Volker Seitz / 26.01.2018 / 06:15 / 13 / Seite ausdrucken

Afrikas Korruption, Deutschlands Blindheit

Die Afrikanische Union (AU) hat 2018 zum „Jahr gegen Korruption“ erklärt. Beim 30. Gipfel vom 22.1. bis 1.2.2018 in Addis Abeba hat Ruandas Präsident Paul Kagame den Vorsitz übernommen. Er ist für seinen glaubhaften Kampf gegen Korruption bekannt. Andere afrikanische Staatschefs sind für ihre Abneigung gegen Vorteilsgewährung nicht aufgefallen. 

Afrikanische Politiker, wie ich sie kennen gelernt habe, leben oft in unglaublichem Luxus und stellen ihr Gewinnstreben über das Wohlergehen der Bevölkerung. Sie verkünden immer wieder mit markigen Worten einen kompromisslosen Kampf gegen Korruption. Aber wann werden aus Worten Taten? Wer packt an und will sein Land wirklich reformieren? Die meisten predigen Wasser und trinken Wein.

Die Ungleichheit in den meisten Ländern vergrößert sich stetig, weil die Einnahmen aus nationalen Ressourcen wie Mineralien, Öl, Holz nur einen winzigen Bevölkerungsteil begünstigt. Patronage-Netzwerke durchziehen die politische Kultur vieler afrikanischer Staaten. Korruption und Vetternwirtschaft sind die unvermeidlichen Folgen.

OXFAM hat ausgerechnet, dass jährlich etwa 200 Milliarden Dollar Afrika illegal verlassen und damit der Entwicklung fehlen. Die Korruption und der Missbrauch von öffentlichen Geldern stellt eines der größten Hindernisse für die Entwicklung afrikanischer Staaten dar. In dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International schneiden afrikanische Staaten – mit wenigen Ausnahmen (z.B. Ruanda, Mauritius, Botswana) – regelmäßig schlecht ab. Der Organisation zufolge liegt die Hälfte der dreißig korruptesten Staaten in Afrika. Manch einer hat dort geradezu grotesken Reichtum angehäuft. Jährlich wandert ein Viertel des afrikanischen Bruttoinlandsprodukts in private Taschen.

Die wirklichen Kosten der Korruption

Das hohe Maß an Bestechlichkeit ist ein Grund für den mageren Zustrom ausländischer Direktinvestitionen, die Afrika dringend für den Bau neuer Straßen, Fabriken und für die Verbesserung der Elektrizitäts- und Wasserversorgung braucht. Tatsächlich wäre die Bekämpfung der Korruption für afrikanische Regierungen die beste Selbsthilfe. Ich kenne ein ermutigendes Beispiel aus Togo. Dort wurden 2014 die Behörden mit dem größten Unterschleif zusammengelegt und ein Ausländer als Direktor berufen. Der Ruander mit kanadischem Pass Henry Gapéri gilt als unbestechlich. Die Einnahmen des Staates haben sich seither stetig erhöht.

Die Familie des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma ist der Wochenzeitung „Mail & Guardian“ zufolge an über 80 Unternehmen beteiligt – viele profitieren vor allem von Staatsaufträgen. Nicht untypisch für die gefährliche Verquickung von Politik und Wirtschaft – und das nicht nur in Südafrika. Es ist grotesk, angesichts des bisherigen Managements noch an Absichtserklärungen zu glauben.

Warum versorgen Europas Geberländer korrupte Länder weiter mit Geld? Karel Pinxton, der Sprecher des Europäischen Rechnungshofs, sagte in der belgischen Zeitung De Standaard über die 2011 gezahlten 1,6 Milliarden Entwicklungshilfe: „Sobald das Geld überwiesen ist, verlieren wir jede Spur.“

Wer in Afrika lebt, kann deutlich beobachten, wie den Bürgern in immer neuen Varianten Sand in die Augen gestreut wird. Betrugsskandale wie Ende 2012 in Uganda, wo 10 Millionen Euro, die für Hilfsprogramme in Norduganda gedacht waren, unterschlagen wurden, sind schon viel zu oft vorgekommen. Es ist fast unmöglich zu überprüfen, wie EU Hilfen, vor allem wenn es sich um Budgethilfe handelt, ausgegeben werden.

Überschäumender Reichtum weniger Profiteure

Was sagt das auch über das Verantwortungsbewusstsein und die Mitmenschlichkeit der regierenden Eliten aus? Es gibt ein paradoxes Verhältnis zwischen überschäumendem Reichtum weniger Profiteure und verheerender Armut. Fast überall, wo immer mehr junge und ältere Afrikaner verarmen, haben die Herrschaftsapparate in den zurückliegenden Jahren versäumt, ihre Politik nach den Bedürfnissen der Bevölkerung auszurichten. Das riesige Wachstumshemmnis Korruption wird bei uns leider immer noch kleingeredet. Diese Wohlstandsverluste kann keine Hilfe von außen ausgleichen.

Oft genug hält Entwicklungshilfe korrupte Regimes am Leben. Korruption schadet der Allgemeinheit. Zu den Konsequenzen der Korruption gehören überteuerte Preise und der Verlust von Vertrauen. Investoren werden abgeschreckt. Wachstumschancen werden zerstört. In keinem afrikanischen Land haben die Bürger oder Parlamente Zugang zu Dokumenten über Staatsaufträge und Verträge der Regierung. Transparenz und Rechenschaftspflicht des Regierungshandelns ist nicht gegeben. Deshalb können Bürger ihre Regierung und öffentliche Institutionen nicht zur Verantwortung ziehen.

Der ivorische Schriftsteller Ahmadou Kourouma schreibt in seinem immer noch aktuellen Roman „Allah n'est pas obligé“ (deutsch „Allah muss nicht gerecht sein“): 

„Selbst mit einem Universitätsabschluss kann man in diesen korrupten Bananenpubliken des französischsprachigen Afrikas nicht mal Krankenpfleger oder Lehrer werden.“

BMZ vernachlässigt Korruptionsbekämpfung

Wir sollten Korruption auch vor der eigenen Haustür endlich bekämpfen. Wenn dem BMZ wirklich an einer effektiven Korruptionsbekämpfung liegt, dann sollte ein öffentliches Antikorruptionsregister angelegt werden, dass es für korrupte Personen und Unternehmen keine Schlupflöcher mehr gibt.

2016 kamen eine Gruppe von Wissenschaftlern und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, die für das Ministerium die staatliche Entwicklungshilfe durchleuchtet haben, zu dem Schluss, dass gerade im BMZ die Korruptionsbekämpfung sehr vernachlässigt wird. Die Prüfer konstatieren „diverse Lücken in der Einbindung von Antikorruption in Dokumente und Prozesse“ des Ministeriums. Es herrsche „teilweise Unklarheit über Regeln und Berichtswege sowie das konkrete Vorgehen bei Korruptionsfällen“.

Der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat (Linke), Mitglied des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kritisiert, „dass ausgerechnet dem BMZ unter Minister Gerd Müller, der von den Partnerländern regelmäßig Good Governance einfordert und Korruption geißelt, eine sehr mangelhafte Korruptionsbekämpfung bescheinigt wird“.

Dennoch behauptet Noch-BMZ-Minister Müller: „Die deutsche Entwicklungshilfe ist stets an die Bedingung geknüpft, dass kein Euro in korrupte Kanäle verschwindet. Es werden nur Länder unterstützt, die sich um Rechtsstaatlichkeit bemühen und in denen die Ausbeutung ihrer Ressourcen nicht völlig an der einheimischen Bevölkerung vorbei geschieht.“ Das war noch nie so.

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“, das im Herbst 2014 in erweiterter siebter Auflage bei dtv erschienen ist. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

 

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Andreas Stüve / 26.01.2018

” Entwicklungshilfe” ist sofort zu stoppen. Seit ca. 1960 geht es in Afrika bergab, seit dem die ” Kolonialherren” verschwunden oder umgebracht worden sind. Ich habe wirklich alle Werke von Peter Scholl-Latour gelesen, der hat tatsächlich ALLE afrikanischen Länder, zum Teil regelmäßig, besucht. Er ist und bleibt wohl der profundeste Kenner dieses Erdteils. Wer Zweifel am Zustand Afrikas hegt, dem sei ein intensives Studium seiner Bücher empfohlen, sie sind aktueller denn je. Und er ist weit entfernt davon, mit der Rassismuskeule angegriffen werden zu können. Und haben wir im eigenen Land nicht genug ” Entwicklungshilfe” zu leisten? Rentner mit Grundsicherung, Obdachlose, marode Straßen und Brücken, Innovationsstau allerorten ? Leider gibt es keine UNO-Organisation, keine ” NGO”, die sich für die Belange der autochthonen Deutschen einsetzt. Das müssen wir selber tun, und ich denke, WIR SCHAFFEN DAS

René Paul Rozek / 26.01.2018

Deutschland ist nicht blind. // Die betreffenden Personen wissen genau, was sie tun. Wenn nicht, wären sie bestenfalls dumm. // Es gibt einen signifikanten Unterschied zwischen den ehemals britischen und französischen Kolonien. Die Briten haben zumindest so etwas wie eine Verwaltung UND eine Eisenbahn hinterlassen. Die Franzosen ... siehe ihr Artikel. // Weil das in den entsprechenden Ministerien jeder weiß, könnte man nach Projekten suchen - und die Turn-Key - UND schlecht bestechlich entwickeln. Meines Erachtens wäre der “flächendeckende” Droneport von Norman Foster mal ein richtiger Anfang. Klar ist - auch diese Idee kommt aus dem UK. Aus Frankreich kommt da ...

Martin Landvoigt / 26.01.2018

Absolute Unbestechlichkeit ist selten. Allzu oft gibt es eine Grauzone, in der es keine klaren Übertretungen gibt ... Stellen wir uns vor, ein (deutsches) Regierungsmitglied oder hoher Beater unterhält Kontakt zu einem Unternehmer, z.B. einem Wirtschaftsforum. Er ist für die Auftragsvergabe mit verantwortlich. Das Angebot jenes Unternehmers ist überzeugend und er bekommt den Zuschlag. Ist das bereits Korruption? Auch wenn weder ein Schmiergeld, noch eine Parteispende geflossen ist? Keine Geschenke und Urlaubsreisen, kein Versprechen auf einen Job oder Leistungen an Dritte? War da eine kleine Indiskretion über Angebote der Konkurrenz? Ein Freundschaftsdienst? Oder nichts dergleichen, aber ein Verdacht der Konkurrenz oder des politischen Gegners mal eben in den Raum geworfen? Wie kann man derartige Fälle der Grauzone, die es sicherlich auch in D zuhauf gibt, von jener krassen Korruption in Afrika klar trennen? Das Problem der klaren Kriterien und Trennschärfe macht einen korrekten Umgang mit dieser Praxis so schwierig.

Esther Burke / 26.01.2018

“Benötigt” die für uns ach so unverzichtbare Digitalisierung , E-Mobilität etc. die korrupten Regime, um ungehindert/zu “günstigen” Bedingungen an die erforderlichen Rohstoffe (Kobalt, wertvolle Erden, was noch alles ?) zu kommen ? Den Preis der Flüchtlingsströme müssen “wir” dann halt zahlen ?  (“Wenn mehr kommen,kann man auch nichts machen “?)  Antwort ist äußerst dringend erwünscht.

Jochen Becker / 26.01.2018

Ich habe über als 12 Jahre in Namibia gelebt und kann die Verhältnisse nur bestätigen. Namibia ist das Land mit der höchsten Entwicklungshilfe pro Kopf aus Deutschland. Dennoch kommt bei der Bevölkerung nichts an. Die Regierung redet ständig von Armuts Bekämpfung, tut aber effektiv nichts. Dagegen ist die Zurschaustellung von Reichtum der oberen 5% obszön. Jeder Abteilungsleiter im öffentlichen Dienst hat Anspruch auf einen Mercedes. Die privatwirtschaftlichen Bosse fahren Bugatti, Bentley und Porsche und leben in Villen, die sich gut an der Elbchaussee machen würden. Die herrschende Klasse braucht keinerlei Angst vor der Bevölkerung zu haben, da es sich de facto um einen Ein-Parteien-Staat handelt, wo der Präsident mit knapp 90% gewählt wird. Vermutlich werden auch die geforderten 6 Mrd. € für Reparationen am Genozid der Herero und Nama von 1904 in dunklen Kanälen versickern.

Karla Kuhn / 26.01.2018

Der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat (Linke), Mitglied des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kritisiert, „dass ausgerechnet dem BMZ unter Minister Gerd Müller, der von den Partnerländern regelmäßig Good Governance einfordert und Korruption geißelt, eine sehr mangelhafte Korruptionsbekämpfung bescheinigt wird“.  Kann es sein, daß “Mangelhaft” noch weit untertrieben ist ??

Andreas Rochow / 26.01.2018

Leider erfährt der Steuerbürger allzu wenig über die Effektivität und das Volumen der geleisteten Hilfen. Die im Einzelfall mit dem Empfängerland vereinbarten Deals scheuen offenkundig die Öffentlichkeit bereiten so den Boden für Korruption. Die Intransparenz steigert sich zusätzlich durch die involvierte ausufernde EU-Bürokratie. Dabei rächt sich die Missachtung einer altbekannten sozialpsychologischen Regel: Hilfe hat nur Aussicht auf Erfolg, wenn sie mit einem System von Bedingungen, Kontrollen und Strafen (den sog. positiven und negativen Verstärkern) verknüpft wird. Schon bei Auflage des Programms müssen die Bedingungen (Fristen, Sachziele) seiner Beendigung verbindlich vereinbart werden! Bedinungslose Hilfsexzesse aus vermeintlich moralischen und “Schuldgründen”, wie sie die Kanzlerin in Davos wieder gefordert hat, bewirken leider das krasse Gegenteil, sind quasi zum Scheitern verurteilt. Der Steuerbürger hat ein Recht zu fordern, dass auch bei der Ausgabe von Hilfsgeldern Sachverstand, Kontrolle, Transparenz, Öffentlichkei(!) und persönliche Verantwortung eine wesentliche Rolle spielen! Das alles wird sich nicht ändern, solange man meint, das Problem mit neuem Geld und neuen Parolen auf die immer gleiche ineffektive Weise lösen zu können. Enge externe Prozessbegleitung könnte ein Lösungsansatz sein; das BMZ ist überfordert und braucht neue Ideen und Köpfe.

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