt, außerdem nicht zu kündigen ist, da kann man locker tolle Töne spucken. Aber wenn man sich, wie Schauspieler, von Engagement zu Engagement durchkämpfen muss und dann ist plötzlich große Pause, da lebt es sich nicht so einfach. Aber Hauptsache diese kritisierenden Kleingeister bezeichnen sich als links und alle anderen sind rechts.

Dieter Kief / 24.04.2021

Oh, achtung:  Kunst kann wisssenschaftliche Positionen nicht treffen. - Die sind richtig oder falsch oder unklar. Kunst spielt mit den Haltungen, die Menschen zu diesen Positionen einnehmen, das ja. Aber die Positionen selber bleiben davon unberührt. Vermischt man diese Ebenen, wird man von Dr. Peterson postmoderner Unvernunft geziehen. Solcher Tadel würde von Lesern der Werke des lieben Doktors, wo immer die auch ssein mögen (es gibt ja welche, die ihn hier auf der Achse lesen)  kein bisschen beklagt werden.

Ilona Grimm / 24.04.2021

Von den ehemals 50 Mitwirkenden sind heute per 18.50 Uhr nur noch 35 übrig geblieben. Cem Ali Gültekim war mein absoluter Favorit! Den schätze ich auch so ein, dass er standhält.

H. Nietzsche / 24.04.2021

Messen, zählen, testen - dieser Wahnsinn mit dem Ziel, absolute Sicherheit, die Null, zu erreichen - das haben wir doch schon länger. Ein Produkt des Digitalisierungswahns.  War es früher kurz vor zehn, so ist es heute 09:58:44. 40 Mikrogramm Feinstaub heute, der Kampf um die Null geht weiter. Die Meßgeräte werden immer genauer, schon kann man im Ozean Feinpartikel aus Kunststoff messen. Die Luft, das Wasser, die Umwelt waren noch nie so sauber wie heute - die Meßknechte dagegen werden immer hysterischer. Und nun die Inzidenz einer Krankheit, an der ich mit einer Wahrscheinlichkeit schwer erkranke, die unter der liegt, im Auto einen Unfall zu erleiden. Die Angst davor ist schon so weit geschürt, daß alle Vorsicht vergessen ist und man voller Glück seinen Impftermin erkämpft hat. Einer Impfung mit dem Wert der Grippeschutzimpfung vom vergangenen Jahr, epidemisch bedenklich, medizinisch unsicher. Vor allem für die, die noch Nachwuchs zeugen wollen. Wenn man dann noch sieht, wie sich die Leute “ihren” wöchentlichen Schnelltest “abholen” und voller Freude festgestellt bekommen, daß sie das sind, was ihnen ihr Verstand sagen müßte, nämlich, daß sie gesund sind,.....dann müßte doch angesichts dieser Volks-Erniedrigung in Berlin das Kotzen einsetzen und man sich fragen: Was haben wir bloß getan? Das wird nicht passieren, aber es ist bloß verschoben.

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