Alkohol, Fleisch und Grundrechte – weg damit!

Morgens schaltet sie als Erstes das Licht ein. Mit Energiesparleuchte, weil Glühbirnen verboten sind. Kurz danach zündet sie eine Zigarette an, die teure Packung mit EU-Ekelbildern verunziert. Kein Menthol mehr, das ist auch gerade verboten worden. Sie trinkt zum Mittag ein Glas Sprite. Weniger Zucker als früher, den hat der Hersteller auf politischen Druck reduziert. Zwischendurch checkt sie Twitter auf ihrem Handy. Ein paar Posts kann sie nicht lesen, die sind in Deutschland ausgeblendet. Zu Hause steht später das Staubsaugen an. Das neue Gerät hat eine gedrosselte Saugleistung, wegen der EU-Ökodesign-Richtlinie. Als sie zu Bett geht, fragt sie sich: Was wird wohl morgen noch alles eingeschränkt werden?

Von früh bis spät sind wir in unserem Alltag von obrigkeitlichen Einmischungen in unsere persönliche Lebensführung betroffen. Zunehmend wird bis ins kleinste Detail geregelt, was früher nie als Frage der Politik galt oder doch wenigstens der eigenen Entscheidung überlassen blieb.

Das betrifft Konsumentscheidungen generell; so hat sich die Bundesregierung vor einigen Jahren vom Ideal des „mündigen Verbrauchers“ verabschiedet und ihm den „realen Verbraucher“ gegenübergestellt. Dieser „reale“ Verbraucher sei irrational, gefühlsgesteuert und kenne seine langfristigen Interessen nicht. Daher soll ihm staatliche Politik den Weg weisen. Die nimmt für sich in Anspruch, die Bedürfnisse des Einzelnen besser zu kennen und zu befriedigen als dieser selbst, verfolgt aber doch nur ihre eigene Agenda.

Die unabhängig von Inhalten in jedem Falle darin besteht, mehr Kontrolle und Macht über das persönliche Leben der Menschen zu erlangen. „Die heutige Verbraucherpolitik stellt ganz grundsätzlich unsere Fähigkeit infrage, autonom und frei handeln zu können. Gegen diesen bevormundenden Geist gilt es, Widerstand zu leisten.“ Ob es für jemanden gut ist, zwei Gläser Cola zu trinken, kann kein Politiker, Bürokrat oder ein diese beeinflussender Lobbyist beurteilen. Er unterliegt lediglich der Versuchung, seine Anschauung oder Absicht allen anderen oktroyieren zu wollen.

Und es beschränkt sich nicht auf Verbraucherentscheidungen im engeren Sinne. Wer als Konsument unmündig sein soll, der wird auch als Staatsbürger nicht für voll genommen. Er soll durch Einschränkungen (etwa der statthaften Inhalte in den sozialen Medien) genauso vor „falschen“ politischen Meinungen geschützt werden wie durch andere Maßnahmen vor „falscher“ Ernährung. Das hängt eng zusammen. Ein Staat aber, der von oben den Mündeln das „Richtige“ diktiert, steht offenbar zur Freiheit als auch zur Demokratie in einem Spannungsverhältnis.

Freiheitsrechte beinhalten notwendigerweise, dass verschiedene Menschen unterschiedliche Entscheidungen treffen können und dürfen. Religionsfreiheit bedeutet, dass man Hindu, Alewit oder evangelikal werden kann – und auch, überhaupt keiner Glaubensgemeinschaft angehören zu müssen. Vereinigungsfreiheit bedeutet, sich dieser oder jener Organisation anschließen beziehungsweise sie gründen zu können – und auch, überhaupt keiner beitreten zu müssen. Versammlungsfreiheit bedeutet, an einer Demo oder ihrer Gegendemo teilnehmen zu können – und auch, sich stattdessen lieber auf die Terrasse zu setzen. Da darf nicht für weite Teile des persönlichen Lifestyles anderes gelten: Es muss genauso Teil der eigenen Entscheidungsfreiheit sein, ob man Fleisch isst oder nicht, ob man raucht oder nicht, ob man Auto fährt oder nicht, ob man Schnaps trinkt oder nicht, oder ob man im Onlinecasino eine Runde zockt. Schließlich lebt das Gemeinwesen von der Toleranz. Und diese Toleranz darf nicht nur gegenüber Gruppen gelten, deren Interessen gerade in Mode sind und die sich der Unterstützung des Mainstreams gewiss sein können, sondern für alle Menschen und alle Lebensstile.

"Reiten im Walde"

Nun mag man geneigt sein, über diese oder jene Kleinigkeit hinwegzuschauen, die die eigene Wahlfreiheit einschränkt. Manches sei doch arg banal und kein Grund, sich aufzuregen. Irrtum: Freiheit ist niemals banal. Im Zweifelsfall ist auch für scheinbare Kleinigkeiten zu streiten. So war etwa auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass auch das „Reiten im Walde“ vom Schutzbereich des Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit erfasst ist, notwendig. Wo immer die Handlungsfreiheit eingeschränkt wird, ist zu klären, ob diese Einschränkung zu rechtfertigen ist. Und gerade Freiheiten, die einen auf Schritt und Tritt im Alltag begleiten, spielen eine große Rolle. Gegessen wird häufiger als demonstriert. (1)

Exemplarisch seien ein paar Einschränkungen genannt, die in den letzten Jahren Spielräume verkleinert haben:

  • Der Glücksspielstaatsvertrag der Bundesländer beinhaltet unter anderem die willkürliche Schließung diverser Spielhallen und den Versuch, Online-Glücksspiel zu illegalisieren. (siehe hier und hier)
  • Die überarbeitete Tabakproduktrichtlinie der EU (TPD 2) bringt zum Beispiel die Ekelbilder und ab Mai 2020 das Verbot von Mentholzigaretten mit sich. (siehe hier und hier)
  • Auf politischen Druck hin sind Plastiktüten im Supermarkt nicht mehr kostenlos. Unter dem Deckmantel der Müllvermeidung findet „kaum mehr als ein schlecht verhüllter Angriff auf den Konsum und die angeblich so schmutzigen Gewohnheiten der Massen“ statt.
  • Die Inhalte dieser Tüten bleiben von politischer Einmischung nicht unberührt: Auf Bundesebene drängt die Ernährungspolitik auf eine „Reformulierung“ von Lebensmitteln mit dem Ziel, ihren Fett-, Salz- und Zuckergehalt zu reduzieren. Das führt in vorauseilendem Gehorsam der Hersteller zu veränderten Rezepturen bei Nahrungsmitteln.

Und damit nicht genug. Dahinter stehen Agenden mit einer eigenen Eskalationsdynamik. Oft vermischen sich bei diesen Agenden politische und wirtschaftliche Interessen, zum Beispiel beim Tabak (siehe unten) oder beim Glücksspiel, wo nicht nur individuelles Verhalten kanalisiert werden soll, sondern die Bundesländer als Betreiber von Lotterien und Spielcasinos lästige Konkurrenz gängeln möchten. Behörden und Verbände wollen ihre Relevanz erhöhen und Regulierungserfolge für sich verbuchen. Jeder Schritt in der Bekämpfung eines einschlägigen Verhaltens zieht den nächsten Schritt nach sich. Wenn sich ein Verbot oder eine Steuererhöhung eingebürgert hat und sich dagegen kein lautstarker Protest formiert, betrachten die Lobbyisten, Bürokraten, Politiker und Medienleute das als Einladung, immer weiter zu gehen.

Letzten Sommer hat der Bundestag ein quasi totales Tabakwerbeverbot verabschiedet, obwohl die Reklame für diese Waren schon lange sehr stark eingeschränkt ist. Rauchen will man künftig zudem bestrafen, wenn es im Auto in Gegenwart von Minderjährigen erfolgt. Damit nähert man sich dem gesetzlichen Rauchverbot in Privatwohnungen.

Steuern belegen legale Handlungen mit Bußgeldern

Auf der Ebene der „Sündensteuern“ droht nicht nur eine neuerliche Kaskade von Tabaksteuererhöhungen, es werden auch höhere Steuern auf andere Produkte verlangt: auf Alkohol (Forderung der Grünen), auf Fleisch (Forderung unter anderem von Greenpeace und der CDU-Landwirtschaftsministerin Niedersachsens) (2) und auf Zucker (Forderung unter anderem von Gesundheitsorganisationen wie dem Marburger Bund). Natürlich kommt stets das Argument, hier werde doch nichts verboten. Doch Steuern unterscheiden sich von Verboten dadurch, dass bereits die legale Handlung bestraft wird, indem man sie gewissermaßen mit einem Bußgeld belegt. Als indirekte Steuern, die unabhängig von der Einnahmesituation des Steuerzahlers erhoben werden, belasten sie zudem finanziell Schwächere stärker.

Daneben steht den Volkserziehern eine weitere, ebenfalls mächtige Waffe zur Verfügung: Indoktrination und Propaganda. Diese vollzieht sich in Bildungseinrichtungen vom Kindergarten aufwärts, in Massenmedien und wird dann zum Selbstläufer im privaten Kreis. Vorstellungen von angeblich „gesundem“ und „ungesundem“ Essen, von Umwelt- und „Klimaschädlichkeit“ rühren ebenso zu einem großen Teil daher wie Vorbehalte gegen Industrieproduktion, Tabakkonsum oder abweichend denkende „Leugner“. Woran sich die Jüngeren nicht mehr erinnern können: Es gab einmal Zeiten, in denen Lehrer und Mainstream-Redakteure ihre Aufgabe zumeist nicht darin sahen, sich so tief ins Privatleben der Menschen einzumischen und nur die eine vorherrschende Meinung zuzulassen.

Heute hingegen wird der flexibel sich willkürlichen Anordnungen fügende Mensch gewünscht. Seine Bedürfnisse sollen sich vorherrschenden Trends und politischen Transformationszielen (Energiewende, Agrarwende, Verkehrswende, …) anpassen. Da materielle Verbesserungen und größerer Wohlstand für die Massen nicht mehr als Ziele vorgesehen sind, soll er sich in Askese und Abstinenz üben und Einschränkungen seiner Lebensgewohnheiten als Bereicherung erfahren.

Das Böse und die Sucht

Die Bekämpfung von Lebensgewohnheiten der Bürger geht mit einer Remoralisierung einher. Aus Genüssen werden Laster. (3) Ein Laster ist dem „Lexikon der christlichen Moral“ in seiner 2. Auflage von 1976 zufolge „das zur Gewohnheit gewordene Böse“. Allerdings ist das Wort „Gewohnheit“ out und einem inflationären Gebrauch des Begriffes „Sucht“ gewichen. Das Rauchen zum Beispiel war bis in die 1980er Jahre hinein eine Angewohnheit, dann wurde es zur Sucht umdefiniert. (4) 2001 wurde die „Spielsucht“ in Deutschland offiziell zur Krankheit erklärt. Aktuell ist oft von der „Zuckersucht“ die Rede. „Kinder werden sehr früh, wenn man so will, vom Zucker abhängig gemacht“, erklärte etwa der unvermeidliche Volksgesundheitsguru der SPD, Karl Lauterbach. Und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2018 die „Sucht nach Onlinespielen“ in ihren Krankheitenkatalog aufgenommen.

Was ist das Praktische am Suchtbegriff? Einerseits erklärt er Menschen zu fremdgesteuerten Wesen, denen die Mündigkeit abgehe und über deren Willen man sich daher hinwegsetzen könne und müsse, um ihnen zu helfen. Als Wesen, die man also ohne Rücksichtnahme bevormunden kann. Andererseits stempelt er sie als behandlungsbedürftig ab. Das eröffnet Raum für Therapien, deren Anbieter dann finanziell profitieren. Menschen werden also gleichermaßen der Regulierung wie der Pathologisierung unterworfen. Denn das muss klar sein: Wer Genuss reguliert, der regelt nicht die Höhe einer Bordsteinkante oder die Maße einer Steckdose, sondern der kanalisiert den Menschen, der zwängt ihn ein. Vollkorn- statt Weißmehl, Psychopharmaka statt Zigaretten und anstelle von Wein Mineralwasser.

Schluss mit dem „zur Sucht gewordenen Bösen“, ruft man, und wer das „Böse“ bekämpft, muss doch wohl „gut“ sein. Auch wenn uns der Blick in die Menschheitsgeschichte da eines Besseren belehren sollte. Kritiker könnten einwenden, die schlimmste Sucht sei die Herrschsucht. Und an der mangelt es keineswegs bei der WHO, bei der EU, bei Staatsbehörden, bei bestimmten Medizinerverbänden und anderen Vereinigungen (in Deutschland zum Beispiel Foodwatch oder Pro Rauchfrei), die den Stab über den Genuss brechen. Wenn dem Rauchen, dem Trinken, dem schmackhaften Essen und weiteren Freuden der Krieg erklärt wird, kommt das meist nicht aus der Mitte der Gesellschaft, sondern von oben.

Die Rahmenvereinbarung gegen den Tabak (FCTC) seitens der WHO, deren Vorgehen gegen so genanntes „Übergewicht“ und die darauf basierenden EU-Strategien geben ein beredtes Beispiel für einen ganz allgemein zu verzeichnenden Prozess, Leitlinien der Politik von der Ebene halbwegs freiheitlich-demokratischer Nationalstaaten in intransparente Zirkel auf supra- und internationale Ebene zu verlagern. Dort geben sich öffentlich und privat finanzierte Lobbyorganisationen die Klinke in die Hand und hecken zusammen mit der Bürokratie diverse Maßnahmen aus. So lässt sich die politische Debatte innerhalb der nationalstaatlichen Arenen teilweise umgehen und mancher Vorschlag durchsetzen, auf den man vor Ort gar nicht gekommen wäre.

Kampf gegen das Recht auf ein vorgeblich ungesundes Leben

Wovon sind diejenigen, die anderen gerne unterstellen, an einer Abhängigkeit zu leiden, eigentlich selbst abhängig? Bei der Weltgesundheitsorganisation zum Beispiel sind dies Bill Gates, übrigens ein notorischer Anti-Raucher – mit den Mitteln seiner Stiftung quasi der größte WHO-Einzelaktionär –, sowie besonders prohibitionistisch eingestellte Regierungen und Pharmakonzerne. Die, die „ihre Marketingstrategien mit der WHO gemeinsam durchsetzen“, wie der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wodarg kritisierte. Das erklärt auch, warum die WHO ihren Fokus auf Lifestyle-Themen verlegt hat und ihr früheres Kerngeschäft der übertragbaren Krankheiten vernachlässigt – außer bei der Schweinegrippe, wo Milliarden an Steuergeldern für die Beschaffung des Impfstoffes verschleudert wurden. Die Ebola-Seuche 2014 musste hinter der Bekämpfung der E-Zigarette zurückstehen (siehe hier und hier), und aktuell lässt sich der WHO vorwerfen, für die Corona-Pandemie keine Vorkehrungen getroffen und sie lange heruntergespielt zu haben.

Stattdessen nutzte die Organisation die Pandemie, um ernsthaft die Einschränkung der Verfügbarkeit von Alkohol zu fordern. Und behauptete, Rauchen sei ein Risikofaktor für eine Corona-Erkrankung, obwohl schon im ersten Quartal 2019 die Studienlage das exakte Gegenteil auswies. Sie kommt damit aber zu einem gewissen Grad durch, da jahrzehntelanges einschlägiges Framing viele Menschen dazu konditioniert hat, in Rauchern generell eine Risikogruppe zu sehen, egal für welche Krankheit.

Als Mittel zu diesem Zweck fungiert eine große Anzahl von Studien, die das angesprochene „Böse“ herausarbeiten sollen. „Böse“ ist ein Genuss, dem idealerweise erstens eine Selbstschädigung, zweitens eine Fremdschädigung sowie drittens enorme volkswirtschaftliche Kosten in die Schuhe geschoben werden können. Das lässt sich bei fast allem irgendwie konstruieren. So verschleiert man die Interessen der Genussfeinde und versucht, die Abneigung, die man Dicken, Fleischessern, Rauchern und so weiter entgegenbringt, zu rationalisieren. Denn solche Studien werden häufig nicht aus Erkenntnisinteresse und mit wissenschaftlicher Objektivität erstellt, vielmehr steht das Ziel schon von vornherein fest. Beim Anti-Tabak ist das Standard – siehe etwa die moderne Mär vom „Passivrauchen“, aber auch auf anderen Gebieten wird Forschung zu häufig von Aktivismus und Lobbyismus geprägt.

Dieses Denken ist inzwischen so zum Gemeingut geworden, dass immer weniger Menschen hinterfragen, warum um alles in der Welt die Raucher und die Dicken unbedingt bekämpft werden müssen und am besten vom Antlitz der Erde verschwinden sollen (und dabei Kollateralschäden für Nichtraucher und Nichtdicke in Kauf genommen werden). Der Kampf gegen das Recht auf ein vorgeblich ungesundes Leben gilt mittlerweile als selbstverständliches Gebot, sowohl für öffentliches Handeln als auch in der privaten Lebensführung. Letzteres beinhaltet sowohl Druck von Mitmenschen als auch Selbstbeschränkung. Denn zu diesem Neopuritanismus gehört, ein schlechtes Gewissen zu entwickeln.

Fast Food gegessen, gestern wieder viel getrunken – wenn man das schon macht, dann gefälligst mit Scham. So wehrt sich dann keiner, wenn Maßnahmen getroffen werden, die sich gegen das vermeintlich „Schwache“ „Süchtige“ und „Böse“ in einem selbst richten. Das gehört nämlich seit jeher zu den Erfolgen der Askeseapostel: Abstinenz als Stärke darzustellen und Genuss als „Schwäche“ – dabei sind die Fähigkeit zum Genießen und die Souveränität, über die eigenen Genüsse selbst zu entscheiden, doch die besseren Garanten für ein zufriedenes Leben als Freudlosigkeit, Griesgrämigkeit und der Hass auf Mitmenschen, die sich mehr Genuss zugestehen als man sich selbst.

Die Genussbeschränkung behindert die Selbstentfaltung des Individuums

Wo führt uns das alles hin? Zu schlechteren Produkten – reformulierten Nahrungsmitteln –, teureren Produkten – sündensteuerbeladenen Tabakwaren, mit Zucker- und Fleischsteuer in Sicht –, und generell einem Weniger – weniger Salz, weniger Fett, weniger Alkohol und so weiter – statt zum Mehr an Genuss, der erhältlich ist und den man sich leisten kann. Ähnliches sehen wir bei Strom, Autofahren und so weiter. Überall soll es ein bisschen weniger sein. Ein Mehr gibt es nur bei den „Therapien“: Pillen, Kurse, Präventionspropaganda – samt den dafür zu tätigenden Ausgaben selbstverständlich.

Die Genussbeschränkung behindert die Selbstentfaltung des Individuums und damit seine Möglichkeit, sein volles Potenzial auszuschöpfen. Das wiederum beeinträchtigt die Gesellschaft als Ganzes. Man kann nicht die Bevölkerungsmehrheit – und darum geht es bei Essgewohnheiten, Körpergewicht, Rauch- und Trinkverhalten zusammengenommen – immer weiter schikanieren, ohne negative Auswirkungen auf das Zusammenleben zu ernten, bei seelischer Gesundheit, Harmonie, Arbeitsproduktivität, Zufriedenheit.

Virus der Bevormundung

Nicht nur die Freiheit bleibt dabei auf der Strecke, auch die Demokratie, wenn von oben diktiert wird, wie die Menschen persönlich und privat zu leben haben, statt umgekehrt von unten zu bestimmen, wie Volksvertreter und Staatsdiener öffentlich zu handeln haben. Anstatt über den Menschen und seine Angewohnheiten herrschen zu wollen, sollte einigen Entscheidungsträgern begreiflich gemacht werden, dass sie dem Menschen zu dienen haben und damit auch seinem Genuss und individuellen Lebensstil.

Abschließend sei angemerkt, dass die Corona-Regulierung mit ihren Notverordnungen und der Grundrechtseinschränkungen in dieser Form kaum hätte kommen können, wären die Menschen nicht langsam durch eine Politik der Entmündigung an einen Zustand herangeführt worden, in dem sie sehr weitgehende Einschränkungen des Alltagslebens klaglos hinnehmen und als alternativlose Sachzwänge betrachten. Verzichtspredigten im Namen der „Gesundheit“ haben sich längst etabliert. „Die da oben“ mitsamt ihren Experten werden es doch wohl nur gut meinen, und da die Mitmenschen sich nicht alle freiwillig unterwerfen, darf die Knute geschwungen werden, nur zu deren vermeintlich Bestem.

Konnte man sich vor 20 Jahren kaum vorstellen, dass Schulen die Pausenbrotbehälter der Schüler auf unbotmäßiges Essen kontrollieren oder dass ein Rauchverbot für Kneipen Gesetz wird, haben sich die meisten an derlei paternalistische Gängelung so gewöhnt, dass totale Corona-Verbote kaum auffallen. Am Ende führt man kein Leben mehr, sondern wird nur noch geführt.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Novo-Argumente.

 

Anmerkungen

(1) Nicht diese Freiheiten sind banal, umgekehrt wird ein Schuh draus: Eine Politik, die ihren Fokus zunehmend auf private Details lenkt statt auf die großen öffentlichen Fragen, banalisiert sich selbst.

(2) „Mehrheit für Steuern auf Fleisch“, fleischwirtschaft.de, 20.01.2020, Stefan Rothe: „Otte-Kinast verteidigt auf Volksbank-Podium in Stadthagen die Fleischsteuer“, Schaumburger Nachrichten online, 27.01.2020. Siehe auch Norbert Lehmann: „Borchert-Kommission erwägt offenbar Fleischsteuer“, agrarheute, 06.02.2020.

(3) Teile der folgenden Ausführungen entstammen einem Vortrag des Autors: „Laster am Pranger“, Novo-Veranstaltung „Der Genuss und seine Feinde“, Novo, Berlin 03.12.2018.

(4) Hasso Spode: „‚Denn sie bereiteten selbst durch Missetat ihr Verderben‘“ in: Christoph Lövenich / Johannes Richardt (Hg.): „Genießen verboten. Über die Regulierung der kleinen Freuden des Lebens“, Novo Argumente Verlag 2018.

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Leserpost

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Reiner Gerlach / 11.05.2021

Genau das war das Thema am vergangenen Sonntag am Mittagstisch. Früher stand entweder gar nix gr0ß auf den Verpackungen oder es wurde hervorgehoben, was da so Besonderes drin ist. Heute auf jeder Tüte/Flasche/Dose nur noch mindestens dreimal “ohne”: ohne Zucker, Farbstoffe, Geschmacksverstärker und was ganz besonders wichtig ist “ohne gentechnisch veränderte Zutaten. Das ist wichtig, über all und immer wieder - außer bei Corona-Impfstoffen. Da isses dann egal, was grad zusammengerührt wurde und was alles genetisch verändert wurde.

Hans-Peter Dollhopf / 11.05.2021

Dr. Giesemanns Erinnerung an den Matthias Rust, der am 28. Mai 1987 mit seinem Raumgleiter Буран Richtung Roter Platz abbog, 397 Tage nach der Taufe aller Himmel aus einem Reaktor in den Weiten der Ukraine. Dem Sturz durch die Atmosphäre am 23. März 2001, 16269 Tage nach der Landung Viktor Belenkos ... “über den Wolken”

Roland Stolla-Besta / 11.05.2021

In meinen wild-bewegten 68er Jahren lasen wir im Club Voltaire mit Andacht Lenins Pamphlet „Über die Heranerziehung der Massen zur Leitung des Staates“. Im übrigen forderte seine Heiligkeit darin sinngemäß, daß jede Putzfrau in die Fähigkeit versetzt werden soll, den Staat zu lenken. Und jetzt haben wir seit etlichen Jahren den Salat! Die Grünen haben sich von diesem Meisterwerk politischer Literatur wohl inspirieren lassen zu einer Überarbeitung: „Über die Heranerziehung der Massen zur Akzeptanz des grün-edlen Staates“. @ Walter Weimar Ihr Bonmot vom Klopapier hat mich begeistert, muß ich mir merken! Wobei mich die „Dichter der Arschlöcher“ zu der Frage inspiriert: „Sind die Arschlöcher denn noch ganz dicht?“

Marcel Seiler / 11.05.2021

Volle Zustimmung. AUSSER, dass ich die Regeln, die das öffentliche Rauchen sowie das halböffentliche Rauchen in Kneipen und Restaurants einschränken/verbieten, wirklich begrüße: statt Freiheit zum Rauchen habe ich jetzt endlich Freiheit von Rauch. Aber sonst: volle Zustimmung.

Walter Weimar / 11.05.2021

Klopapier muß unbedingt staatlich zugeteilt werden. Wir sind schließlich das Land mit der größten Dichte an Arschlöchern.

g.schilling / 11.05.2021

@ Wolf Hagen: “irgendwer, aus der bürgerlichen Mitte in Deutschland putscht” Wer sollte das sein? Es gibt Länder, da übernimmt das das Militär. In Deppiland wäre noch nicht einmal die Bundeswehr dazu in der Lage einen Putsch zu organisieren, weil die Fahr-, Flugzeuge nicht fahren bzw. fliegen. Man müsste mit der DB fahren, die aber auch nicht richtig läuft. Das Positive an der DB ist,  dass es keine Bahnsteigkartenpflicht mehr gibt.

Lutz Herrmann / 11.05.2021

Das ist die Psychopathologie des Aktivisten. Verbiete es dem gemeinen Volk, genieße es selbst. Einen größeren Herrschaftsbeweis gibt es nicht. Muss man sich nur die Lebensgewohnheiten der Grünen auf’m flachen Land anschauen. Einfamilienhaus, zwei SUV in der Einfahrt und jährlich Urlaub mit’m Flieger. Aber verbieten wollen ...

Thomas Taterka / 11.05.2021

” Freies Leben ” wird irgendwann, dank der 150%igen, so sein wie im Heim , bloß früher und überall. Geistlos korrekt zur Strecke gebracht. Vielleicht steht’s noch über dem Kamin , unter dem Elchgeweih. Ab und zu wird noch davon erzählt , aber verstehen tut’s keiner mehr. Ist viel zu lange her. - Glauben Sie nicht ? Dann stellen Sie sich doch vor, wie die jetzige Gegenwart in 30 Jahren von Dichtern erzählt werden wird , wenn alle politischen Verbotswünsche Wirklichkeit geworden sind. Wovon soll da noch erzählt werden? Von der perfekten Welt und den Abenteuern der Menschen in ihren endgültigen Grenzen ?   

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