Gastautor / 08.07.2012 / 12:07 / 0 / Seite ausdrucken

Ali im Wunderland

Eran Yardeni

Liest man das Interview mit Ali Kizilkaya (Welt-online, 7.7.2012), Sprecher des Islamrats und des Koordinationsrats der deutschen Muslimdachverbände, fühlt man sich wie ein Kind in einer galoppierenden Achterbahn. Zuerst wird man schwindelig, dann verliert man völlig den Orientierungssinn, am Ende aber macht es doch Spaß. Der begabte Sprecher, der immer wieder auf das Grundgesetz pocht, wenn seiner Meinung nach die Religionsfreiheit des Islams im Namen der Aufklärung eingeschränkt und gestört wird, braucht nicht mehr als ein paar Zeilen um die Regeln der Logik zu revolutionieren.

Im Laufe des Gespräches konfrontierte der Interviewer, Till-R. Stoldt, den neuen Aristoteles des Morgenlandes mit einer unangenehmen Tatsache und zwar der, dass die Verfassungsschützer darauf verweisen, „dass einige Organisationen in den Muslim-Dachverbänden mit islamistischen Gruppen in ihren Herkunftsländern verbunden sind, die früher die jüdische Weltverschwörung oder Todesstrafen für Apostaten gepredigt haben“.

Kizilkayas Antwort schreibt ein neues Kapitel in der Geschichte der Philosophie: „Es gibt im Islam keinen Antisemitismus, denn Antisemitismus ist eine Form von Rassismus. Die Verbände stehen alle auf dem Boden des Grundgesetzes“.

Diese Antwort ist eher tragisch als lustig, aber lassen Sie uns zuerst versuchen, diesen Syllogismus zu knacken. Prämisse 1: Alle Muslimdachverbände stehen auf dem Boden des Grundgesetzes. Prämisse 2: Dar Grundgesetz lehnt Rassismus kategorisch ab. Prämisse 3: Antisemitismus ist eine Form vom Rassismus. Schlussfolgerung: Es gibt keinen Antisemitismus im Islam. Etwas stimmt hier nicht, oder? Schließlich kann man nach diesem Denkmuster auch zu dem beruhigenden Schluss kommen, dass es keine Luftfahrtunglücke mehr gibt.

Herr Kizilkaya, im Islam gibt es einen etablierten und tief verankerten Antisemitismus, der in bestimmten Kreisen zur versteinerten Religionsräson geworden ist. Besuchen Sie mal die israelische Küstenstadt Netanja, da werden Sie auf der Straße viel Französisch hören. Der Antisemitismus in Frankreich, vor allem in seiner islamischen Form, bringt allmählich die dort lebenden Juden zu dem Schluss, dass Herzl mit seinen Fantasien vielleicht doch nicht ganz falsch lag. Ich lade Sie ein, die Fußballmannschaft des Jüdischen Gymnasiums in Berlin nur einmal zum Turnier zu begleiten. Zweimal habe ich das gemacht und zweimal wurde ich von „Deutschen mit Migrationshintergrund“ als „Scheißjude!“ beschimpft. In dem ersten Fall rief fasst die ganze gegnerische Mannschaft, ca. 15 Kinder, im Chor: „Juden raus! Juden raus!“. Nur wer kulturell völlig abgeschnitten lebt, so dass er weder die Nuancen noch die Tabus der deutschen Gesellschaft kennt, kann sich eine solche rassistische Inszenierung ausdenken.

Werfen Sie ab und zu einen Blick in die Presse der islamischen Länder, Herr Kizilkaya. Die antisemitischen Karikaturen, die da zu sehen sind, übertreffen das Vorstellungsvermögen von Julius Streicher. Die Juden sind immer da, wenn die Despoten ihre eigene Bevölkerung von den echten Problemen ihres Lebens wie Armut und Analphabetismus ablenken wollen. Warum aber ist diese Bevölkerung so manipulierbar?

Der Islam ist schon lange nicht mehr nur eine Religion. Der Islam ist eine politische Erscheinung mit religiösen Motiven. Diese politische Bewegung, wie jede andere, ist nicht ganz homogen und hat auch Abspaltungen und Strömungen, das hindert sie aber nicht daran, politisch zu agieren, um ihre Werte durchzusetzen. Das ist auch ihr gutes Recht, solange sie nach den demokratischen Regeln Spielt. Wer aber seine kulturelle Landschaft nach den Leitideen des Grundgesetzes gestalten will, der soll auch Selbstkritik praktizieren.           

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