Marie Wiesner, Gastautorin / 10.10.2024 / 06:15 / Foto: imago / 74 / Seite ausdrucken

Alice und Sahra, lechts und rinks

Von Andrea de Martino und Marie Wiesner.

Das TV-Duell von Alice Weidel und Sahra Wagenknecht zeugte von der Schwierigkeit des BSW, sich von der AfD zu distanzieren, obwohl man sich in vielem durchaus nahe ist.

Gestern verbrachten wir den Abend vor dem  Fernseher und schauten das TV-Duell bei Die Welt zwischen Sahra Wagenknecht und Alice Weidel. Mit Wein und Snacks machten wir es uns auf der Couch bequem, während wir zusahen, wie sich unsere Geschlechtsgenossen stritten. Wer braucht schon Germanys Next Topmodel oder Netflix, wenn frau auch so gut unterhalten werden kann?

Das Gespräch war in verschiedene Bereiche unterteilt – wobei die beiden Politikerinnen gerne über andere Themen gesprochen hätten als der Moderator. Doch dazu später mehr.

Am Anfang ging es erst mal um die wirtschaftspolitischen Standpunkte beider Frauen. In diesem Bereich hatten die beiden die größten offenkundigen Differenzen – zu denen beide auch bereit waren zu stehen. Allerdings ist an dieser Stelle zu vermerken, dass Wagenknecht im Gegensatz zu Weidel den Sozialstaat weiter ausbauen wollte, um beinahe im gleichen Atemzug zu behaupten: „Ich bin keine Kommunistin!“

Sie sprach sich für einen starken Investitionsstaat, aber gleichzeitig gegen Staatsverschuldung aus. Ist das nicht ein Widerspruch? Falls die Keynesianer jetzt entgegnen, dass es ja sinnvolle Investitionen gäbe, bleibt dennoch die Frage: Ist ein Staat wirklich geeignet, langfristig und effektiv zu planen? Zu Wagenknechts Ehrenrettung muss man allerdings klarstellen, dass Weidel, wenn auch zurückhaltend, ihr zustimmte. Sie sprach von „langfristigen Investitionen“. Allerdings ohne zu erklären, was das genau bedeutet.

Nächstes Thema waren die Kriege in Israel und der Ukraine. In dieser Hinsicht waren sich beide Damen ungewollt einig. Beide Politikerinnen plädierten für einen Verhandlungsfrieden. Weidel war der Ansicht, dass Deutschland die Möglichkeit eines Vermittlers im Ukraine-Konflikt zeitlich verspielt hatte. Im Hinblick auf den Nahostkrieg sprach sich Sahra Wagenknecht für ein Waffenembargo aus, da Israel so am schnellsten verhandeln müsste. Weidel plädierte für das Recht auf Selbstverteidigung – allerdings ohne Waffen aus Deutschland. Eigentlich hatten beide die gleichen Postionen, obwohl vor allem Wagenknecht diese Ähnlichkeit nicht gefiel und sie ständig bemüht war, sich von Alice Weidel zu distanzieren.

Eigentlich wären AfD und BSW sich gar nicht so uneinig

Da sowohl Wagenknecht als auch Weidel nicht gewillt waren, Putin als Massenmörder anzuprangern, unterstellte der Moderator ihnen Putin- und Russlandfreundlichkeit. Wäre ich Feministin, würde ich ihm Mansplaining vorwerfen. Jedenfalls sah sich der gute Mann zu einem Themenwechsel inspiriert. Er fragte, welchen US-Präsidenschaftskandiaten sie bevorzugen würden. Weidel wäre eher Team Trump, während Wagenknecht weder Trump noch Harris favorisieren würde.

Trotzdem war das Ursprungsthema noch nicht vom Tisch. Weidel unterbrach den Moderator, indem sie erfolgreiche historische Beispiele für Verhandlungen aufzählte, wie zum Beispiel Helmut Kohl mit Gorbatschow, und – das war der lustigste Schachzug – sie band Wagenknecht in ihren Standpunkt mit ein. Wagenknechts Gesichtsausdruck sprach Bände, Begeisterung sieht anders aus.

Kommen wir nun zum unterhaltsamsten Part der Debatte. Dem Teil, in dem es um Remigration ging. Denn wie bekannt ist, wählen viele das BSW, weil diese Partei angeblich auch für eine geregelte Migration und Integration steht. Eigentlich wären AfD und BSW sich gar nicht so uneinig, wenn Wagenknecht sich nicht ständig von der AfD distanzieren würde. Sie übernimmt zwar gern deren Vorstellungen in einigen Abwandlungen, distanziert sich aber gleichzeitig und führt so ihre eigene Position ad absurdum.

Höcke-Bingo

Zwischenzeitlich änderte Wagenknecht ihre Strategie und drosch verbal auf Höcke statt auf Weidel ein, obwohl dieser gar nicht anwesend war. So häufig wie sie seinen Namen in den Mund nahm, fragten wir uns, ob sie eine heimliche Obsession mit ihm hatte? Wir entschieden uns allerdings gegen die Idee eines Höcke-Bingo-Trinkspiels – am Ende wären wir für das Schreiben dieses Artikels noch zu betrunken gewesen. Aufgrund des „Höcke-Flügels“ könne man auch nicht mehr mit der AfD zusammenarbeiten, hieß es von Wagenknecht. Nicht mehr? Pardon, wer wollte denn jemals mit der AfD zusammenarbeiten?

Auch der Seitenhieb von Weidel in Richtung Wagenknecht auf die Frage des Moderators, ob sie eigentlich neidisch auf Wagenknecht aufgrund des politischen Erfolgs ihrer jungen Partei sei, hatte etwas. Sie erklärte, dass Wagenknecht schon einen längeren Lauf hätte und sie unter anderem ja auch schon in der SED gewesen sei.

Ein bisschen entäuscht waren wir schon. Die gegenseitigen Nachfragen fehlten. Insbesondere auch deswegen, weil Alice Weidel Sahra Wagenknecht nicht direkt darauf angesprochen hatte, warum sie – wie die Altparteien – ebenfalls eine Brandmauer zur AfD errichtet.

 

Andrea de Martino, Jahrgang 1995 stammt aus Neapel und ist Molekularbiologin.

Marie Wiesner, Jahrgang 1999 stammt aus Sachsen und ist gelernte Ergotherapeutin.

Foto: Imago

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Leserpost

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GerhardKuester / 10.10.2024

Man sollte sich nichts vormachen: Die Gründung des BSW ist einer der sicher genialen Winkelzüge der - eigentlich auf dem absteigendem Ast sitzenden - LINKEN.  Mal im Ernst: Glaubt jemand, dass eine durch und durch kommunistisch “sozialisierte” Frau Wagenknecht plötzlich ihre Liebe für die Marktwirtschaft entdeckt hat? Auch die “Brandmauer” ist eines dieser genialen Winkelzüge linker Politik (auch wenn es vielleicht nicht ursprünglich von der LINKEN stammt. Oder? Das weiß ich nicht). Aber diese “Brandmauer” sorgte bisher zuverlässig dafür, dass es - auch, wo es möglich wäre - keine konservative Mehrheit geben konnte, obwohl die Wähler diese offensichtlich wollten.

B.Jacobs / 10.10.2024

Die von gekauften Finanzoligarchen gekauften Medien schäumen vor Wut, als Steigbügelhalter der Politnieten die unser Land verkaufen gegen Weidel uns Wagenknecht, die unsere Heimat auf unterschiedliche Weise retten wollen. Medien als Mitverdiener, Ulfkotte warnte schon, die selbst jetzt noch einen kriegerischen geopolitischen Konflikt mitten in D. schön reden wollen, entweder haben sie schon ein sicheres Domizil im Ausland oder jammern uns als Wendehälse die Ohren voll, das das keiner ahnen konnte. Verlierer ist immer das Volk oder es wacht auf.

Christine Holzner / 10.10.2024

Ein sehr schwacher Artikel. Und nein, lustig genug, um das durchgehen zu lassen, ist er auch nicht. Meine Damen, bleiben Sie bei Ihren Leisten, und schreiben Sie nicht. Oder besser.

Manfred Weber / 10.10.2024

Zur Sendung selbst: In weiten Teilen glich das Duell eher einem Theaterstück „Zwei gegen den Moderator“, der bereits in den Fragestellungen heftigst framte, unterstellte und diffamierte – eine unterirdische Vorstellung. Selbstverständlich wurden die Antworten ständig unterbrochen, natürlich genau immer dann, wenn es spannend wurde oder für die jetzige Regierung unangenehm zu werden drohte. Dann fühlte er sich jedesmal verpflichtet, die Aussagen selbst nachträglich „einzuordnen“, zu relativieren oder den angesprochenen Sachverhalt zu verharmlosen. Hätte man als Moderator nicht lieber einen richtigen Journalisten wählen sollen? Auf seinen ständig beigesteuerten „Haltungssenf“ hätte man jedenfalls gut verzichten können…

Karl Napp / 10.10.2024

Gelänge es Frau Dr. Weidel noch, ihr süffisantes Lächeln in den Griff zu bekommen, wirkte sie überzeugender staatsfraulich. Frau Dr. Wagenknecht hat sich diesbezüglich besser im Griff. Ansonsten: Was die Nachbetrachtung der vier „Analytikerinnen“ zum Ablauf des Ereignisses direkt danach angeht, hat das gestern auf mich wie das Geschnuddel (hessisch) von vier Kränzchendamen über eine abwesende Freundin gewirkt. Anna, Mariam, Marie und Melanie – aber bitte mit Sahne!

Ralf Pöhling / 10.10.2024

Cooles Foto. :-) Aber mal kurz zu Höcke: Worüber würden wir eigentlich andauernd diskutieren, wenn es Höcke plötzlich nicht mehr gäbe? Ohne Höcke würde über die AfD nicht im Ansatz so viel berichtet. Und da greift dann “bad news is good news”. Funktioniert so ähnlich wie bei Trump. Je kontroverser, desto mehr Airplay. Und da kommt dann wohl auch die Schauermär von den angeblich 20-30 Millionen Menschen her, die wir angeblich aus Deutschland ausweisen wollen, was organisatorisch überhaupt nicht zu stemmen ist. Was AfD und BSW betrifft: Beide sind für echten Grenzschutz und echte Grenzkontrollen. Und damit haben AfD und BSW bisher immer noch ein Alleinstellungsmerkmal. Und zwar ein essenzielles für den Erhalt Europas.

Hermann Schulte-Vennbur / 10.10.2024

Sieht man sich das ganze unter dem Gesichtspunkt an: zwei Damen bewerben sich beim Publikum… dann hat m.E. Wagenknecht besser abgeschnitten. Bei dem afghanischen Taxifahrer hätte Weidel nachfragen können, wie dessen Status war und zudem die AFD-Position klar machen müssen, dass integrierte Zuwanderer mit obendrein auch noch zwei Arbeitsplätzen keine Abschiebekandidaten sind. Dass Wagenknecht nicht darauf verzichten würde, den Oberteufel zu zitieren, war klar und darauf hätte Weidel vorbereitet sein können! Unabhängig wie das Verhältnis zwischen ihr und Höcke ist, kann man einen solchen Angriff als Parteivorsitzende nicht einfach unkommentiert lassen. Wie man derartige Angriffe abwehrt, hat Wagenknecht geschickt vorgemacht: ihre wohlwollenden Worte über Venezuela waren eben der Situation dort vor 25 Jahren geschuldet und eine verzeihbare Jugendsünde.

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