Aktion Journo-Rettung: Gemeinnützig relotieren

„So viel Gemeinwohl flimmerte noch selten über den Äther“, meint die NZZ zum Manual der ARD; einer „Bedienungsanleitung“ für ARD-Mitarbeiter, um „ein bisschen zu manipulieren“: ganz im Sinne der Gemeinnützigkeit, nicht zuletzt für ein heimeliges „Wir-Gefühl“ innerhalb der zwangszahlenden Zuschauer. Zu diesem und anderen Zwecken darf dann schon mal „Gesinnung statt Fakten“ Regie führen. Ein aktuelles Beispiel zur „Arbeit“ eines werteorientierten ARD-Journalisten mit klarer politischer Haltung ist bei Publicomag nachzulesen.

Unter dem Druck sinkender Auflagen und der hartnäckigen Weigerung gefallsüchtiger Redakteure zur Selbstkritik wird der „gemeinnützige Journalismus“ schon seit Monaten gepusht. Allen voran von der Journalistenvereinigung „Netzwerk Recherche“. Die startete einst ein relevantes Projekt, zu dem weiterführende Links im Netz aber alle gelöscht sind. Über ein Google-Snippet liest man gerade noch: „Im Rahmen der Fachkonferenz 2014 wurde die ‚Initiative Non-Profit-Journalismus‘ gegründet.“ Vermutlich sind die Resultate in dem gemündet, was auf ihrer eigenen Website zu finden ist, nämlich ein „Nonprofit-News-Blog“ sowie ein ausführlicher „Wegweiser Nonprofitjournalismus“. Was ein Mitglied vom „Netzwerk Recherche“ für diesbezügliche Ambitionen hat und warum es – neben einigen praktischen Vorteilen – trotzdem vorwiegend ums Geld geht, ist hier festgehalten

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) berichtete damals folgerichtig zur Verquickung von gemeinnützigen Journalisten mit der Stiftungs- und NGO-Szene: „Neue Journalistenbüros und Netzwerke wie Correctiv, Hostwriter und die Krautreporter zeigen, wie fruchtbare Zusammenarbeit mit Akteuren des Dritten Sektors heute schon gelingen kann. Auf seinem diesjährigen Verbandstag in Weimar forderte der DJV den Gesetzgeber auf, die Rahmenbedingungen für solche Formen der Journalismusfinanzierung zu verbessern.“ Betont wird bei der Argumentation stets die Sicherstellung der unabhängigen Recherche. Nur mit der Abhängigkeit vom Dritten Sektor scheint man keinerlei Problem zu haben.

Der kritische Leser, der möglichst objektiven Informationsjournalismus haben will und sich dann seine Meinung selbst bildet, wohl schon. Allein das Begriffspaar „gemeinnütziger Journalismus“ wird hier individuell geprägten Medienkonsumenten bitter aufstoßen. Es liegt in Zeiten des „Storytelling“ ohnehin nahe, vielmehr von „gemeinnütziger Erzählkunst“ zu sprechen; insbesondere dann, wenn sich Medienschaffende nicht die Bohne für die Bedürfnisse eigenständiger Leser, sondern nur dafür interessieren, eine beifallsträchtige Rolle „als zivilgesellschaftliche Akteure“ einzunehmen. 

Ein Stiftungs-Haus für 25 Millionen

Der gemeinnützige Haltungsjournalismus hat inzwischen beste Chancen auf Institutionalisierung. Über einen Newsletter war zu erfahren: „Talents4Good sucht für die Schöpflin Stiftung eine*n Projektleiter*in (im) Haus für gemeinnützigen Journalismus, Meinungs- und Informationsfreiheit zum nächstmöglichen Zeitpunkt in Berlin. Die Schöpflin Stiftung ... engagiert sich für kritische Bewusstseinsbildung, eine lebendige Demokratie sowie eine vielfältige Gesellschaft.“ Als Förderstiftung unterstütze sie gesellschaftlichen Wandel in den Bereichen Flucht und Integration, gemeinnütziger Journalismus oder Schule & Entwicklung. „Durch soziales Risikokapital ermöglichen wir Experimente und stärken deren zivilgesellschaftliche Verbreitung. Zur strukturellen Unterstützung des gemeinnützigen Journalismus sowie von Akteur*innen im Bereich Meinungs- und Informationsfreiheit planen wir den Bau eines Hauses in Berlin-Neukölln, das neben Büros und Studios auch Konferenz- und Veranstaltungsräume, Hostel- und Gastronomie-Elemente beinhaltet.“ „Die journalistische, sozialunternehmerische und/oder NGO-Szene“ in Berlin muss man kennen. Geboten wird „Zugang zu einem spannenden Netzwerk aus Medienmacher*innen, Aktivist*innen und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.“ 

Prickelnd ist, was in der Jobausschreibung nicht steht und sich nur durch intentionale Recherche erschloss. Im Dezember 2016 hieß es „In eigener Sache“: „Das Recherchezentrum Correctiv sucht gemeinsam mit einer deutschsprachigen Stiftung ein Grundstück für den Neubau eines Hauses für den gemeinnützigen Journalismus. Auf rund 5.000 Quadratmetern Fläche sollen bis zu 400 Arbeitsplätze entstehen. Das Haus ... soll als europäisches Medienzentrum zum Kristallisationspunkt für neue Formen der Wissens- und Informationsvermittlung werden. Neben verschiedenen Redaktionen sollen in dem Haus Räume für die Entwicklung neuer Unternehmenskonzepte geschaffen werden. Eine Stiftung aus dem deutschsprachigen Raum hat Interesse gezeigt, die Finanzierung in Höhe von bis zu 25 Millionen Euro zu garantieren.“

Man wolle ein multiprofessionelles Haus für Aufklärung und Bildung errichten inklusive Fernsehstudio, Schnittplätze, Hostel und Wohnungen. Im Fokus: regionale und lokale Medien sowie Europa und „neue Vernetzungen“, auch zu Schulen. „Der gemeinnützige Journalismus existiert in Deutschland erst rudimentär. Wir wollen ihm zum Durchbruch verhelfen.“ Für die Standortsuche wünschte man sich „räumliche Nähe zu Softwareunternehmen, Universitäten, Medienhäusern und Verlagen“ sowie zu Künstlern, Theatern und Museen. Später stellte Correctiv dann dort ein: „Die Schöpflin Stiftung hat diesen Traum aufgegriffen. Zusammen entwickeln wir das Haus des gemeinnützigen Journalismus.“ Wer die „weniger gemein- als eher eigennützige“ Rechercheplattform noch nicht kennt, kann sich hier darüber informieren

Vernetzt mit der Amadeu-Antonio-Stiftung

Auch wenn es nur eine Clique ist, die sich hier in ihrem Sinne Arbeitsplätze schafft, so scheint diese durch Netzwerke wirkmächtig zu sein. Volker Lilienthal etwa, Journalistik-Professor an der Uni Hamburg, empfahl die Ausschreibung der Projektleitung am 10. Januar via Twitter. Der Aufdecker des ARD-Schleichwerbungsskandals ist auch im obigen DJV-Bericht zitiert, Träger eines Preises vom „Netzwerk Recherche“ und mit Correctiv- sowie Schöpflin-Mitarbeitern bekannt. Die Schöpflin Stiftung hat mit Lukas Harlan einen „Programmleiter Gemeinnütziger Journalismus“ mit Erfahrung im „Social Entrepreneurship“ und „Political Design“.

Von Prof. Dr. Lutz Frühbrodt erfährt man, dass die 25-Millionen-Euro-Investition die „mit Abstand größte“ ist, „mit der eine Stiftung Journalismus in Deutschland fördern würde … 85 Stiftungen sind hier zu Lande aktiv, um die Finanzierung eines kritischen und investigativen Journalismus zu unterstützen – durch die Förderung größerer Medienprojekte wie dem gemeinnützigen ‚Correctiv‘ … Oft handelt es sich um Stiftungen, die aus dem Privatvermögen von Verlegern, Chefredakteuren und prominenten Journalisten gegründet wurden.“ Schöpflin verfüge über ein 15 Jahre gewachsenes Netzwerk, weiß der Betreiber der „Zweiten Aufklärung“ von Lukas Harlan. Träger eines Medienpreises des gemeinnützigen Vereins, der noch politische Salons organisiert, ist zum Beispiel Patrick Gensing. Für sein Portal „Publikative“ (eingestellt) bekam er den ersten Preis. „Der Tagesschau-Redakteur betreibt mit Unterstützung der Amadeu-Antonio-Stiftung einen Blog, der rechtsextreme Aktivitäten unter die Lupe nimmt.“ 

Bei dieser Schließung des Kreises soll es vorerst belassen sein, damit es der Leserschaft nicht schwindelig wird. Die Umtriebe rund um die gemeinnützige Erzählkunst sollte man weiterhin transparent dokumentieren. Es steht zu befürchten, dass aktionistische Haltungsjournalisten künftig noch umfassender als bisher die Bevölkerung mit ihren rein persönlichen Vorstellungen indoktrinieren.

Insbesondere die Generation der kritisch reflektierten Redakteure, die ihren Aufklärungsauftrag zur Stärkung demokratisch-pluralistischer Meinungsbildung ernst nehmen und noch Erfahrung mit sachlichem Nachrichtenjournalismus präsent haben, ist aufgerufen, sich was einfallen zu lassen. Es geht letztlich darum, der Etablierung eines rückwärtsgewandten Menschenbildes Einhalt zu gebieten, demzufolge die Herrschenden dem unreif gehaltenen Volk, wie im Mittelalter, von oben herab diktieren, was es für gut und für böse zu erachten hat. Die notwendigen gesellschaftlichen Übereinkünfte sind aus dem Grundgesetz und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ableitbar. Das genügt als freiheitsbegrenzender Kompromiss.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Blog Luftwurzel.

Foto: Christopher Farrington dvidshub.net/ via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Hubert Bauer / 18.02.2019

Non-profit-Journalismus gibt es doch schon lange. Also ich profitiere nicht all zu sehr von den Mainstreammedien.

Gabriele Kremmel / 18.02.2019

Der neue, selbstverliebte, überhebliche und lern- und denkfaule Journalistentypus ist sehr gut beschrieben mit dem Satz “Es steht zu befürchten, dass aktionistische Haltungsjournalisten künftig noch umfassender als bisher die Bevölkerung mit ihren rein persönlichen Vorstellungen indoktrinieren.” Hoffentlich verschwinden diese Typen genauso sang- und klanglos im Orcus der Geschichte wie frühere Trendsetter der nachgewachsenen Generationen, die sich für große Erneuerer hielten und von denen heute keiner mehr redet.

P.Steigert / 18.02.2019

So wie im Mittelalter erwarte ich bald Minnesang-Wettbewerbe auf Merkel. Und Merkel gewährt dann eine kaiserliche Leibrente für die Journo-Barden.

Matthias Braun / 18.02.2019

” „Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten – wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten – dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.“ (George Orwell-“1984”)

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