Marcus Ermler / 16.07.2022 / 06:00 / Foto: Pixabay / 77 / Seite ausdrucken

„Aktion Mensch“ knickt vor Twitter-Antisemiten ein

Die „Aktion Mensch“ cancelte Achgut.com per Werbeanzeigen-Boycott. Sie reagierte damit servil und freundlich auf einen anonymen Twitter-Denunzianten. Bei ihm handelt es sich um einen lupenreinen Antisemiten, wie dieser Beitrag umfänglich belegt. 

Eine Besonderheit von Achgut.com ist ihre dezidiert pro-israelische Ausrichtung. Eine Positionierung, die linken wie rechten Antisemiten sauer aufstößt und mitunter in hanebüchenen Verschwörungstheorien gipfelt, etwa darin, dass Herausgeber Henryk M. Broder direkt vom Mossad gelenkt und von Israel bezahlt wird. Diese in Teilen pathologischen Judenhasser gehen dabei sogar so weit, Achgut.com konkret wirtschaftlichen Schaden zufügen zu wollen. 

So geschehen erst vor wenigen Tagen, als die sich durch Lotterieeinnahmen finanzierende Sozialorganisation „Aktion Mensch“ vor einer antisemitisch motivierten Twitter-Kampagne gegen Achgut.com einknickte. Die „Aktion Mensch“ wird neben dem ZDF von sechs Wohlfahrtsverbänden getragen, darunter die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland

Doch auch diese Causa hat eine Vorgeschichte. Wenige Tage zuvor cancelte, ausgehend von einer Denunziation durch ein anonymes Twitter-Konto (mit dem vielsagenden Namen „Wahnsager“), bereits der Anzeigen-Werbepartner Taboola sämtliche Anzeigen auf Achgut.com auf Veranlassung eines in Deckung bleibenden „Premiumkunden“. Eine Affäre, die in der Folge weitere anonyme Nachahmer motivierte, gegen Achgut.com auf Twitter zu hetzen.

Lupenreiner Antisemitismus

Pikant an der jüngsten Causa ist für die „Aktion Mensch“ nun, dass man die Ergüsse dieses anonymen Denunzianten in den sozialen Medien als lupenreinen Antisemitismus identifizieren kann. Dies scheint dem Social-Media-Team der „Aktion Mensch“ allerdings entgangen zu sein. Es reagierte auf die Denunziation, Aktion Mensch möchte „mit solchen Seiten nicht im Verhältnis stehen“.

Was war konkret passiert? Der Account „HenningBuerger“ mit dem kryptischen Anzeigenamen „Ryan Ant, @a_nnaschneider 's evil stepdad“, der sich heute mit einem Konterfei der jüdischen Philosophin Ayn Rand schmückt und früher eine Palästina-Flagge im Profil hattewies am 5. Juli 2022 die „Aktion Mensch“ darauf hin, dass sie „Reklame auf @Achgut_com [mache,] nachdem @VWGroup sie [also Achgut.com] gecancelt hat“. 

Auf eine erneute Nachfrage von „HenningBuerger“ ein paar Minuten später reagierte dann das Twitter-Team der „Aktion Mensch“ mit den Worten: „Hallo zusammen, vielen Dank für den Hinweis. Wir haben die Ausspielung sofort gestoppt, da wir mit solchen Seiten nicht im Verhältnis stehen möchten.“ Eine Danksagung für die Beendigung ihre Werbeausspielung bedachte die „Aktion Mensch“ hierauf mit einem „Like“ (Screenshot liegt der Redaktion vor).

Neben vielfach geäußerter Kritik am Vorgehen von „Aktion Mensch“, so beispielsweise vom Journalisten Andreas Hallaschka, machte die deutsch-jüdische Anti-BDS-Aktivistin Malca Goldstein-Wolf am 7. Juli 2022 in einem auf Gunter Weissgerbers Blog veröffentlichten Artikel auf einen besonderen Punkt in dieser Angelegenheit aufmerksam, der im Weiteren von Bedeutung ist: die antisemitische Motivation, die sich hinter dieser Denunziation verbirgt, doch von der „Aktion Mensch“ nicht bemerkt worden zu sein scheint. So schreibt Goldstein-Wolf:

An den Kommentaren der Twitter-User fällt auf, dass sie sich besonders an Henryk Broder, der Galionsfigur dieser Seite, dem Kind von Holocaustüberlebenden, der mutig und ohne Rücksicht auf Verluste den Finger immer dort in die Wunde legt, wo es für Entscheidungsträger besonders schmerzhaft ist, einschießen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

„Wir sollten versuchen Broder in den Knast zu bringen? Gute Idee.“

Was ist dran an dieser Einschätzung? Steckt dahinter tatsächlich Antisemitismus? Lassen wir hierzu besagten „HenningBuerger“ am besten selbst sprechen. So antwortete dieser am 7. Juli 2022 in Richtung eines anderen Nutzers, der ironisch gefragt hatte, ob man den „Jude[n]“ Broder denn „lieber in Schutzhaft nehmen“ sollte: „Hmm, mir langt vorläufig, dass da niemand mehr Werbung macht.“

Andernorts schreibt „HenningBuerger“ früher am selben Tag dann sogar: „Also du meinst, wir sollten versuchen Broder in den Knast zu bringen? Gute Idee. Wie sollen wir das machen?“. Ein Judenboykott auf Twitter-Art. Bei beiden Tweets setzte übrigens der „Wahnsager“, der Twitter-Account, der zum ursprünglichen Anzeigenboykott von Volkswagen/Audi überhaupt erst den Anstoß gab, jeweils einen „Like“ (Screenshots liegen der Redaktion vor).

Der Account „HenningBuerger“ ist kein Unbekannter. Bis zur aktuellen Causa ist er allerdings zumeist dadurch aufgefallen, in Diskussion mit dem österreichischen Nahost-Thinktank Mena-Watch beziehungsweise mit dem israelischen Journalisten Benjamin Weinthal Antisemitismus zu verbreiten. 

So im Dezember 2021. Seinerzeit behauptete „HenningBuerger“, Weinthal wäre „Teil der Holocaust-Industrie“, was eine Ausprägung des Schuld-Abwehr-Antisemitismus herausschält, die insbesondere die deutsche Erinnerungskultur adressiert. Andernorts schrieb der Account: „Ihr steht auf free speech? Legt euch nicht mit den Juden an.“ 

Mena-Watch schaltet Recherche-& Informationsstelle Antisemitismus ein

Und auf Kritik von Mena-Watch an dieser Aussage antwortete „HenningBuerger“ in Richtung der „Juden“: „Vielleicht hättet ihr deren Heiland nicht umbringen sollen.“ Der Gottesmord, ein zentrales Stereotyp des christlichen Antijudaismus. Mena-Watch meldete die beiden letzten Tweets dann in der Folge bei der „Recherche-& Informationsstelle Antisemitismus RIAS“ (hier und hier dokumentiert).

Doch nicht nur das. Andernorts taufte das Social-Media-Team des Nahost-Thinktanks besagten Account „HenningBuerger“ sogar einen „Antisemit[en] der ganz alten Schule, wie man ihn unter Israelkritikern heute nur noch selten findet“. Der Hintergrund: „HenningBuerger“ gab im Dezember 2021 einem Account im „Großen und Ganzen“ recht, der Elio Adler, den Vorsitzenden der deutsch-jüdischen Werteinitiative, einen „rechtsextreme[n] Hetzer“ nannte. Adler hatte zuvor „die anti-israelische Stimmungsmache“ des SPIEGEL kritisiert.

Doch nicht nur Elio Adler ist im Visier dieses „Antisemit[en] der ganz alten Schule“. Über Anna Staroselski, die Präsidentin der „Jüdischen Studierendenunion Deutschland“, verbreitete „HenningBuerger“ im März 2022 eine antisemitische Verschwörungserzählung: „Ich glaube, dass @AStaroselski sich in den USA als ‚foreign agent‘ registrieren lassen müsste. Und, oh Boy, ist die gut platziert.“ Gemeint war damit, dass Staroselski eine Agentin Israels in Deutschland wäre. 

Ein antisemitischer „Spaß“ aus dem Stürmer

Wie sich hier bereits zeigt, spielt „HenningBuerger“ mit antisemitischen Stereotypen. Ertappt man ihn dabei, ist indes alles nur ein „Spaß“ oder „free speech“ gewesen. Ein Muster, das sich heute wiederholt. So antwortete er am 6. Juli 2022 auf meine Frage an einen anderen anonymen Twitter-Nutzer, wie dieser denn „konkret zur DDR-Bürgerrechtsbewegung“ stehe, unaufgefordert mit: „Wir hassen sie. Und Juden. Und Katzen.“ Wieder das Spiel mit dem „spaßigen“ antisemitischen Ressentiment.

Am 6. Juli 2022 reproduzierte „HenningBuerger“ dann sogar pornographisch konnotierten Antisemitismus, den man vor allem aus Julius Streichers „Stürmer“ kennt. So in einem Tweet, in dem er „komische Gerüchte“ über Benjamin Weinthal adressierte. Nämlich, dass dieser einer „Katze […] wiederholt Rachepornos twitterte, indem er Nacktfotos verwendete, die mit einer versteckten Kamera in ihrem Katzenklo aufgenommen wurden“. Was wohl wieder der bekannte „Spaß“ sein soll, ist indes ein pornographisches Motiv aus dem „Stürmer“, der zur Unterstreichung von „Rassenschande“ Juden sexualverbrecherische Aktivitäten wie Sodomie unterstellte. Und auch hier setzte der „Wahnsager“, der die Anzeigen-Affäre initiierte, einen „Like“ (Screenshot liegt der Redaktion vor).

Die „Aktion Mensch“ sollte klären, warum sie bei ihrem Boykott von Achgut.com einem Twitter-Antisemiten auf den Leim gegangen ist, der nahezu die gesamte Klaviatur der Judenfeindschaft beherrscht: christlichen Antijudaismus, sekundären Antisemitismus, israelbezogene Judenfeindlichkeit und letztlich sogar die pornographische Ausformung einer nationalsozialistischen Hetzschrift.

 

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Gerhard Schäfer / 16.07.2022

Mit gleicher Münze heimzahlen: “Aktion Mensch” ist heute für meine ganze Familie gestorben! Dadurch werden weitere Mittel für Achgut frei. Keine Unterstützung für Antisemiten!

Reinmar von Bielau / 16.07.2022

Sie erwähnen rechte und linke Antisemiten. Ich denke, dass es Antisemiten durch das gesamte politische Spektrum hindurch gibt. Allerdings würde ich schätzen, dass es mittlerweile über 90% Antismeiten im linken Spektrum gibt. Das der Account “HenningBuerger” es offensichtlich geschafft hat die Aktion Mensch und damit auch die “Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland” gegen Achgut.com zu instrumentalisieren, dürfte ihm allertiefste Befriedigung verschafft haben. Das die ganze Aktion über Twitter läuft, wundert mich überhaupt nicht. Aber das diese Plattform dem linkswoken Juden Marc Zuckerberg gehört, das hat schon einen widerlichen Beigeschmack.

Achim Walter / 16.07.2022

Guten Tag, habe soeben als Reaktion auf Ihren Artikel mein langjähriges Dauerlos bei diesem Verein gekündigt und ihm eine entsprechende Begründung zu kommen lassen. Mal sehen, ob und wie die Antworten. Liebe Grüße

Hans Walter Müller / 16.07.2022

Ich frage mich immer, warum beim Thema “Antisemitismus” oder “Israel- bzw. Judenfeindlichkeit” immer der Zusatz “rechts” dabei steht. Diese Feindlichkeit ist kein rechtes oder konservatives Thema - sie gibt es quer durch alle Bevölkerungsschichten! Nur weil die Nationalsozialisten angeblich rechts (was ist das, wissen die Benutzer des Begriffes “Rechts” überhaupt woher er in der politischen Landschaft kommt?) waren ist Antisemitismus etc. nicht automatisch rechts. Mit dem Präfix “rechts” wird häufig von der tatsächlichen Verwerflichkeit von Aussagen und Taten abgelenkt und alles tituliert, was den “Guten” der Gesellschaft nicht passt. Ob man dabei dann selbst sich rassistisch/antisemitisch verhält, spielt keine Rolle mehr - es geht gegen rechts (und viele lassen sich von den Phrasen blenden)

Ulla Schneider / 16.07.2022

Das Wort “Mensch”  in der “Aktion” gehört gestrichen. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß so ein Mist wieder zur Debatte steht.  Wer so etwas verbreitet hat Zorn gegen sich selbst und sollte sich Hilfe holen, aber dalli! Der Trend, Herr Ermler läuft in die entsprechende Richtung. Wenn die Straßenläufer sich (aufgrund der Krise)  vermehren( in der ol-online Zeitung), haben laut eines SPD- Sprachrohrs selbstverständlich die Rechten und die AFD schuld   und alles was so in die Richtung konservativ denken könnte. Vorab muss man der Alternativen Presse einen Tritt verpassen. Sie könnte ja Leute informieren. Und wenn das nicht hilft, werden Gerüchte, besonders moralische ( da sind Kirchen seit Jahrhunderten gut drin) aufgewärmt und neu gestaltet. Nur das mit dem Mossad ist neu. Ehrlich, ich bin froh,  daß Israel den hat. Die sind wenigstens fit!

Ralf.Michael / 16.07.2022

„HenningBuerger“ ? Wer ist das denn ? Wieder Einer der vom Schwachsinn besprungen ist ? Anonymer Hetzer ? Jemand, welcher fest an die Anonymität im Netz glaubt ? Oh Boy. Oh Boy, what you gonna do, when the Mo**ad comes for You ?

Heiko Loeber / 16.07.2022

“Aktion Mensch” klang für mich idiotischerweise sowieso schon immer ein bisschen wie “Deportation”. Persönlich glaube ich aber, solange nicht etwa Vertret:innen von, nachfolgend wahllos und verdachtfrei als Variablen von mir genannten, Organisationen wie “Burkas Live Better” oder “Die Letzte Tube Sekundenkleber” IRGENDWO im Besten Deutschland anrufen und sagen: “Tötet alle Juden!” - und das wird zum Glück nie geschehen - und schon gar nicht in diesem Wortlaut! - solange ist jüdisches Leben in Deutschland derzeit noch relativ gefahrlos wieder möglich, und das sehr gerne, guten Abend!

Hans Walter Müller / 16.07.2022

Jahrzehnte lang hatte ich die Aktion Mensch - schon als sie noch Aktion Sorgenkind hieß - durch ein Abo-Los (natürlich hätte ich auch gegen einen Gewinn nichts gehabt, dessen Verwendung zumindest z. T. wieder soziale Zwecke gewesen wären) unterstützt. Als man aber glaubte eine ehemalige, durch eine lebensbedrohende Krankheit ausgefallene (Sport-?)Moderatorin für die Gewinnzahlen-Verkündung 400.000 DM (oder waren es gar schon €) bezahlen zu müssen, war Schluß für mich. Seitdem gibt es Spenden nur noch dahin, wo ich die Verwendung direkt sehe. Solche Organisationen wie Aktion Mensch sind m.E. Wirtschaftsunternehmen, die daneben noch Versorgungsposten für willfährige Personen bieten

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