Das ARD-Skandalinterview mit Alice Weidel offenbart eine unfähige ARD und deren Helfershelfer: Es handelt sich weniger um politischen Widerstand als um einen Akt der narzisstischen Selbstüberhöhung. Der Gegner wird dämonisiert, um das eigene Handeln heroisieren zu können.
Folgenden Satz muss man voranstellen: Wie der Kampf gegen die AfD im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Bedingungen schafft, mit denen die Demokratie beschädigt wird. Das ARD-Interview mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel am 20. Juli 2025 dürfte als Tiefpunkt des demokratischen Diskurses in Deutschland in Erinnerung bleiben. Nicht wegen der inhaltlichen Aussagen der Politikerin, sondern aufgrund der massiven Störungen durch Demonstranten, die das Interview großenteils nahezu unverständlich machten. Die ARD sendete das Gespräch trotzdem, obwohl es aufgrund der akustischen Störungen kaum zumutbar war. Dieser Vorfall hinterlässt erneut grundsätzliche Zweifel am Zustand der Debattenkultur. Es ist nicht mehr auszublenden, dass die Verantwortung öffentlich-rechtlicher Medien und der Umgang mit der größten Oppositionspartei im Land zu den wirklich dringendsten medienpolitischen Fragen geworden sind.
Demokratischer Umgang oder Demontage?
Dass Protest gegen die AfD erlaubt und notwendig ist, gehört zu den Grundrechten in einer Demokratie. Problematisch wird es jedoch, wenn Proteste nicht mehr Teil der pluralistischen Auseinandersetzung sind, sondern deren Zerstörung betreiben. Wer ein Interview der Oppositionsführerin durch Geschrei, Lautstärke und plumpe „Scheiß AfD“-Gesänge gezielt verunmöglicht, trägt nicht zu einer offenen Debatte bei, sondern sabotiert sie. Ein solches Verhalten bestätigt vielmehr das Opfer-Narrativ der AfD, das sie seit Jahren erfolgreich instrumentalisiert: „Man lässt uns nicht sprechen.“
Ein funktionierender Rechtsstaat und eine professionelle öffentlich-rechtliche Anstalt hätten dem begegnen müssen. Dass es im Regierungsviertel – und somit in einem hochsensiblen Bereich staatlicher Symbolik – möglich war, ein Live-Interview durch Störungen in dieser Weise zu verhindern, ist ein Skandal. Wo waren die Sicherheitsvorkehrungen? Dass ein milliardenschwerer Sender wie die ARD keinen Plan B für den absehbaren Störfall hatte, zeugt von fehlendem Verantwortungsbewusstsein, mangelnder Weitsicht oder schlicht Inkompetenz. Aber war es vielleicht Absicht? Das ganze Setting entsprach schon einer Sonderfallbehandlung.
Solche Vorfälle beschädigen das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Professionalität öffentlich-rechtlicher Medien, die sich zunehmend dem Vorwurf ausgesetzt sehen, Teil einer politisch-ideologischen Einheitsfront gegen „rechts“ zu sein.
Wenn Verstummen mehr helfen soll als Argumente
Der mediale und politische Umgang mit der AfD zeigt seit Jahren eine paradoxe Entwicklung: Einerseits wird sie dämonisiert, aus Ämtern ausgeschlossen, Interviews wie dieses werden von Faktencheckern seziert. Andererseits stärkt genau diese Ausgrenzung ihre Position. Wer den Eindruck gewinnt, eine Partei dürfe nicht einmal mehr im öffentlichen Raum zu Wort kommen, entwickelt womöglich erst recht Sympathien für diese. Nicht weil man deren Positionen teilt, sondern weil man das Gefühl hat, der politische Wettbewerb werde durch mediale und staatliche Eingriffe verzerrt. Dem Otto-Normal-Verbraucher wurde am gestrigen Tag geradezu die Frage aufgedrängt: „Ist das noch demokratisch?“
Gerade weil sich Deutschland so häufig auf seine demokratische Reife beruft, wäre ein souveränerer, gelassenerer Umgang mit der AfD geboten. Stattdessen entsteht der Eindruck, diese Partei müsse wie ein Virus eingedämmt und moralisch desinfiziert werden. Wer jedoch eine Partei mit über 20 Prozent Wähleranteil konsequent delegitimiert, treibt deren Wähler weiter in die Radikalisierung oder in die Entfremdung vom politischen System. Vor dieser Gefahr wurde schon hinlänglich gewarnt.
Der Faktencheck-Wahn als neue Form von Vormundschaft
Interviews mit Alice Weidel werden inzwischen nicht einfach geführt und gesendet, sondern von einem Begleitinstrumentarium aus Faktencheckern, Kommentatoren und Meta-Erzählungen umstellt. Beim Interview der AfD-Vorsitzenden und Elon Musk auf X kurz vor der Bundestagswahl sollen allein 125 Faktenchecker beteiligt gewesen sein – ein absurdes Ausmaß. Dies geschieht auffällig selten bei Gesprächen mit anderen Parteien. Der Effekt: Es entsteht der Eindruck, Weidel dürfe sprechen, aber nur unter permanenter Aufsicht.
Ihre Aussagen werden sofort in Echtzeit relativiert, kontextualisiert, dekonstruiert. Als handele es sich um pures Gift für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, werden „normale“ journalistische Aufgabenstellungen hysterisiert und zu inquisitorischen Ereignissen ausgebaut. Peinliche Befragungen, bei denen allerdings die Schmerzen bei den Zuhörern und Zuschauern entstehen, nicht bei den Befragern und ihren „Begleitchören“.
Was soll dieses Framing signalisieren? Es geht weniger um Aufklärung als darum, eine politische Deutungshoheit zu sichern. Die Zuschauer sollen nicht selbst urteilen, sondern das Urteil wird ihnen gleich mitgeliefert. Dieser pädagogische Impuls offenbart ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Publikum und einen Mangel an liberalem Selbstverständnis im Umgang mit Andersdenkenden.
Gratismut und narzisstische Überhöhung: Generation Antifaschismus im Selbstauftrag
Ein bemerkenswerter Aspekt dieser Entwicklungen liegt in der Haltung jener Protestgeneration, die sich in einem vermeintlich heroischen Kampf gegen den neuen „Faschismus“ sieht. Die Störungen des Interviews zeigen exemplarisch, wie sich Teile der Gesellschaft – insbesondere jüngere, politisch aktivistische Kreise – in einem selbstgeschaffenen Mythos von Widerstand und Rettung der Demokratie eingerichtet haben. Diese Generation kennt die NS-Zeit und den Totalitarismus nur aus Erzählungen, Literatur und Filmen. Ihre Gewissheit aber, heute einem ähnlich finsteren Abgrund entgegenzuwirken, führt zu einer Überschätzung der eigenen Rolle und einer fast manischen Verteidigungshaltung.
Der Vergleich mit der historischen Realität der 1920er und 30er Jahre offenbart den Widerspruch: Die Drohkulisse, die Hitler in „Mein Kampf“ entwarf, war offen völkermörderisch, antisemitisch und auf einen totalitären Umsturz ausgerichtet. Die programmatischen Forderungen der AfD hingegen erinnern vielfach eher an die Law-and-Order-Rhetorik der CDU/CSU der 1980er und 90er Jahre. Wer daraus eine reale Wiederholung der Weimarer Verhältnisse ableitet, handelt nicht aus nüchterner Analyse, sondern aus Projektion und Wahnvorstellung. Es handelt sich weniger um politischen Widerstand als um einen Akt der narzisstischen Selbstüberhöhung: Der Gegner wird dämonisiert, um das eigene Handeln heroisieren zu können.
Der narzisstische Reflex: Wenn der Kampf um Moral die Moral untergräbt
Aus psychologischer Sicht lässt sich dieses Verhalten als narzisstische Dynamik innerhalb eines Täter-Opfer-Schemas beschreiben. Wer sich selbst als Verteidiger der „guten Sache“ imaginiert, konstruiert notwendigerweise einen übermächtigen Gegner. Die AfD dient hier als Projektionsfläche für Ängste, Schuldabwehr und das Bedürfnis nach moralischer Erhöhung. Die reale Gefährdung der Demokratie spielt dabei eine untergeordnete Rolle gegenüber dem Wunsch, sich selbst als mutigen Widerstandskämpfer zu erleben. Das muss man hier leider unterstellen.
Dieser Mechanismus ignoriert wesentliche Grundprinzipien des demokratischen Miteinanders: Dialog, Respekt, der Schutz auch unliebsamer Meinungen. Stattdessen wird das eigene Handeln mit dem Verweis auf eine angeblich höhere (moralische) Notwendigkeit gerechtfertigt – genau genommen handelt es sich um jenen ideologischen Reflex, wie er in „Mein Kampf“ zum rhetorischen Repertoire gehört. Das paradoxe Ergebnis: Um die Demokratie zu verteidigen, verletzt man ihre Grundlagen. Diese Haltung folgt nicht der Vernunft, sondern einem affektgesteuerten Selbstverteidigungsreflex, der sich durch permanente mediale Selbstbestätigung zu einem gesellschaftlichen Stereotyp verfestigt hat. Welchen Anfängen möchte man sich hier eigentlich erwehren?
Der Kampf gegen rechts als Ort der Angstkondensation
Die Proteste gegen Weidel sind nicht Ausdruck gesunder demokratischer Auseinandersetzung, sondern Symptome eines übersteigerten Abwehrmechanismus, der mit rationaler Gefahreneinschätzung wenig zu tun hat. Diese Manie wird zur gesellschaftlichen Norm erhoben: Der Kampf „gegen rechts“ dient nicht mehr primär der inhaltlichen Auseinandersetzung, sondern der Stabilisierung der eigenen Identität. Die AfD ist dabei nur der Kristallisationspunkt einer tiefer liegenden Angststörung, an der sich eine ganze politische Haltung entzündet.
Die fatale Konsequenz: Der demokratische Diskurs wird nicht gegen seine Feinde verteidigt, sondern durch jene beschädigt, die sich als seine letzten Verteidiger verstehen. Was als antifaschistische Notwehr inszeniert wird, ist in Wahrheit eher gratismutiger Furor, gespeist aus narzisstischem Bedürfnis nach Bedeutung, weniger aus demokratischer Verantwortung.
Damit wird der eigentliche Schaden nicht durch das Objekt des Protestes verursacht, sondern durch die hysterisierte Reaktion darauf. Der demokratische Staat wirkt zunehmend wie ein Patient, der sich im Spiegelbild seines vermeintlichen Gegners selbst bekämpft und dabei seine liberalen Prinzipien demontiert.
Fabian Nicolay ist Gesellschafter und Herausgeber von Achgut.com.

Sehr geehrter Herr Nicolay, Sie schrieben: „Dass Protest gegen die AfD erlaubt und notwendig ist, gehört zu den Grundrechten in einer Demokratie.“ Sie verkennen den Punkt. Niemand hat ein Problem damit, wenn gegen eine Partei protestiert wird. Anders sieht es aus, wenn dieser Protest gegen die einzige Oppositionspartei von der Regierung bestellt, bezahlt und auch orchestriert wird. Desweiteren schrieben Sie: „Ein solches Verhalten bestätigt vielmehr das Opfer-Narrativ der AfD, das sie seit Jahren erfolgreich instrumentalisiert: „Man lässt uns nicht sprechen.““ Sorry, wenn man eine einfache und wirklich üble Tatsache, als „Opfer-Narrativ“ verharmlost/verniedlicht, muss ich Sie ehrlich fragen, ob Sie die letzten 20 Jahre unter einem Stein gelebt, oder die morgendlichen Medikamentenausgabe geschwänzt haben.
@Rolf Stußdorf: Na klar, das Opfer ist selbst schuld. So geht "unsereDemokratie".
„Shice ARD, shice ARD. Shice ARD, shice ARD.“, das geht gar nicht! - Die auf diese Weise Unruhe stiftenden Staatsknete-NGO-MitarbeiterInnen sind innerhalb von Minuten festgenommen und abgeführt worden. Hausdurchsuchungen folgten. Dabei war alles nur Missverständnis gewesen, frühzeitig verursacht durch die shice Autovervollständigen-Funktion auf dem Handy eines ranghohen Handlungsanweisenden. Randnotiz: Die choralen Gesänge kamen natürlich vom Band bzw. von einer Audiodatei. Immerhin originell.
Das Niederbrüllen des politischen Gegners hat eine lange Tradition; es wurde ganz normal an den dt. Unis schon in den Siebziger Jahren ausgeübt. Im Namen von Demokratie, Gleichberechtigung, Redefreiheit.
Und wieder einmal befestigt die Achse die Narrative, welche sie zu kritisieren vorgibt. Alles ausgehend von der weltfremden Idee, die ARD sei im Grundsatz ein neutrale und unabhängige Einrichtung, wovon uns dann die Aufnahme präsentiert wird, als Beweis für die Annahme. Dabei stinkt die Aktion nach Widersprüchen. Auf die Idee, dass das Ganze ein inszeniertes, sogar organisiertes Theater war, um zu Demoralisieren und einen Volkszorn vorzutäuschen, sauber abgemischt in Tonstudio, vermutlich bezahlt aus den Kassen der ARD,, diese Schlussfolgerung zieht der Autor dann doch nicht.
Da hat die ARD doch wieder paar Dummköpfe und Schreihälse gefunden, die ihren geistigen Dünnpfiff für paar Euros herausgebrüllt haben. Vielleicht sogar mit Unterstützung von Audio-Experten der ARD für die Tontechnik. Und wo war eigentlich diese großartige deutsche Polizei?
@Rudi Hoffmann "Hat Frau Weidel keine Medienberater , dass sie sowas mitmacht ? Hört Frau Weidel nicht auf die ? Oder hat sie die Falschen ? Blamabel , auch für Frau Weidel !" Ist das schon Meinung oder noch örr Propaganda? Wenn Ihnen öffentlich 20 Leute die Schnute verschlagen, ist das dann peinlich für Sie? Eigentlich nicht, Sie hätten es sich verdient.