Manfred Haferburg / 12.01.2023 / 11:00 / Foto: Michielverbeek / 59 / Seite ausdrucken

AKW-Laufzeit-Verlängerung in Belgien – 10 Jahre statt dreieinhalb Monate

Belgien verzichtet auf den Atomausstieg, und in unseren Nachbarstaaten sollen bis 2035 vierzehn neue Kernkraftwerke in unmittelbarer Nachbarschaft zu Deutschland entstehen – zusätzlich zu den schon bestehenden Kernkraftwerken. Deutschland bleibt stur beim Ausstieg und vernichtet auch das gesamte Know-how.

Die Vernunft hat gesiegt, natürlich anderswo als in Deutschland. In Belgien erfolgt nun auch der Ausstieg vom Ausstieg. Die belgische Regierung hat eine Laufzeitverlängerung von zwei Kernkraftwerken um 10 Jahre beschlossen. Es handelt sich um die Reaktorblöcke Doel 4 und Tihange 3. Die Einigung sei wichtig, sagte Ministerpräsident Alexander De Croo, „weil sie dazu beiträgt, unsere Versorgungssicherheit in den nächsten Jahren zu garantieren“. Man übe künftig die Kontrolle über den in Belgien produzierten Strom aus, „und die Atomenergie ist im Allgemeinen günstiger als Gas“. Um die Kraftwerke für die Laufzeitverlängerung fitzumachen, werden sie aufwändig nachgerüstet. Der Betreiberkonzern Engie hat dafür 15 Milliarden Euro zurückgestellt. Der belgische Staat beteiligt sich zu 50 Prozent an der Betreibergesellschaft.

Damit schließt sich Belgien der Reihe der Nachbarländer Deutschlands an, denen die Versorgungssicherheit ihrer Bevölkerung mit Strom und bezahlbare Energiepreise wichtiger sind als grünideologische Technologiefeindlichkeit. 

Frankreich wird in den nächsten Jahren sechs neue Kernkraftwerke bauen, die zu den 56 schon bestehenden Reaktoren hinzukommen.

Die Niederlande planen den Bau von zwei neuen Kernkraftwerken. Um den Erhalt des Wissens zu gewährleisten, wird das alte KKW in Borssele weiterbetrieben. Dort sollen die neuen Reaktorblöcke auch entstehen.

Polen hat den Bau von drei Kernreaktoren vom Typ AP1000 beschlossen und steigt damit neu in die Kernenergie ein. Der weitere Ausbau von sechs neuen Kernreaktoren APR1400 ist in Vorbereitung. Polen will damit weg von der Kohle zur umweltfreundlichen Kernenergie kommen.

Tschechien plant den Bau von drei neuen Kernkraftwerken zu den bestehenden in Dukovany und Temelin. Damit will Tschechien unabhängiger von Kohle und Erdgas werden. Es sollen koreanische oder französische Reaktoren gebaut werden, keine chinesischen oder russischen.

Geisterfahrt der deutschen grünrotgelbschwarzen Kernenergie-Aussteiger

Weltweit sind derzeit über 50 neue Kernkraftwerke im Bau und über 100 in der Planungsphase. Ich beschränke mich bei meiner Aufzählung ausschließlich auf Nachbarländer Deutschlands. Es sollen also bis 2035 vierzehn neue Kernkraftwerke in unmittelbarer Nachbarschaft zu Deutschland entstehen – zusätzlich zu den schon bestehenden Kernkraftwerken. Alle Nachbarländer Deutschlands, außer Österreich, Luxemburg und Dänemark, setzen auf Kernenergie. 

Österreich ist in der glücklichen Lage, 60 Prozent seines Stroms aus Wasserkraft erzeugen zu können. Luxemburg importiert 80 Prozent seines Stroms, meist aus französischer Kernenergie. Dänemark erzeugt fast 50 Prozent seines Stroms aus Wind und Sonne, wenn die gerade verfügbar sind. Etwa 20 Prozent kommt aus Kohle und Erdgas und bei Flaute muss es der Import richten.

Diese Bilanz zeigt deutlich, auf welcher Geisterfahrt die deutschen grünrotgelbschwarzen Kernenergie-Aussteiger sich befinden. Am 15. April soll mit der Kernenergie in Deutschland endgültig Schluss sein. Mitten in der größten Energiekrise steigt Deutschland aus der einzigen verfügbaren CO2-freien Technologie aus, die billig und zuverlässig Strom für die größte Volkswirtschaft Europas erzeugen könnte. Nicht nur die letzten drei Kernkraftwerke werden verschrottet, sondern auch alle damit verbundenen Fähigkeiten und das dazugehörige Wissen über eine Technologie verschwinden im Abrissschutt der Kraftwerke. 

Diese Energiepolitik ist komplett irrsinnig

Diese Energiepolitik ist komplett irrsinnig. Was soll denn am 16. April dieses Jahres auf dem Strommarkt anders sein als heute? Wird in den verbleibenden drei Monaten eine bezahlbare und großtechnisch nutzbare Speichertechnologie erfunden? Haben Afrika und Norwegen in drei Monaten gigantische Energiequellen erschlossen, Wasserstoff-Erzeugungsanlagen errichtet und Transportwege nach Deutschland erschlossen? Liefern irgendwelche wohlmeinenden Länder ab 16. April 2023 Erdgas oder Wasserstoff zu Rote-Kreuz-Preisen nach Deutschland? Sind im April die Wasserstoff-Kraftwerke in Deutschland gebaut? Erfolgte bis Mitte April der versprochene Turboausbau der Erneuerbaren? Gibt es ab Mitte April 2023 ein neues Naturgesetz, das den Wind mit konstant fünf Windstärken wehen lässt?

Wenn Sie, geneigter Leser, eine dieser Fragen mit ja beantworten können, dann dürfen sie mich, den Atomfuzzi, für verrückt erklären.

Wenn nicht, dann bleibt nur eine Schlussfolgerung übrig: Die in Deutschland an der Regierung befindlichen Politiker sind von einem kollektiven Wahn befallen und schütten die alten Brunnen zu, weil sie vorhaben, neue Brunnen zu graben. Warum sie so vorgehen, darüber werden sich Historiker Gedanken machen müssen, wenn Deutschland am Ende seiner energetischen Bauchlandung in der Dritten Welt angekommen ist.

Foto: Michielverbeek CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Geert Aufderhaydn / 12.01.2023

Es bleibt dabei: die Grünen sind keine Partei, sondern eine Sekte.

T. Schneegaß / 12.01.2023

Der sächsische Pumuckel hat gemeinsam mit den anderen ostdeutschen Diktatoren Polen AUFGEFORDERT, den Bau von Atomkraftwerken zu stoppen. Die Polen sind tief beeindruckt von ihren Vormündern. Der sächsische AfD-Chef Urban dazu: “Die Regierung Kretschmer mischt sich in einer unerhörten Weise in die Energiepolitik eines anderen Landes ein. Selbst die EU hat Kernkraft als nachhaltig klassifiziert und fördert mit deutschem Steuergeld deren Ausbau. Der Affront zeigt auch die Doppelzüngigkeit Kretschmers, der regelmäßig den deutschen Atomausstieg kritisiert, obwohl er selbst dafür gestimmt hat.” Seinen Bürgern gaukelt er seine Befürwortung einer Laufzeitverlängerung in D vor und lügt damit wieder einmal schamlos wie bei sämtlichen anderen Themen.

rolf schwarz / 12.01.2023

Ein Abgeordneter der Oppositionspartei erklärte mir auf Anfrage, dass der Bau von Atomkraftwerken derzeit viel zu teuer sei. Zur dümmsten Regierung kommt also noch die dümmste Opposition hinzu. Dazu noch die dümmsten Staatsmedien. Ergo: Irgendwann fährt dieser Bus dann halt gegen die Wand.

SHolder / 12.01.2023

Ich wundere mich schon seit langem, wie die Kernenergie durch die grüne Lobby verteufelt werden kann und im gleichem Zuge Gas für die nächsten 20 Jahre als “Brücke” priorisiert wird. Kann sein, dass ich in der Schule die nicht das hellste Licht auf der Torte war - aber sollte ich mich richtig erinnern, entsteht Gas nach Millionen von Jahren und setzt bei der Verbrennung Methan und CO2 frei. Gerade dieses CO2 wird momentan in allen Bereichen als Teufelszeug betrachtet - wie kann denn solche ideologischen Entscheidungen noch jemand ernst nehmen bzw. begründen ?

Gerd Maar / 12.01.2023

Auf nach Ostbelgien! Da spricht man auch deutsch, die Landschaft ist schön (keine Windradtristesse wie in der deutschen Eifel) und die Leute sind offensichtlich noch normal.

Dr. Thomas Dörfler / 12.01.2023

Was Herr Haferburg hier bewusst nicht erwähnt hat, aber doch ergänzt werden sollte: - Die Britische Regierung beteiligt sich zu 50% am Neubau der beiden Blöcke Sizewell C (Kopie von HPC, Bau ab 2024) - Die Japanische Regierung steigt ebenfalls weider in den Neubau ein. Zusätzlich massive Laufzeitverlängerungen (+20 Jahre auf gesamt 80 Jahre möglich) - zur Erinnerung: Fukushima = Null Tote + Null zusätzlich Erkrankte durch Strahlung - Korea kippt ebenfalls seinen Ausstiegsbeschluss (dort sind mehrere Anlagen im Bau) - USA: Laufzeitverlängerungen auf 80 Jahre (100 Jahre Vorgehsclagen von der Behörder NRC) - Kanada setzt massiv auf SMR und MSR - Ausbau geht weiter massiv voran in China und Indien - Weitere Neueinsteiger: Vereinigte Emirate, Weiss-Russland, Ägypten, Türkei, Bangladesh ... Für alle Freude der aktuellsten News: bitte googeln:world-nuclear-news

Wilfried Cremer / 12.01.2023

Ja Herr Pr@cht, Deutschland wird, dem Zwangsfunk sei’s gedankt, als tote Sprache überleben, etwa wie das alte Rom. Die Sprache der Musik wird aber quicklebendig bleiben, allerdings verpflanzt in andere Regionen.

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