Geld ist ein universelles Tauschmittel, mit dessen Hilfe Werte den Eigentümer wechseln können. Dies ist die einzige Funktion von Geld. Daraus ergeben sich noch seine Unterfunktionen als Recheneinheit zum Angeben von Preisen und als Wertaufbewahrungsmittel (Tausch in der Zukunft). Geld entstand als Primitivgeld (Muscheln, Reis) schon tausende Jahre v. Chr. Daraus entwickelte sich ab dem 3. Jahrtausend v. Chr. mit der Urbanisation Metallgeld. Der Wert von Metallgeld ist zwar, wie bei allen Geldarten, nur eine soziale Konvention, aber eine sehr starke – wahrscheinlich eine der stärksten nicht unmittelbar biologisch verwurzelten Konventionen (zu diesen gehört etwa das Inzestverbot).
Ab dem 15. Jahrhundert trat in Europa das Papiergeld auf. Lange Zeit war Papiergeld an Realgüter wie Gold gekoppelt und konnte von seinem Eigentümer auf Wunsch jederzeit in solche zurückgetauscht werden. Erst im 20. Jahrhundert wurde die Bindung von Papiergeld an Realwerte aufgegeben, weil die Bindung mit dem heutigen Teilreservesystem inkompatibel ist, wie wir später sehen werden. Wegen seiner zentralen ökonomischen Funktion ist die Produktion von Geld extrem wichtig. Bis in das 19. Jahrhundert hinein wurde Geld nicht notwendigerweise vom Staat produziert, sondern auch von privaten Geldproduzenten in Verkehr gebracht. Die durchgehende staatliche Monopolisierung der Geldproduktion erfolgte erst im 19. Jahrhundert. Ein staatliches Geldmonopol ist jedoch keineswegs notwendig. Seit einigen Jahren sehen wir beispielsweise die Entstehung eines neuen Typs privat produzierten Geldes, die sogenannten Kryptowährungen.
Unser Geld wird von der staatlichen Zentralbank zusammen mit den Geschäftsbanken, die zum Teil ebenfalls staatlich sind, in einem Public-Private-Partnership (Volkswirt Thomas Maier) produziert. Laut der klassischen Lehrbuchdarstellung geschieht dies, indem Banken aus den Bareinlagen (sogenanntes Außengeld), die sie erhalten, Darlehen generieren. Dies tun sie durch Gelderzeugung aus dem Nichts. Dabei wird das neu geschaffene Geld (sogenanntes Innengeld) den Girokonten der Debitoren gutgeschrieben, man sagt giriert.
Dabei müssen beispielsweise die Banken im Euroraum nur die derzeitige relative EZB-Mindestreserve von 1 Prozent der ursprünglichen Einlage halten und können durch die Girierung von Krediten bis zum hundertfachen der ursprünglich eingelegten Bargeldmenge produzieren. Auf diese Weise entstehen neu geschaffene Einlagen auf der Passivseite ihrer Bilanzen – auf der Aktivseite (vereinfacht: Geldverwendung in der Bilanz) stehen dann die Darlehen an die Debitoren. Für Banken ist diese Geldschöpfung aus dem Nichts attraktiv, weil sie beim derzeitigen Reservesatz eben bis zu einhundertmal mehr Geldvolumen verleihen und verzinsen können als die ursprüngliche Bareinlage. Doch wie funktioniert diese Geldschöpfung in der Realität?
Seit Nixon 1971 haben wir ein reines Fiktivgeld
In der Praxis gehen Banken nicht von Bareinlagen aus, sondern sie girieren ihren Debitoren auf deren Wunsch Kredite und holen sich in Abhängigkeit von der Menge der Kredite das dafür benötigte Außengeld bei der Zentralbank ab. Dadurch erhöhen sie die Geldmenge (Details findet man beispielsweise bei Thomas Maier Kapitel 2 und 3). Sie erhöhen ihre Reserve bei der EZB entsprechend um den relativen Mindesreservesatz. Beispielsweise muss eine Bank, die einen Kredit von 10.000 EUR vergibt, ihre Zentralbank-Reserven auf der Aktivseite um 100 EUR erhöhen, dies geschieht durch einen Zentralbankkredit auf der Passivseite. Dadurch weitet sich die Bilanz der Zentralbank, wo der Kredit auf der Aktivseite erscheint, um diesen Betrag aus. Wollen die Bareinleger der Banken nun mehr Geld abheben, als die Banken vorhalten, können sich die Banken bei der Zentralbank das benötigte Bargeld leihen. Auch dadurch erhöht sich die Bilanz der Zentralbank, die Bilanz der Bank bleibt gleich hoch, allerdings tauscht sie auf der Passivseite Einlagen gegen Zentralbankkredit.
Da die Banken sich bei der Zentralbank in beliebiger Höhe Außengeld – auch in Form von Bargeld – holen können, kann es in diesem System nie zu einer Bankschließung kommen – außer, wenn die Geldtransporter mit der Anlieferung nicht nachkommen. Das war beispielsweise beim Bankrun auf die Northern Rock Bank 2007 der Fall, die Bank musste die Schalter schließen, weil ihr das Bargeld ausging.
Warum kann beliebig viel Außengeld bereitgestellt werden? Seit Nixon 1971 die Bindung des Zentralbankgeldes an die Goldmenge aufgehoben hat, haben wir ein reines Fiktivgeld. Daher kann die Zentralbank jede Kreditschöpfung und Bargeldauszahlung der Banken erfüllen. Somit ist das Ausmaß der Kreditschöpfung durch Banken theoretisch unbegrenzt. In der Praxis wird es durch drei Faktoren begrenzt: Erstens legt die Zentralbank durch den Zinssatz fest, wie sehr die Banken und ihre Kreditnehmer an der Schöpfung von Geld interessiert sind. Durch niedrige Zinsen stimuliert sie die Kreditvergabe, durch hohe Zinsen reduziert sie sie. Wie wir weiter unten sehen, legt die Zentralbank die Zinsen im Vergleich zum natürlichen Zins fast immer zu niedrig fest. Zweitens durch die Eigenkapitalquote von (derzeit) 8 Prozent, die die Banken halten müssen. Drittens fordert die Zentralbank von den Banken eine Mindestqualität der vergebenen Kredite (Rückzahlungsfähigkeit der Schuldner), die allerdings kaum einen wirksamen Schutz gegen übertriebene Kreditvergabe darstellt, da die Qualität in der Praxis schlecht ermittel- und durchsetzbar ist.
Wenn die Steuerung der Geldmenge durch die Zentralbank nicht mehr funktioniert, beispielsweise wenn die Kreditvergabe trotz eines niedrigen Zinsniveaus nicht im erwünschten Maße abläuft oder bei hohen Zinsen immer noch zu viele Kredite vergeben werden, kann die Zentralbank die Kreditvergabe selbst erhöhen oder auch Geld vernichten. Dies tun die großen Zentralbanken seit 2008 alle, die Bank of Japan (BoJ) und die FED auch schon vorher mit Hilfe des sogenannten “Quantitative Easing”, indem sie Staats- und Unternehmensanleihen mit aus dem Nichts geschaffenen Zentralbankgeld kaufen – entweder direkt oder über das Bankensystem. Durch Verkauf solcher Anleihen kann sie das Geld auch wieder einziehen und vernichten.
Insgesamt ist die Geldproduktion im Teilreservesystem mit ungedecktem Geld (Passivgeld) unbegrenzt. Davon profitieren der Staat und die Akteure der Finanzwirtschaft auf Kosten der Akteure der Realwirtschaft. Wie funktioniert das?
Schleichender Übergang zum Finanzsozialismus
Staaten monopolisieren die Geldproduktion und die Verzinsung, weil Geld ein gesellschaftliches Steuerungsinstrument ist. Mit Hilfe der Geldproduktion und des Zinssatzes kann der Staat sich bequem verschulden. Entweder tut er dies über die Geschäftsbanken durch Verkauf von Staatsanleihen, die diese weiter an ihre Kunden verkaufen. Wenn sich keine Kunden mehr für Staatsanleihen finden, weil die Bonität des Staates zu schlecht ist, kann der Staat die Zentralbank nutzen, um dieser direkt Anleihen zu verkaufen (monetäre Staatsfinanzierung). Außerdem kann der Staat für seine Schuld niedrige Zinsen erzwingen, wie dies seit 2008 die wichtigsten Zentralbanken EZB, BoJ und FED durchführen.
Durch diese Art der Passivgeldproduktion steigt die Geldmenge ständig. Diesen Vorgang bezeichnet man als Inflation. Sie hat sich global zum Dauerzustand entwickelt. Inflation ist für die Konsumenten immer schädlich, selbst wenn die Gütermenge genauso schnell wächst wie die Geldmenge und die Preise also stabil bleiben (Details siehe bei den Ökonomen Polleit und von Prollius). Denn wenn die Geldmenge konstant wäre, würden die Preise bei einer Ausweitung der Gütermenge sinken. Durch die Steigerung der Geldmenge wird den Käufern der Güter der Genuss der sinkenden Preise jedoch verwehrt, während die Verkäufer mindestens zu unveränderten Preisen verkaufen können, bei stärkerer Inflation sogar zu steigenden. Die Geldmengenausweitung wirkt sich also auf unterschiedliche Marktteilnehmer verschieden aus (Cantillon-Effekt), Konsumenten leiden darunter stärker als Händler. Daher widerspricht Inflation dem Gleichheits- und Eigentumsprinzip, sie verteilt ständig Geld von den Letztempfängern der Geldproduktion auf diejenigen um, die es vor ihnen bekommen.
Steigt die Geldproduktion schneller als die Gütermenge, wird die Kaufkraft des Geldes entwertet, für die gleiche nominale Geldmenge bekommt man weniger Güter. Die Rate, mit der dies geschieht, wird als Inflationsrate bezeichnet. Ist diese höher als der nominale Zinssatz für ein normales Sparbuch, spricht man von negativen Realzinsen. In dieser Situation, in der wir uns schon seit längerem befinden, erhebt der Saat eine heimliche Steuer und enteignet die Bürger, weil der Bürger mit der Negativverzinsung implizit die Entwertung (Verkleinerung bei nominal gleichbleibender Schuld) der realen Staatsschuld bezahlt.
Jede Realverzinsung, die niedriger ist als der natürliche Zins, ist problematisch, weil sie es dem Staat erlaubt, sich auf Kosten zukünftiger Bürgerverpflichtungen stärker zu verschulden als beim natürlichen Zinsniveau. Damit kauft sich der Staat heute durch Ausgaben politische Legitimität auf Kosten der zukünftigen Entwicklung. Da die Staatsverschuldung in der Regel schneller wächst als die Produktivität, muss der Bürger später für den Überkonsum zahlen. Dies gilt nicht nur für Massendemokratien, sondern auch für totalitäre Staatsformen wie China, die ebenfalls Herrschaft legitimieren müssen. Auf diese Weise wächst mit der Staatsverschuldung auch die Aktivität des Staates, die Anzahl seiner Mitarbeiter und das Ausmaß der Eingriffe des Staates in gesellschaftliche Prozesse. Viele von ihnen sind in der industriellen Massengesellschaft unabdingbar, doch kann sich der Staat durch die Verschuldung einen viel größeren Aktionsradius verschaffen, als es notwendig und sinnvoll ist. Es bildet sich ein schleichender Übergang zum Finanzsozialismus, wie wir noch sehen werden.
Den letzten trifft die volle Entwertung
Unabhängig von der Inflation führt die Geldschöpfung zu einem Gewinn für den Emittenten, der Seigniorage. Diese entsteht dadurch, dass Bürger zinslos Bargeld halten, anstatt Zinsen, die ihnen für Ersparnisse zustehen, zu verlangen. Sie entsteht auch dadurch, dass der Emittent von Geld dafür den vollen Gegenwert erhält, während der Endempfänger nur noch den inflationierten Gegenwert bekommt. Die fiskalische Seigniorage ist die Differenz aus beiden Werten. Von der Seigniorage profitiert nicht nur die Zentralbank, sondern in langsam abnehmenden Maße auch die Geschäftsbanken und die weitere Kette der Empfänger des neu produzierten Geldes bis zum letzten Empfänger, dem Lohnangestellten, den die volle Entwertung durch die Inflation trifft.
Nun könnte man argumentieren, dass der Nutzen des Staates aus dem Geldmonopol allen zugutekommt, da wir Bürger kollektiv den Staat konstituieren. Doch das stimmt nicht, weil der Staat durch die zusätzlichen Mittel private Marktteilnehmer verdrängt (crowding out) und ihnen dadurch Entfaltungsmöglichkeiten nimmt sowie auf komplexe Weise Teilmengen der Bürger bevorzugt. Außerdem privilegiert die Inflation bestimmte Akteure, die deren Umverteilungswirkung von unten nach oben nutzen können. Denn die Passivgeldproduktion erlaubt privaten Akteuren, Gewinne aus riskanten Kreditvergabegeschäften zu privatisieren. Gleichzeitig werden aber Verluste aus der Kreditfehlvergabe durch den Staat vergesellschaftet: Staaten retten Banken vor der Pleite, damit das Zahlungssystem, das die Banken unterhalten, nicht zum Erliegen kommt. Dabei werden Steuermittel verwendet, um Banken zu verstaatlichen, oder die Zentralbanken manipulieren Zinssätze und kaufen Anleihen oder Kreditderivate, um Banken vor dem Bankrott zu schützen. In jedem Fall erhalten die Eigentümer und Top-Manager der Banken Gewinne und Boni, müssen aber nicht oder nur sehr begrenzt für die Verluste haften, was die Bürger der Staaten übernehmen.
Es ist kein Zufall, dass sich seit der Aufhebung des Goldstandards 1971 die Eigentumsverteilung massiv zweigeteilt hat. Denn die reichsten Bürger haben seitdem das Finanzsystem genutzt, um ihren Reichtum schneller zu steigern als die Wirtschaft wächst. Insbesondere profitieren sie von der Realgüterinflation der Vermögenswerte wie Häuser oder Aktien, an denen Kleinbürger und Arme kaum oder nicht partizipieren können. Insgesamt werden mindestens die unteren 85 Prozent durch die Passivgeldproduktion real enteignet. So hat sich das globale Privateigentum immer mehr konzentriert. Ein Ausdruck dessen ist der Anstieg der Anzahl der Milliardäre von 470 (im Jahr 2000) auf 2.153 (Im Jahr 2018) mit einer Verzehnfachung ihres Gesamtvermögens auf 8.700 Milliarden US-Dollar in diesem Zeitraum. Diese krasse Verteilung des globalen Privateigentums ist die notwendige Voraussetzung für die fortschreitende Entdemokratisierung, die wir heute beobachten.
Das Unheil wird zuerst als Boom sichtbar
Wie wir gesehen haben, kann sich der Staat mit Hilfe des Passivgeldes bequem verschulden und Legitimität auf Kosten der Zukunft kaufen. Daher hält er über seine Zentralbanken die Zinsen niedrig. Dies lässt sich derzeit in allen relevanten Währungsräumen lehrbuchartig beobachten. So geht die Produktion von Passivgeld immer mit einem Zinsniveau einher, das niedriger ist als der natürliche Zins. Dieser entsteht, weil Menschen die Präferenz haben, Güter jetzt oder sehr bald zu erwerben, und für den Verzicht auf diesen Konsum beim Sparen eine Entschädigung in Form von Zinsen erhalten wollen. Die vom Staat festgelegten, zu niedrigen Zinsen führen dazu, dass Unternehmen Projekte angehen, die im natürlichen Zinsumfeld nicht rentabel wären, weil die Kreditkosten zu hoch wären. Dabei vergeben die Banken aufgrund der Anreize im Geldschöpfungssystem Kredite, die später nicht zurückgezahlt werden können und abgeschrieben werden müssen.
Auf diese Weise entsteht eine massive Überschuldung, die immer weiter wächst, weil Unternehmen und Staaten die Kreditschöpfungsmöglichkeiten zu stark nutzen. Und in der Tat ist die Gesamtverschuldung seit 1971 immer weiter gewachsen. Nun sehen wir auch, warum das Teilreservesystem Passivgeld braucht. Es erzeugt so schnell Schuldenberge, dass eine Deckung der Passivseite der Zentralbank mit Gold gar nicht möglich ist. Denn die Goldmenge wächst jährlich nur um maximal zwei bis drei Prozent, während die Verschuldung schneller zunimmt. Daher hat der Ausbau der Teilreserve seit dem Ende des 19. Jahrhunderts eine schrittweise Entkopplung des Papiergeldes vom Realwert bis zu seiner totalen Loslösung Anfang der 1970er Jahre erzwungen.
Dabei wird das Anwachsen der Geldmenge über Kreditvermehrung zunächst als Boom sichtbar: Durch das neue Geld wächst die Wirtschaft, es entstehen Arbeitsplätze, die Löhne steigen, Menschen konsumieren mehr. Die gesamte Produktionsstruktur wird so vom niedrigen Zins abhängig gemacht, knappe Ressourcen werden in unrentable Prozesse gelenkt. Tritt der Staat als Käufer auf, ist die Allokation oft am wenigsten rentabel. Und früher oder später erweisen sich überhaupt immer mehr Investitionen als unrentabel, weil sie wegen der zu niedrigen Zinsen falsch kalkuliert waren. Wenn dies geschieht, können die betroffenen Unternehmen ihre Kredite nicht mehr bedienen, sie werden “faul”. Die Banken müssen diese Kredite dann abschreiben oder die darauf beruhenden Derivate abstoßen (was zu deren Preisverfall führt).
Mit der Abschreibung verbrauchen sie Eigenkapital und drohen unter die staatlich vorgeschriebene Quote zu rutschen. Nun müssen sie ihre Bilanzen verkürzen, also weniger Kredite mehr vergeben oder erneuern. Dadurch steigt der Druck auf nicht rentable Unternehmen, die nun vermehrt pleite gehen. Angestellte solcher Firmen verlieren ihre Arbeit und können ihre Hypotheken oder andere Privatkredite nicht mehr bedienen. Die Banken ziehen nun das Anlagevermögen der insolventen Firmen, mit dem die Kredite besichert waren, ein, und verkaufen diese – wie etwa Immobilien, Produktionsanlagen oder Transportmittel. Sie verkaufen auch die Häuser der privatinsolventen Hypotheken-Debitoren.
Dadurch kommt es zu einem Preisverfall all dieser Güter, man spricht von einer deflationären Spirale. Diese setzt alle Schuldner, und davon gibt es viele, weiter unter Druck, weil durch die Deflation die Last der Kreditbedienung steigt: Während alle Güter nominal günstiger werden, bleibt die Kreditsumme gleich; ein Debitor kann für die Veräußerung von Eigentum, durch die er beispielsweise seine Raten bedienen will, weniger erlösen; unter Umständen sinkt auch sein Umsatz (bei Unternehmen) oder sein Gehalt (als Angestellter), während die Raten gleich hoch bleiben. Daher kommt es zu noch mehr Insolvenzen und weiterem Anstieg der Arbeitslosigkeit, beide befeuern die Spirale weiter.
Da der Staat selbst Schuldner ist, kann er seine Kredite nun schlechter bedienen oder erneuern. Gleichzeitig schwindet wegen der einsetzenden Rezession sein Steuer- und Sozialkassensubstrat, er kann nicht mehr so großzügig Legitimität kaufen, im Gegenteil ist er immer weniger in der Lage, seinen grundlegenden Verpflichtungen nachzukommen.
Der Alkoholiker wird mit Schnaps behandelt
Wie reagiert der Staat auf eine solche Finanzkrise, die für ihn immer eine Ertragskrise ist? Durch Erhöhung der Geldmenge, Senkung der Zinsen bis in den Negativbereich und direkten Kauf von Anleihen (quantitative easing), also mit monetärer Staatsfinanzierung – bis hin zum “helicopter money”, der direkten Ausgabe frisch erzeugten Geldes an die Bürger. Es entsteht ein Finanzsozialismus, bei dem der Staat immer stärker in das Finanzsystem eingreifen muss – über Aktionen der Zentralbank und Regulation. Und so ist es auch. Über- und Fehlregulierung sowie monetäre Staatsfinanzierung sehen wir seit 2008 bereits chronisch, weil bei der letzten Finanzkrise keine Fundamentalkorrektur vollzogen wurde, sondern, bildlich gesprochen, der Alkoholiker mit Schnaps (noch mehr Passivgeld, Bankverstaatlichungen und Verlustvergesellschaftungen auf Kosten der Steuerzahler und regulatorischer Symptomtherapie) behandelt wurde. Das System ist nun vollkommen von Negativzinsen, Geldmengenausweitung und Schuldenvergrößerung abhängig. Scheinbar kann der Staat das beliebig lange machen, denn er kann so viel Passivgeld erzeugen, wie er will.
Doch wenn die nächste Finanzkrise kommt, trifft sie auf bereits hoch verschuldete Staaten – die Staatsschuld liegt in den OECD-Ländern im Mittel um die 100 Prozent des BSP, rechnet man die impliziten Schulden durch Pensionsansprüche bei schrumpfender Bevölkerung hinzu, kommt man auf über 300 Prozent; in der Euro-Zone ist das Bild noch komplizierter, weil die Staaten mit Handelsbilanzüberschuss für die Schulden der Staaten mit Handelsbilanzdefiziten haften und dadurch auch noch fremde Schulden schultern müssen.
Deutschland wird dann, anders als in der Krise von 2008, keine Staatsanleihen auf normalem Wege mehr emittieren können, weil es – so wie Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien bei der letzten Krise – nicht mehr kreditwürdig sein wird. Also wird die monetäre Staatsfinanzierung massiv ausgeweitet werden.
Warum kann der Staat nicht beliebig Passivgeld produzieren, um die eigenen Staatsanleihen zu kaufen? Durch diese Gelddruckerei kommt zu einem krassen inflationären Preisanstieg, wenn die durch die gestiegene Geldmenge erzeugte Nachfrage das Angebot so massiv übersteigt und Pufferungsmechanismen wie beispielsweise die Verfügbarkeit billiger Arbeitskräfte in Asien nicht mehr reichen. Diese Inflation beobachten wir schon heute bei Realgüterpreisen (Häuser, Land, Akiten, Gold). Sie ist, wie wir gesehen haben, einer der wesentlichen Mechanismen des automatischen Transfers von Vermögen zu den Reichen.
Früher oder später trifft der Preisanstieg aber auch Konsumgüter. Spätestens dann verlieren die Bürger und Unternehmen das Vertrauen in das Finanzsystem. Sie verkaufen Staatsanleihen und Lebensversicherungen, und sie versuchen Realgüter zu kaufen. Dadurch beschleunigen sie das Ende des Finanzsystems. Wenn die Hyperinflation eintritt, sind die Unter- und Mittelschichten (in Deutschland mind. 85 Prozent der Bevölkerung) existenziell bedroht, weil ihnen die Kaufkraft für das Nötigste ausgeht. Die Bürger verweigern die Nutzung des staatlichen Geldes und steigen auf Tauschhandel um. Das Finanzsystem zerfällt, dadurch werden alle finanziellen Transaktionen massiv erschwert, es kommt zu einer Kontraktion der wirtschaftlichen Leistung mit Unterversorgung der Bevölkerung. Es kommt dann zu politischen Unruhen. Dies ist die Krise, die uns bevorstehten könnte. Sie wird global sein, weil das Finanzsystem global hochgradig vernetzt ist – irgendwo in der OECD oder China wird die Krise beginnen, und dann wird sie sich über den Globus ausbreiten.
Da die Partnerschaft von Staat und Finanzindustrie zur Passivgeldproduktion sehr etabliert ist und sowohl den staatlichen Schuldnern als auch einer kleinen Gruppe von Privilegierten (weniger als 1 Prozent der Bevölkerung gehörten 80 bis 90 Prozent aller privaten Realgüter) massiv nützt, wird das Passivgeldsystem nicht durch eine Reform verschwinden. Sondern es wird erst dann abgelöst, wenn seine Effekte zu einer bitteren globalen Krise geführt haben werden.
Was kommt danach? Was sind die Alternative zum Passivgeld? Es sind Warengeld, Vollgeld oder Aktivgeld, die wir nun kurz anschauen.
Warengeld ist Geld, das vollständig durch einen realen Gegenwert, wie etwa Gold, gedeckt ist. Dabei hält die Zentralbank für das emittierte Außengeld auf der Passivseite eine dementsprechende Goldmenge in einem festen Verhältnis. In der Praxis kann so ein System nur eingeführt werden, wenn das Teilreservesystem, welches Passivgeld braucht, abgeschafft wird. Die Banken würden dann nur noch so viel Kredit vergeben können, wie sie tatsächlich an (goldgedeckten) Spareinlagen haben und würden zu reinen Geldaufbewahrungshäusern mit einer bescheidenen Kreditvergabefunktion, wobei die Funktion als Investmentbank genauso fortgeführt werden könnte wie heute, da dabei keine Geldschöpfung aus dem Nichts erfolgt.
Allerdings bedürfte ein solches System weiterhin einer Zentralbank, die das goldgedeckte Warengeld emittiert und absichert. Kritiker befürchten, dass der inhärent deflationäre Charakter eines solchen Systems (wenn die Goldmenge langsamer wächst als die Realwirtschaft) das Wirtschaftswachstum hemmen könnte. Doch diese Sorge ist wohl eher unbegründet – in Wirklichkeit dürfte der Vorbehalt damit zusammenhängen, dass das heutige Schuldensystem Deflation fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Warengeld würde die Boom-Bust-Zyklen und die Umverteilungseffekte von unten nach oben des Passivgeldsystems abschaffen. Es ist die klassische Forderung der Ludwig-von-Mises-Schule (der Neo-Austrians).
Als Alternative zum Warengeld hat F. A. von Hayek privates Vollgeld vorgeschlagen, um eine Zentralbank zu vermeiden, der er zutiefst misstraut. In diesem System gäbe es ebenfalls keine Teilreserve, sondern Banken würden eigene Währungen emittieren und diese gegenüber einem Rohstoffkorb in der Menge konstant halten. Dabei würden sich im Wettbewerb die stabilsten Währungen durchsetzen. Geldemittierende Banken würden die Geldnachfrage bedienen, während reine Kreditinstitute ohne Emission immer Volleinlagen ohne partielle Reserve hätten. Der Markt würde laut Hayek automatisch die härteste Währung in der benötigten Menge hervorbringen. Sein Vorschlag ist allerdings umstritten, unter anderem, weil nicht klar ist, ob ein Markt für Privatwährungen wirklich (und ohne starke regulatorische Überwachung) zum gewünschten Ergebnis stabiler Währungen führen würde.
Neuerdings haben Joseph Huber und andere mit ihrer „Monetative” staatliches Vollgeld vorgeschlagen, bei dem nur der Staat Geld produziert und in Umlauf bringt. Hier ist das wesentliche Problem, dass das Finanzsystem vollständig verstaatlicht, also sozialistisch würde – mit allen damit verbundenen Problemen bei der zentralen Planung durch Akteure, die nicht genug Wissen über die Bedürfnisse der Marktteilnehmer haben können und der Versuchung des Staates, seine total monopolistische Rolle bei der Geldschöpfung zu missbrauchen.
Alle diese Alternativen zum Passivgeld wären nur einführbar, wenn das heutige Finanzsystem spontan und chaotisch zusammenbräche. Thomas Maier schlägt daher die schrittweise, reformistische Einführung einer Aktivgeldordnung mit Vollreserve vor. Doch ist aufgrund der Interessenlage der staatlichen Schuldner und der globalen Ultrareichen, die beide vom Passivgeldsystem profitieren, ein solcher evolutionärer Übergang sehr unwahrscheinlich: Eher kommt es zu einem chaotischen Zusammenbruch des Finanzsystems mit einer anschließenden fundamentalen Neuordnung. Ob diese einen sozialistischen (“Monetative”) oder marktwirtschaftlichen (staatliches gesichertes Warengeld oder privates Vollgeld) Charakter erhalten wird, wird sich zeigen. Behalten wir eine demokratische Ordnung, wird die neue Geldordnung marktwirtschaftlich sein müssen, da der Sozialismus als oligarchisches System nie den Interessen der Mehrheit dienen kann.
Eines ist jedoch gewiss: Passivgeld hat als Institution zur Geldproduktion und -verteilung ausgedient. Wie lange es noch durchhält, ist schwer zu sagen. Die Schuldenberge sind einfach zu groß geworden.