Peter Grimm / 24.08.2020 / 12:00 / Foto: Sandro Halank / 49 / Seite ausdrucken

AKKs Corona-Parteitag: Weniger Demokratie wagen!

Die Meldung kam am Sonntag unscheinbar daher: Die scheidende CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer fasst eine Notfallplanung für den Parteitag im Dezember ins Auge. "Wegen Corona planen wir, den Parteitag zu verkürzen. Es könnte sogar sein, dass wir aufgrund der Corona-Lage den Parteitag auf die reinen Vorstandswahlen beschränken", hat die Verteidigungsministerin der "Welt am Sonntag“ gesagt. Die Agenturen haben es gemeldet und etliche Nachrichtenredaktionen in die Welt verbreitet, und es erweckte den Eindruck einer Zurücknahme in schwerer Zeit.

Das Signal, das offenbar ausgesandt werden sollte: Seht her, die Politik schränkt zwar die Grundfreiheiten der Bürger ein, lässt sie kaum im Stadion, im Theater, in der Oper oder im Konzertsaal in stimmungsnotwendiger Größenordnung zusammenkommen. Doch die Entscheidungsträger, die Euch im Wirtshaus, auf Reisen, im Nahverkehr, bei Familienfeiern und im Gottesdienst wie unmündige Untertanen gängeln, beschränken sich in der Not auch selbst und beschneiden ihre Parteitage. Die Tagesordnung wird um zahlreiche Inhalte erleichtert oder es wird sogar nur der Vorstand gewählt.

Es geht auch ohne Neuwahl des Vorstands

Aber zum inhaltsbefreiten Wahlparteitag gibt es noch eine Alternative. Sollten die CDU oder die Bundesregierung die Seuchengefahr für ganz groß halten, dann kann man auf den Parteitag auch ganz verzichten. Die Satzung schreibt, so stand es in den Meldungen, eine körperliche Anwesenheit der Delegierten auf einem Parteitag vor, weshalb ein Online-Parteitag nicht geht. Die Parteivorsitzende plant daher schon: "Im schlimmsten Fall einer zweiten großen Pandemiewelle bleibt der Vorstand geschäftsführend so lange im Amt, bis der Parteitag einberufen werden kann.“ AKK würde also Vorsitzende bleiben, und ein neuer Vorsitzender könnte sich noch nicht als potenzieller Kanzlerkandidat warm laufen. 

Doch nebenher sendet sie auch die Botschaft aus, dass die demokratischen Spielregeln der Bundesrepublik im Corona-Parteienstaat in wichtigen Teilen außer Kraft gesetzt sind. Aber der Reihe nach. 

Eigentlich soll der CDU-Parteitag Anfang Dezember in Stuttgart einen neuen Vorsitzenden wählen. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz und der Außenpolitiker Norbert Röttgen kandidieren. Ursprünglich war diese Wahl schon für Ende April auf einem Sonderparteitag geplant, doch der wurde dem Corona-Ausnahmezustand geopfert.

In Stuttgart sollte nun eigentlich ein viertägiger Parteitag stattfinden, auf dem 1.001 Delegierte auch über das neue Grundsatzprogramm diskutieren sollten. In der Parteiführung werde wegen der Corona-Krise aber schon länger überlegt, wie dies "kompakter" ablaufen könnte, hieß es nun in der sonntäglichen Meldung. Worauf man bestimmt gern verzichtet, ist die inhaltlich kontroverse Debatte, beispielsweise über die „neue Normalität“. Ein CDU-Kerninhalt ist der Vorsitzenden aber wichtig: Kramp-Karrenbauer hält es für dringlich, wenigstens eine Quotenregelung für mehr Frauen auf den Führungsebenen zu beschließen. Worüber die Parteitagsdelegierten als Entsandte der Basis diskutieren und entscheiden dürfen und worüber nicht, will der Vorstand am 14. September entscheiden. Auf jeden Fall ist es leichter, unliebsame Anträge nicht zur Debatte und Abstimmung gelangen zu lassen. Eine solche Panne, wie beim Parteitag im Dezember 2016, kann nicht mehr passieren.

Keine Mehrheit mehr gegen die Kanzlerin

Damals hatten Delegierte einen Antrag eingebracht, diskutiert und abgestimmt, nach dem die CDU der SPD nicht die bedingungslose doppelte Staatsbürgerschaft für Zuwandererkinder zugestehen dürfe und die entsprechende Koalitionsvereinbarung aufkündigen müsse. Trotz Intervention der Kanzlerin und der Parteiführung bekam der Antrag eine Mehrheit. Die Bundeskanzlerin und Vorsitzende sah sich natürlich nicht gezwungen, diesem demokratischen Votum zu folgen, sondern ignorierte diese Beschlusslage einfach geflissentlich. Jetzt wird es nicht einmal mehr einen störenden Parteitagsbeschlusse geben. Im Corona-Parteienstaat werden die Parteiapparate und -funktionäre offenbar noch mächtiger, während die Parteibasis immer mehr Einflussmöglichkeiten verliert. 

Man kann jetzt trefflich spekulieren, was eine weitere Parteitags-Verschiebung bedeuten könnte. Ob es den Weg für Markus Söder in die Kanzlerkandidatur vereinfacht? Oder ob es am Ende darum geht, dass sich Angela Merkel als Corona-Kanzlerin in Zeiten der Not doch noch einmal von ihrem Gefolge bitten lässt, in einer Bundestagswahl unter Corona-Beschränkungen anzutreten? Darum soll es hier nicht gehen. Eher darum, dass sich der Corona-Parteienstaat auch lästige Konkurrenz leichter vom Leibe halten kann.

Es gibt ja gegen den Weg in eine vormundschaftliche und autoritäre „neue Normalität“ kaum Opposition, so wie es sie auch nicht in der Frage bedingungsloser Zuwanderung in die Sozialsysteme im Rahmen der „Willkommenskultur“ gegeben hat. Die AfD ist nicht nur mit sich selbst beschäftigt, sondern sie ist für viele politisch heimatlos gewordene Liberale, Sozialdemokraten und auch Christdemokraten eben keine Alternative. Nach der sehnen sich diese Menschen aber, und es wäre bei einem solchen Bedürfnis ja denkbar, dass sich eine weitere Oppositionspartei gründen könnte. Gerade wenn ein Wahljahr mit Bundestagswahlen ansteht wie 2021.

2013 hatte sich die AfD nur wenige Monate vor den Bundestagswahlen gegründet und war im Herbst nur äußerst knapp beim Einzug in den Bundestag an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. In unruhigen Zeiten, wie denen, die auch wegen der Wirtschaftskrise infolge der Corona-Maßnahmen kommen, sind schnelle Aufstiege neuer Parteien wahrscheinlicher als im Normalfall. Politisch Heimatlose gäbe es zumindest hinreichend. Doch in einem Corona-Ausnahmezustand, auf den die CDU-Vorsitzende sich vorbereitet, kann sich eine neue Partei womöglich gar nicht aufbauen und gründen, weil die Versammlungsmöglichkeiten zu beschränkt sind. Auf diese Weise muss der Corona-Parteienstaat keine neue Konkurrenz fürchten.

Auch wenn man nicht an eventuelle neue Parteien denkt, verzerrt der Corona-Ausnahmezustand jedweden Wahlkampf zugunsten der amtierenden Regierung und ihrem Gefolge. 

Statt also im Sinne einer „neuen Normalität“ der Bevölkerung die Gewöhnung an einen Ausnahmezustand abzuverlangen, wäre es für eine demokratische Regierung das Mindeste, einen Notstand niemals für normal zu erklären, ihn – wenn er wirklich ausgerufen werden muss – zu begrenzen und eine bestehende Gefahr so abzuwehren, dass die Bürger ihre selbstverständlichen Rechte selbstverständlich in Anspruch nehmen können. Nur wenn Letzteres die Normalität ist, kann man von einem demokratischen Gemeinwesen sprechen.

Foto: Sandro Halank CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Alexander Schilling / 24.08.2020

Hätte die Parteiführung doch, ohne großes Aufhebens von der Sache zu machen, unsere öffentlich-rechtlichen Qualitätsmedien samt Relotiuspresse damit beauftragt, einfach die Bilder des letzten Parteitages neu zusammenzuschneiden und zu synchronisieren; den mit seinem Zollstock spielenden Deligierten hätte man vielleicht herausschneiden (oder eben gerade zu Machtdemonstrationszwecken drinne lassen) und den minutenlangen Applaus entsprechend der neuen Machtverhältnisse umverteilen müssen. Wie leicht es Profis von der Hand gehen kann, das schiere Gegenteil von dem, was tatsächlich hätte gesagt werden müssen, medial zu vermitteln—diese Fähigkeit hat doch das staatlich geförderte Gesinngsgesindel von der stattlichen Medienvielfalt bei Strache und Co. überzeugend unter Beweis gestellt. Im Übrigen ist die in den Systemparteien so gerne gezeigte Geste der Geschlossenheit und des Sich-selbst-auf-die-Schulter-Klopfens insbesondere den Damen und Herren von der CDU-Politrenitenz mittlerweile so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass man—auch und gerade bei rassismusunverdächtigen “Schwarzen”—mit Fug und Recht von “Vollblütlern” und “Reinrassigkeit” reden müsste, wäre ein solches Gerede nicht dennoch mit einem systemischen “Geschmäckle” neuerdings untrennbar verbunden.——Im Falle des kommenden CDU-Parteitags “Triumph der Downlocker” hätte—angesichts des drohenden Wellenberges—außer ein paar Hanseln aus dem Parteifußvolk, denen man gegebenenfalls (und nicht ohne eine gewisse Genugtuung!) das Kainsmal “Verschwörungstheoretiker” ins Gesicht hätte brennen können, ein solch klimagerechtes Recycling von inszenierter Mitwirkung an der politischen Willensbildung sowieso niemanden gejuckt, der a) noch nicht gleichgeschaltet gewesen wäre, b) nicht sowieso längst aus der Deckung heraus mitmachen würde, um Schlimmeres zu verhindern, oder c) ansonsten irgendwie zählen würde…

Martin Stumpp / 24.08.2020

Die CDU hat sich unter Merkel von der Demokratie verabschiedet. Vor diesem Hintergrund ist interessant, dass es in Deutschland nur ganz wenige wirkliche Infektionen mit Corona gibt und dabei handelt es sich vermutlich ausschließlich um Reiserückkehr. Das Geschwätz der Politiker, vor allem aus der CDU zeigt entweder von Dummheit oder krimineller Energie. Letzteres dann, wenn die Verantwortlichen wissen, dass ihre Aussagen im Widerspruch zur Mathematik stehen. So hat Spahn selbst bereits zum Besten gegeben, dass viele Tests viele positive Testergebnisse nach sich zieht. Von vielen vielen falsch Positiven ganz zu schweigen. Die Gründe für die Ignoranz gegenüber den Fakten liegen auf der Hand, keine innerparteilichen Diskussionen und eine verängstigte und daher folgsame Bevölkerung. Ignoranz ist nicht kriminell, das ignorieren von Grund- und Menschenrechten aber schon.

E. Müsch / 24.08.2020

CDU Parteitage sind so oder so überflüssig wie ein Kropf, und so vorhersehbar wie Weihnachten.  Die zusammengekarrten und vor verlesenen Delegierten werden die Vorlagen des Präsidiums wie immer nach lustloser Debatte durchwinken und am Ende, nach der aus dem Schlaf reißende Rede ihrer Führerin, sich die Ohren 11 Minuten lang vollklatschen. Kleber und Co sind sichtlich gerührt und ergriffen, kritisieren aber, dass der Beifall entschieden zu kurz war.

Hein Noog / 24.08.2020

Na ja, in der ehemaligen Sowjetunion hieß es , das Politbüro tagt, ob das in der ehemaligen DDR auch so hieß, weiß ich nicht. Aber mir scheint Merkel und ihr Schoßhündchen AKK wandeln auf deren Spuren.

Karl Dietsch / 24.08.2020

Der Überschrift müßte ein “Noch” vorangestellt werden. Und außerdem: Der Brandt´sche Satz: “Wir wollen mehr Demokratie wagen” ist entlarvend: Wer Demokratie als Wagnis empfindet, bei dem ist diese sicherlich nicht in guten Händen.

HaJo Wolf / 24.08.2020

Weder die CDU noch die SPD, von den Grünen und Linken ganz zu schweigen, werden jemals die Macht, die sie unrechtmäßig und gegen das Grundgesetz an sich gerissen haben, wieder aus der Hand geben. Nach Corona folgt die nächste “Welle”, die nächste “Pandemie” - die Diktatur wird immer wieder Gründe finden für die Knebel und Fesseln, die sie dem Volk angelegt hat. Solange das Volk brav hinterherhammelt statt aufzustehen und das Politgesocks zum Teufel zu jagen, bleibt es wie es ist. Und dann hat das Volk nichts Besseres verdient. Sie werden immer dreister. Ich sehe viel zu viele Parallelen zur Machtergreifung der Nazis. Erst schleichend, dann immer brutaler.

B. Oelsnitz / 24.08.2020

Diese Verlautbarung kommt keineswegs unerwartet; es wurde bereits übermittelt, daß selbst der BT-Wahltermin im nächsten Jahr noch nicht sicher ist. Dies erschließt sich auch aus verschiedenen Vorschlägen, die bis in das Jahr 2022 hinein reichen. Ein Titel für eine neue Partei ist bereits gefunden: DBU - Deutsche Bürger Union, die einfach beste Union!

W. van Dyk / 24.08.2020

Ab ‘33 wurde auch weniger Demokratie gewagt. Allerdings wurden trotz oder wegen dem Nazivirus Parteitage öffentlich mit Fackelzug, ohne Abstand und ohne Masken abgehalten. Die damalige Bevölkerung zeigte dann ihre Demut mit dem Zucken einer Armlänge Richtung Himmel. Gott sei Dank haben sich die Zeiten geändert!

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