Der Ultraschurke ist durch seinen Wahlsieg wieder einmal ins Gespräch gekommen. Man mutmaßt seit Tagen über das Ausmaß der Wahlfälschung und vergisst die prinzipielle Fragestellung: Kann es in einer Diktatur überhaupt freie Wahlen geben? Wie soll man frei wählen können, wenn die Meinungsfreiheit nicht garantiert ist? Wie soll Meinungsbildung ohne Meinungsfreiheit stattfinden?
Eine Diktatur wird in der Regel durch sich selbst abgewickelt, wenn der Fall eintritt, dass die Interessengruppen, die an der Macht beteiligt sind, zerfallen, oder Teile der Machtelite sich an die Spitze des Massen-Unmuts setzen. Da es sich um eine kontrollierte Gesellschaft handelt, in der die Opposition keine Stimme hat, bleibt der Protest ohne Programm, und wird so nur als Proteststimmung sichtbar.
Die westliche Öffentlichkeit hat die Neigung, alles nach dem eigenen Stand der Dinge zu beurteilen. So sucht man andauernd nach Unterscheidungsmerkmalen in der iranischen Öffentlichkeit, nach Belegen für ein normgerechtes politisches Leben. Man spricht dann von den Ultrakonservativen und den Reformern. Es ist eine Beschreibung des Irans mit unseren Worten und für unser Denken.
Ahmadinedschad ist in den letzten Jahren international zur überragenden Hassfigur geworden. Er ist aber keineswegs der Architekt des tatsächlich Bösen, auch er ist wahrscheinlich nicht mehr als ein Sprecher des größeren Ganzen, einer Theokratie, die die Normen des gesellschaftlichen Lebens durch die Rhetorik der Mullahs bestimmt und mit der Gewalt der Revolutionswächter absichert.
Seine ratlosen Gegner im In-und Ausland suchen Ahmadinedschad gelegentlich Verbrechen nachzuweisen. Das aber ist eine Detailfrage und Detailfragen richten im Kampf gegen eine Diktatur wenig aus. So hat die Wiener Staatsanwaltschaft schon seit Jahren Verdachtsindizien gegen den Mann an der Spitze des Schurkenstaats. Er soll 1989 an der Exekution von drei kurdischen Exilpolitikern beteiligt gewesen sein. Die Hinweise, heißt es, nach wiederholter Anfrage des Grünenpolitikers Peter Pilz, reichten für einen strafrechtlich relevanten Verdacht nicht aus. Diese Betrachtungsweise ist zum einen ein Merkmal der Rechtstaatlichkeit des Westens, zum anderen ist es der Ausdruck unserer Hilflosigkeit angesichts des staatlich organisierten Verbrechens im Iran.
Selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass eine solche Anklage zustande käme, wird man damit Ahmadinedschad nicht aus dem Amt jagen, noch wird es seinem Image schaden. Die Verbrechen, die im Iran tagtäglich aus amtlicher Veranlassung geschehen, sind weitaus schwerwiegender als der dreifache Mord in Wien. Das Problem ist das iranische Staatssystem an sich, das Amtsträger wie Ahmadinedschad erst möglich macht.