Gastautor / 21.08.2016 / 06:00 / 10 / Seite ausdrucken

Alle reden von der Burka, wir reden übers Kopftuch

Von Ralf Ostner.

Dass Tschador, Niqab und Burka klare Zeichen von Frauenunterdrückung sind, wird nicht einmal in moderat islamischen Staaten angezweifelt. Anders verhält es sich beim Kopftuch. Zwar wird auch dieses in den zuvor meist säkularen islamischen Staaten infrage gestellt, doch Multikultimenschen im Westen tolerieren dies zumeist ohne kritische Nachfragen an ihre Trägerinnen. Hier werden argumentative Akrobatenkünste vollbracht, dass dieses auf der Freiwlligkeit der Frau, als Begrenzung männlichen Sexismus, als Kopftuch, das auch schon katholische Landfrauen in Europa getragen haben, also zur einfachen Nebensächlichkeit der Welt und zum Modeaccessoires verklärt, das man unwidersprochen zu tolerieren habe.

Der erste Gedanke, der mir kommt: Wie würden eigentlich westliche Menschen reagieren, wenn sich westliche Frauen mit Kopftüchern eindecken? Würde man da sagen: Wie kommt eine Frau dazu sich in eine Nonnentracht einzuhüllen und uns etwas von der Befreiung der Frau zu erzählen? Wenn man nicht gerade an Helga von Binnen und Grace Kelly denkt - also zwischen religiöser Zwangstracht oder eben lockerem Bekleidungsutensil, das  die Haarpracht durch  den Fahrtwind des Sportwagens nicht in Unordnung bringt.

Aber wenn nun westliche Frauen massenweise Kopftücher tragen würde, würde man sich eben schon fragen: Warum schmeissen die sich in eine Nonnentracht, die doch welthistorisch gerade für die Unterdrückung der Frau steht? Was würden wir entgegnen, wenn sie antworten würden, dass sie ihre christliche Identität symbolsieren wollen. Und das Christentum für die Befreiung der Frau stehe. Und wenn sie uns dann ihre ganz eigene Interpretation und ganz individuelle Sichtweise und Version vom Christentum erzählen würden? Jeder westliche, säkulare Mensch und vor allem jede westliche säkulare Frau würde wohl den Verstand dieser Frauen anzweifeln und widersprechen. Nicht so bei muslimischen Kopftuchträgerinnen.

Mit dem Kopftuch zurück zu den Wurzeln und zur Identität?

Die Motive ein Kopftuch zu tragen sind durchaus unterschiedlich. Die Argumenation, dass dies auch katholische Landfrauen bei der Feldarbeit getragen hätten, verfängt da als erstes nicht. Denn wir sind eine Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft, haben uns von der staubigen Landwirstchaft meilenweit entfernt und auch keine muslimische Kopftuchträgerin bemüht dieses Argument – nur eben Multikultiversteher.

Zitiert wird da eher, dass die Kopftuchfrau zu ihren Wurzeln und ihrer Identität zurückfinden wolle. Auch ein seltsames Argument, denn die meisten Kopftuchfrauen sind in Deutschland geboren, wollen sich dann also von diesem säkualren Deutschland scheinbar abgrenzen, wenn sie eine vermeintliche Identität finden wollen. Und worin soll die bestehen? In der Regression, dass man sein Haar nicht mehr offen trägt, sondern verdeckt? Vor allem vor wem und vor was? Bedeutet Identität die Rückbesinnung auf alte Traditionen in der muslimischen Welt als die Frauen noch unterdrückt waren? Oder soll man die Verschleierung zurück auf Mohammed führen, als Oberklassefrauen sich verschleierten, um sich gegen Unterklassefrauen abzuheben?

Alice Schwarzer hat zudem einmal richtig bemerkt, dass diese ganze Kopftuchmode in den muslimsichen Staaten erst wieder aufkam, als Khomeini seine islamistische Diktatur im Iran errichtete. Dies war ein Zeichen für den islamistischen Aufbruch der Muslimbrüder, Erdogan/Erbakan, Taliban, Boko Haram, Al Shabab, Al Kaida, die Is erst auf die Tagesordnung brachte.

Keine Freiwilkligkeit, sondern Unterdrückung und Repression

In vielen dieser Länder ist aufgrund der agraischen Struktur, der damit einhergehenden patriachalischen und islamischen Zwänge das Kopftuch noch verbreitet. Aber es gab in diesen Ländern während der 60er und 70er Jahre eine Gegenbewegung, vor allem der städtischen Mittelstands- und Oberschichtenfrauen.  Sie bewirkte eine Liberalisierung, die aber seit der iranischen Machtergreifung der Mullahs im Iran und der von den USA unterstützten Mudjahedin in Afghanistan und Muslimbrüdern rasch zurückgedreht wurde. Von daher ist das Tragen des Kopftuchs in diesen Ländern keineswegs so freiwillig und gewollt von vielen Frauen, sondern eine Regression und auf Unterdrückung und Repression zurückzuführen.

Und in vielen dieser muslimischen Länderr würde jede Frau, die das Kopftuch abnehmen will, gesellschaftich, staatlich geächtet, bestraft oder eben gleich ermordet. Aber wir reden ja hier zuerst einmal von in Deutschland geborenen Muslimen und Muslimas, die plötzlich das Kopftuch als toll und ultima ratio er- und verklären. Wobei mich mal interessieren würde wieviele deutschgeborene Türkinnen oder sonstige Muslima überhaupt ein Kopftuch tragen. Bezeichnenderweise gibt es dazu bisher noch keine Statistiken, denn es könnte ja auch herauskommen, dass die meisten Muslima das Kopftuch immer noch ablehnen, aber schrittweise durch ihre kopftuchtragenden Schwestern in Zugzwang gesetzt werden.

Von daher ist es schon etwas seltsam, wenn sich in Deutschland geborene Muslima auf irgendwelche ausländischen Identitäten und symbolisch auf die repressive Form von Frauenunterdückung als Selbstverwirkllichung oder Ausdruck ihrer eigenen Persönlichkeit berufen. Einem Teil dieser Kopftuchfrauen geht es auch nur um die Selbstprofilierung, so wie westliche Leute sich ein Piercing und ein Tattoo verpassen, um dann der Welt erklären zu müssen, warum sie das gemacht haben und was dieses zu bedeuten hat.  Und die dies jedem auch ungefragt zeigen und zur Schau stellen. Sie fordern Erklärungshoheit.

Das Kopftuch als Vehikel für die Eroberung der Deutungshoheit

Ähnlich mit Kopftuchfrauen, die sich in Talkshows setzen. Sie wissen genau, dass sie darauf angesprochen werden. Sie nutzen dies dann zu ewig langen Erläuterungen, warum sie Kopftuch tragen – aus identitären Gründen wegen ihrer Wiederentdeckung des Islam und was sie als Islam sehen. Kurz: mittels der Auseinandersetzung um das Kopftuch wollen sie ihre ganz eigene Interpretationsmacht darüber, wie der  Islam zu verstehen und auszusehen habe.

Wie der Islam angesichts des sehr verbreiteten Islamismus und des ohnehin schon konservativ-sexistischen Mainstreamislam aussieht, nämlich dass Kopftuch und andere Verschleierungsformen von Frauen da eben nackte Frauenunterdückung sind, wollen diese Kopftuchträgerinnen nicht gelten lassen. Sie stilisieren sich als der neue Prophet. Wie sie den Islam sehen, so soll er sein. Damit beanspruchen sie eitel ein Interpretationsmonopol und wollen als die alleinige Stimme des Islam gehört werden. Also eine sehr egozentrische, selbsteitle Zurschaustellung ahistorischer Ignoranz.

Ein weiters Argument, das fürs Kopftuch aufgeführt wird, ist eine Abgrenzung zum Sexismus der Männer. Die Zurschaustellung äußerer Reize führe dazu, dass die Männer sich nur aufs Äußere, die Schönheit und nicht auf die inneren Werte konzentrierten, ja dass Männer sich beim Anblick von Frauenhaar in wilde, animalische Tiere und Lustmolche verwandeln und sie sexuell belästigen würden – eine ähnliche Denke wie die von Radikalfeministen und deren Slogan “Jeder Mann ist ein potentieller Vergewaltiger”.  In den 80er Jahren gab es sogar auch noch Feministinnen, die diese Sichtweise samt Kopftuch unterstützten, selbst in autonomen Kreisen der Tripple Oppression, aber inzwischen sind auch diese davon abgekommen, da ihnen immer bewusster wurde, dass Kopftuch und “Women´s Liberation”eben nicht zusammengehen.

Warum schminken sich manche Kopftuchträgerinnen stark?

Umgekehrt fragt man sich eben, warum diese Frauen nicht selbstbewusst genug sind, ihr inneres Wesen auch ohne die Krückenfunktion eines Kopftuches oder Vollkörperverschleierung wahrzunehmen. Fehlt es ihnen da nicht an jenen inneren Werten, um über das Äußere hinaus auch noch Strahlkraft zu entfalten? Zudem fragt sich auch, warum man sich eigentlich seiner äußeren Reize nicht bedienen und alles nur auf ein platonisches Verhältnis zurückstufen sollte. Hat denn das Wechselspiel zwischen inneren und äußeren Werte nicht gerade seinen dialektischen Reiz?

Und auch anders: Warum verhüllt man sich im öffentlichen Raum, wenn man dann im privaten Raum mit dem Ehemann desto nackter und ungezügelter loslegen will? Warum sollen andere Männer nichts vom Haar sehen und nur der eigene Ehemann? Das ist ja schon eine extreme Anbindung, die sehr eifersüchtig und besitzergreifend ist. Desweiteren ist auffällig, dass sich einige Kopftuchträgerinnen stark schminken oder aber die verbleibenden Kleidungsstücken recht offensiv auswählen, geradeso, als ob sie ihre Betonung auf innere Werte durch diese Hilfsmittel konterkarieren wollen.

Nun würde ich keiner Frau verbieten, ihr Kopftuch anzuziehen. Es gibt neben den Kopftuchdummchen auch intelligente Kopftuchträgerinnen. Dennoch sollte man sie immer auf die genannten Widersprüche hinweisen und das Kopftuch nicht so einfach und unwidersprochen tolerieren. Während alle nur noch von der Burka reden, sollte man sich kein Redeverbot bezüglich des reaktionären Kopftuchs auferlegen. Diese Toleranz gegenüber Kopftuchkritikern sollte man ebenso einfordern und verteidigen.

Ralf Ostner, 51, Diplompolitologe, Open-Source-Analyst, arbeitet als Übersetzer für Englisch und Chinesisch. Mehr vom Autor finden Sie hier

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Leserpost

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Klaus Elmar Müller / 21.08.2016

Katholische Ordenstracht soll kein Zeichen von weiblicher Freiheit sein? Mutter Theresa war Heldin in Elendsvierteln, Hildegard von Bingen tadelte den Kaiser ins Angesicht, Katharina von Siena tadelte den Papst wegen seines Verbleibens in Avignon, Teresa von Avila reformierte ihren Orden, Ordensfrauen erziehen schwierige Kinder, stehen Sterbenden bei (zum Beispiel meinen beiden Großvätern)  - die Reihe ließ sich fast unendlich fortsetzen. Alle starke Frauen, selbst- und zielbewusst, erfolgreich!

Harald Holder / 21.08.2016

Wie so oft bietet auch hier der Duden in der deutschen Sprache einige Klarheit: “verschleiern = durch Irreführung nicht genau erkennen lassen; verbergen”.

Ursula Singh / 21.08.2016

Junge, modern gekleidete muslimische Frauen tragen das Kopftuch, um sich selbstbewusst und klar von uns Westlern abzugrenzen und zu distanzieren, um uns die Stirn zu bieten.

Theodor Bicking / 21.08.2016

Die Angehörigen des Mainstream aus Politik und Medien zeigen die gleiche Reaktion wie die Trägerinnen des Kopftuches. Sie praktizieren vorauseilenden Gehorsam. Nichts anderes findet heute statt. Mehr oder weniger unbewusst eingeschüchtert unterwerfen (Islamisieren) sie sich.

Lukas Adam / 21.08.2016

Insbesondere der Schutz bzw. die Abgrenzung vor Männern ist ein Problem, das völlig unabhängig von Freiwilligkeit gilt. Ebenso wie man als Dunkelhäutiger nicht Leuten begegnen will, die sich mittels Ku Klux Klan Kapuze vor einem abgrenzen möchten, so will man als Mann nicht Frauen begegnen, die sich mittels Koptuch vor einem abgrenzen möchten. Des einen Rassismus, ist des anderen Sexismus.

Wieland Schmied / 21.08.2016

Zitat: “Nun würde ich keiner Frau verbieten, ihr Kopftuch anzuziehen.” Ne, kann man auch nicht, denn ein Kopftuch ‘zieht man nicht an’ - sondern ‘man setzt es auf’. Gerade so wie Hut und Mütze oder Helme jeglicher Art.. Ansonsten mit dem Beitrag völlig konform..

Eckhard Sperber / 21.08.2016

Hier sei auf die Facebookseite “My stealthy freedom” hingewiesen, auf der iranische Frauen mehr oder weniger heimlich aufgenommene Fotos mit offenem Haar veröffentlichen. In jüngster Zeit gibt es auch Fotos, auf denen sich Männer als Zeichen des Protestes ein Kopftuch umgebunden haben.

Christoph Fischer / 21.08.2016

Das Kopftuch drückt nur eines aus: Ein deutscher Mann kommt nicht in Frage!

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