Der Start von Ron DeSantis um das Präsidentenrennen mit dem von Elon Musk auf Twitter ausgerollten roten Teppich verunglückte – technisch. Der Auftritt brachte andererseits eine Rekordsumme an Spenden für den republikanischen Präsidentenanwärter. Aber reicht das?
Viele Jahre lang rubrizierte man in amerikanischen Boulevard-Zeitungen Meldungen des Kalibers „Mann beißt Hund“ unter einem Begriff, welcher gleichzeitig intellektuelle Verachtung, Lust an Sensation und Schadenfreude ausdrückte. So ist er eben, der „Florida Man“, schießt sich selbst ins Knie, ringt mit Krokodilen und löscht Brände mit Benzin. Pleiten, Pech und Pannen pflastern seinen Weg.
Nun hat Florida seit einigen Jahren so gar nichts hinterwäldlerisches mehr. Die Wirtschaft boomt, immer mehr Unternehmen und Menschen zieht es in den Sonnenscheinstaat – nicht selten auf der Flucht aus „Blue States“ wie Kalifornien und New York. Allen Anwürfen und medialen Hinrichtungen der Politik der Regierung von Ron DeSantis zum Trotz. Derrick Johnson, Chef der NAACP (eine der einflussreichsten schwarzen Bürgerrechtsbewegungen) verkündete gerade sogar Reisewarnungen für Schwarze US-Bürger, die in Florida aufgrund der dortigen Politik nicht sicher seien.
Das ist angesichts historisch niedriger Kriminalität und Arbeitslosigkeit und gleichzeitig Rekorden für Firmengründungen gerade schwarzer Amerikaner nicht nur komplett gelogen, Johnson wohnt selbst in Tampa/Florida. Und so geht es weiter gegen DeSantis, den Mann aus Florida, der zwar in seinem Staat so ziemlich alles richtig macht, es der DC-zentrierten linken Presse aber nie recht machen kann. Den bisherigen Gipfel der Verachtung erreichte Vanityfair, wo man unterstellte, DeSantis ginge nur deshalb zu Elon Musk auf Twitter, weil David Duke (KKK) nicht verfügbar sei.
Mit der Ankündigung, sich ins Rennen um die Präsidentschaftskandidatur zu werfen, war DeSantis spät dran, was hauptsächlich daran lag, dass erst die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen werden musste, gleichzeitig Gouverneur in Florida zu sein und für ein anderes politisches Amt zu kandidieren. Dabei tauchte er seit Monaten in den entsprechenden Umfragen auf und wird konstant (allerdings mit großem Abstand) als Nummer Zwei hinter jenem anderen Florida Man gehandelt, der für alle Kandidaten der Republikaner wie ein 400-Pfund-Gorilla im Raum steht: Donald Trump.
Neuer Besen, neue Medien, neue Freunde
Die Umstände für DeSantis Bekanntmachung waren vielversprechend: Neuer Besen, neue Medien, neue Freunde. Denn während es den Dems an finanzkräftigen Milliardären nie mangelt, kann die sichtbare öffentliche Unterstützung von Leuten wie Elon Musk und David Sacks doch nur positiv sein, oder? Musk hat in den letzten Monaten seine Akquisition Twitter von links auf rechts gedreht, verschlankt, von Zensur befreit und damit begonnen, neue Funktionen zu implementieren. Was lag also näher, als die alten Medienkanäle (zumindest zunächst, er war später für 40 Minuten bei Foxnews) zu umgehen, welche die Reps seit Dekaden benutzt haben? Foxnews hat durch den Sendeschluss für Tucker Carlson so massiv an Reichweite und Vertrauen bei der konservativen Basis verloren und damit begonnen, sich dem woken Mainstream anzugleichen, warum nicht Twitter-Spaces verwenden…? Leider ging das zunächst technisch schief.
Es herrscht ja kein Mangel an Bewerbern um das Präsidentenamt. Jedoch an ernsthaften Herausforderern, die es mit dem „Gorilla“ aufnehmen wollen. Alle Namen, die entweder als mögliche Kandidaten gehandelt werden oder ihren Hut bereits in den Ring geworfen haben, kann man grob in drei Gruppen einteilen. „Republikraten“, also solche Personen, wie Medien und Dems sich die Republikaner wünschen: handzahm mit Trump-Phobie, harmlos und unwählbar für beide Seiten. Archetypisch stehen Mike Pence oder Liz Cheney für diese Fraktion. Dann sind da „Außenseiter“ wie Asa Hutchinson und Larry Elder. Interessant, debattenfest, aber chancenlos.
Schließlich ist da noch das „Kabinett“, fähige Leute allesamt, die sich jedoch nicht inhaltlich an Trump abarbeiten, sondern ihm wie Schneider bei der Anprobe Kreide vom Sakko wischen. Kritik ist von denen nicht zu erwarten, höchstens Kosmetiktipps und noch auffälliger ist, dass Trump diese Kandidaten sämtlich in Ruhe lässt. Nikki Haley läuft sich offenbar schon für das State Department warm, Vivek Ramaswamy empfiehlt sich für die Federal Reserve und Tim Scott, der salbungsvoll und warm reden kann wie kaum einer, wäre er nicht wie geschaffen für die Vizepräsidentschaft, auch weil er Trump die Wähler der Minderheiten sichern könnte? DeSantis war bis zu seiner Ankündigung auf Twitter-Spaces der einzige echte Gegenkandidat für die Nominierung Trumps. War? Es ist vielleicht zu früh, ihn abzuschreiben, zumal es Szenarien gibt, in denen die Pannen bei der Verkündigung DeSantis noch nützlich sein könnten. Dazu später mehr.
"Keine Gesprächskonserven und Teleprompter"
Reden wir lieber nicht von den technischen Pannen, den Verzögerungen, den frustrierten 300.000 Zuhörern, die den Space verließen, weil die Probleme nicht abrissen oder weil sie von Fahrstuhlmusik und verwirrenden Fehlermeldungen genervt waren. „Ich glaube, wir bringen das Internet zum Schmelzen“ sagte Gastgeber David Sacks im Scherz. „Keine Gesprächskonserven und Teleprompter“ lobte Musk sein Trägermedium „Twitter Spaces“ und die enthaltene Ironie war wohl eher unfreiwillig. Begrenzt auf Audio konnten die Ohrenzeugen schließlich nicht sehen, ob da ein vorgefertigtes Skript vor DeSantis lag und die Audioqualität seines Mikrofons hatte schon etwas konservenhaftes. Der Gouverneur trug jedenfalls vor, wie er auch sonst vorträgt. Deutlich, sachlich, monoton, emotionslos.
Verfolgt man die amerikanische Politik und deren Probleme aufmerksam, konnte man diese sämtlich adressiert finden und wie auf einer Liste abhaken. DeSantis kennt und nennt die Probleme – und schafft es doch nicht, dass sich auch nur ein unentschlossener Trump-Fan begeistert vom Sofa erhebt oder auch nur den Ton etwa lauter stellt. Den Moment der Bekanntgabe einer Kandidatur optimal zu nutzen, heißt, den Kandidaten im denkbar wärmsten emotionalen Licht darzustellen. Wie soll das ohne Video funktionieren, gerade angesichts der begrenzten rhetorischen Talente von DeSantis?
Und warum nutzte DeSantis das beträchtliche Emotionskapital nicht, welches ihm Bilder mit seiner Bilderbuchfamilie in dieser Situation hätten bieten können? Und wenn man schon den Weg der Audio-Puristen versucht, stellt man dann nicht wenigstens durch Tests sicher, dass alles wie am Schnürchen funktioniert? Prüft man nicht Mikrofone und Übertragungswege? Hat man nicht Techniker bei der Hand, die sich um Bugs kümmern, statt dies durch die Hosts Musk und Sacks erledigen zu lassen? Und war es wirklich klug von DeSantis, sich die Aufmerksamkeit mit gleich zwei Tech-Schwergewichten zu teilen, die sich streckenweise so angeregt unterhielten, dass man sich fragte, ob DeSantis überhaupt noch auf Sendung war? Ich wüsste gern, wer der Produzent war, der das verzapft hat und falls es keinen gab: warum nicht?
DeSantis vermied es, den „Gorilla“ direkt anzugreifen
Kleine Korrektur: nicht ich wünsche das alles zu wissen, denn meine Stimme hätte DeSantis. Es gilt jedoch, Delegierte auf den Nominierungsparteitagen in 50 Bundesstaaten zu überzeugen, dass Ron DeSantis dem Vergleich mit „dem Original“ standhält, wobei die emotionale Komponente entscheidend sein kann. Die böswilligen Gerüchte über seine Politik in Florida, die bis nach Hintertupfingen dringen, hat er medial nie wirklich bekämpft. Wie leicht würde es für die Dems werden, im Wahljahr 2024 die verrücktesten Plots aus der Schublade zu ziehen? Trump brauchte sechs Jahre, um endlich die erfundene Geschichte von der „geheimen Absprache mit Russland“ gerichtsfest zu widerlegen – und selbst das hält die Washington Post nicht davon ab, dieselben Lügen auch heute noch zu verbreiten und weiterzuspinnen.
Auch DeSantis vermied es, den „Gorilla“ direkt anzugreifen und ihn dort zu packen, wo er schlagbar ist: seine Corona-Politik, Operation „Warpspeed“, für die sich Trump noch immer rühmt, und die Tatsache, dass er sein wichtigstes Versprechen in seiner ersten Amtszeit nicht gehalten hat: den Sumpf in Washington auszutrocknen und die allergrößte Sumpfblüte namens Fauci nicht am ersten Tag gefeuert zu haben. Stattdessen lauschte man Erörterungen über Bitcoin und digitales Zentralbankgeld, was als Botschaft der ersten Stunde viel zu komplex, viel zu detailversessen und viel zu abgehoben ist, um länger in Erinnerung der Zielgruppe zu bleiben. Deftige Splitter wie „inmates running the asylum“ oder „no transformation without representation” konnten gar keine Wirkung entfalten.
Keine Headline, kein griffiger Slogan, Twitter als Blitzableiter für Hohn und Spott und technische Pannen, gegen die Trump genüsslich eine Breitseite nach der anderen feuert. Die inhaltliche Kritik an DeSantis ist schwach. Was aus der Sicht von Trump ein grandioser Fehlstart sein soll, entpuppt sich trotz des gebremsten Schaums als warer Geldsegen. 8,2 Millionen Dollar kamen binnen 24 Stunden in DeSantis Wahlkampfkasse. Rekord! Eben gerade nicht Trumps Spiel zu spielen, sich andere Felder und Kanäle zu suchen und gar nicht erst versuchen, Trump dort zu schlagen, wo er kaum schlagbar ist: in direkter Fühlung mit Fans und Unterstützern.
Wie Gottfried Benn einst sagte. „Gehe von deinen Beständen aus, nicht von deinen Parolen…“. DeSantis hat womöglich erst einen kleinen Zeh ins kalte Wasser gestreckt, alles an seinem Auftritt signalisierte Trump „ich greife dich nicht an“. Noch nicht. Meine Auftritte sind keine Gefahr für dich. Noch nicht. Ob DeSantis Trump vergessen machen kann, wie durchgeplant und choreografiert seine Rede war, die er letztes Jahr nach seinem Sieg bei den Gouverneurswahlen gehalten hat? Wer gegen einen Boxchampion gewinnen will, kann dies ja auch beim Schach versuchen…