Georg Etscheit / 01.11.2020 / 10:00 / Foto: Frank Vincentz / 12 / Seite ausdrucken

Allerheiligen im Geheimen

„Das ist der Lockdown, der Weihnachten retten soll“, schreibt ZEIT ONLINE zu den jüngsten Corona-Maßnahmen der Bundesregierung, mit denen ab Montag das öffentliche Leben in Deutschland abermals, wenn auch nur „teilweise lahmgelegt“ werden soll. Es hätte wohl eher heißen müssen: „Merkel will das Weihnachtsgeschäft retten“. Um Weihnachten zu retten, wäre es nämlich besser, den Lockdown erst am 29. November beginnen zu lassen, auf den heuer der Beginn der Adventszeit fällt. Dann wäre die „staade Zeit“, wie der Advent in Bayern heißt, wirklich einmal eine im Wortsinn stille Vorbereitung auf das Hochfest der Geburt des Herrn geworden. 

Idealerweise würde man im November die nutzlose Maskenpflicht im Einzelhandel und auf den Straßen suspendieren und die Menschen auffordern, ihre Weihnachtseinkäufe schon jetzt zu erledigen. Danach könnte man dann für die Advents- und Weihnachtswochen bis Mariä Lichtmess, Anfang Februar, einen umso „knackigeren“ Lockdown verhängen, wie ihn CDU-Vize Thomas Strobl, Innenminister in Baden-Württemberg, im Vorfeld der jüngsten Bund-Länder-Beschlüsse empfohlen hatte. Ein Segen wäre das für ein Fest, das im alljährlichen Konsumtaumel seinen Sinn fast verloren hat, wovon nicht nur schütter besuchte Gotteshäuser am ersten Weihnachtsfeiertag selbst im einst tiefkatholischen Oberbayern zeugen. Ein Segen auch für die Kirchen, die vielleicht ein wenig Terrain zurückgewinnen könnten. 

Endlich einmal nichts mehr, das vom Wesentlichen ablenken würde, der nahen Geburt des Erlösers. Keine Weihnachtsmärkte mehr, die ihre Tentakel in sämtliche Verästelungen deutscher Fußgängerzonen ausgestreckt haben –  viele sind ja bereits abgesagt worden – und auch die überbordende Weihnachtsbeleuchtung könnte man sich sparen, was dem Klimaschutz zugute käme. Dito die großen Christbäume wie vor dem Münchner Rathaus – jeder nicht gefällte Baum zählt in Zeiten der Klimakrise. Endlich einmal keine Vorweihnachtshektik – eine Win-win-Situation ohnegleichen.

Brav und ergeben, wie die russisch-orthodoxe Kirche

Nur die Kirchen sollten noch geöffnet sein. Endlich würden die Menschen wieder in Scharen die Gottesdienste besuchen, in denen Priester den Segen Gottes für die von Corona-Pandemie und Weltenbrand bedrohte Christenheit herabriefen. Bittprozessionen führten zu jenen Pestdenkmälern wie der Münchner Mariensäule, die erbaut wurden, als in Europa jene furchtbare Krankheit wütete, die Millionen Menschen das Leben kostete. Und in der Heiligen Nacht wären die Haushalte, auch Familien genannt, ganz bei und unter sich, die Großeltern live zugeschaltet aus dem abgeschotteten Altenheim.  

Es wäre vielleicht eine kleine Chance für das im Äther spiritueller Beliebigkeit verdampfende Christentum. Doch sie wird nicht genutzt werden. Stattdessen werden sich die Menschen, endlich wieder ein wenig aus der Fuchtel des Verzichts befreit, im Dezember umso erbarmungsloser in den Konsum stürzen: Ich kaufe, also bin ich. Und die Gotteshäuser, in denen Priester, die selbst nicht mehr an das glauben, was sie verkünden sollen, mit Mundschutz angeekelt die Kommunion spenden, sie werden noch leerer sein als sonst. Denn wer braucht eine Kirche, die nicht einmal in Notzeiten wie diesen ihr Hirtenamt versieht, sondern lieber dem Zeitgeist huldigt, Flüchtlingsschiffe in See stechen lässt und sich brav und ergeben, wie man es eigentlich nur von der russisch-orthodoxen Kirche kennt, den staatlichen Anordnungen fügt. Oswald Spengler sagte: „Eine Religion, die bei Sozialproblemen angelangt ist, hat aufgehört, Religion zu sein.“

Schon liest man, dass in Bayern die traditionellen Zeremonien an Allerheiligen zum Teil im Geheimen stattfinden werden. Trotz Corona und des lokalen Lockdowns werde die Gräbersegnung im Berchtesgadener Land zwar „nach allen liturgischen Regeln“ abgehalten werden, teilte das Erzbistum München-Freising mit. Allerdings sollen die katholischen Pfarreien nicht bekannt geben, wann genau der Segen gespendet werde, damit „nicht zu viele Menschen auf den Friedhöfen zusammenkommen“. 

Besser kann man den Bankrott der Amtskirche nicht erklären. Immerhin ist auch Halloween ein christliches Fest.

Foto: Frank Vincentz CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Robert Bauer / 01.11.2020

Was Stalin, Hitler und Mao nicht geschafft haben, die Zerstörung des Christentums, erreicht die Nachkriegsmoderne unter tätiger Mithilfe der Abzuschaffenden in kürzester Zeit. Die Reste fegt dann der Islam weg.

A. Quesseleit / 01.11.2020

Mich wollte vorhin einer von diesen maskierten Blockwart-Nachzüglern vom Betreten des Dorf-Friedhofes, auf dem meine Großeltern und ein Bruder liegen, abhalten. Nachdem ich ihn aufgefordert habe, mich unmaskiert vorbei zu lassen - es fand gerade der Gottesdienst statt und auf dem Friedhof waren nur weiter weg zwei Personen -, und er es nicht tat, bin ich fünf Meter weiter über die Mauer geklettert. Er kam hinter mir hergerannt und fing das Schreien an…womit er aber aufhörte, nachdem er ge-bodycheckt am Boden lag. Bin gespannt, was jetzt noch passiert, aber irgendwann ist auch mal Schluß. Hier auf dem Land scheinen sich diese Untertanen-Gene doch irgendwie länger bewahrt zu haben.

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