Volker Seitz / 11.01.2025 / 14:00 / Foto: Montage achgut.com / 34 / Seite ausdrucken

Afrikanische Staaten werfen französische Truppen raus

Während viele Franzosen immer noch glauben, sie könnten die Weltpolitik militärisch mitgestalten, sind sie zutiefst verletzt über die „Undankbarkeit“ der Regierungen in ihren Ex-Kolonien.

Frankreich hatte auch nach dem Ende seiner Kolonialherrschaft Militärstützpunkte in Afrika. West- und Zentralafrika ist eine extrem fragile Region, wo die Franzosen für ihre jahrzehntelange Arroganz zahlen müssen. (Siehe auch "Frankreichs Afrika - Geldbote packt aus." Achse vom 22.11.2024.) Während viele Franzosen immer noch glauben, sie könnten die Weltpolitik militärisch mitgestalten, sind sie zutiefst verletzt über die „Undankbarkeit“ der Regierungen in ihren Ex-Kolonien.

Die gute Seite ist, dass einige der Länder ihre Zukunft in die eigenen Hände nehmen wollen. Weder Frankreichs Unterstützung noch Einfluss ist mehr gewünscht. Die Regierungen fühlen sich von Frankreich ebenso alleingelassen wie die Bevölkerungen der betroffenen Länder. Dies war ein wichtiger Grund für den Bruch mit Frankreich. Einige Regierungen versuchen es jetzt mit einer Sicherheitspartnerschaft mit Russland. Auch die Türkei bietet sich als Partner für militärische und Sicherheitsfragen an.

Eine zornige Erklärung von Emmanuel Macron hat auf dem Kontinent für Kontroversen gesorgt. Die Afrikaner, allen voran der tschadische Präsident Mahamat Idriss Déby Itno, antworteten am Dienstag, den 7. Januar, auf die Äußerungen des Staatschefs, die er am Vortag in einer Rede vor den in Paris versammelten französischen Botschaftern gemacht hatte. Für Macron hatten die afrikanischen Führer „vergessen, sich bei uns zu bedanken“, als Frankreich 2013 auf ursprüngliche Bitte Malis „zu Recht“ in der Sahelzone militärisch gegen dschihadistische Kämpfer eingriff. „Das ist nicht schlimm, das kommt mit der Zeit“, ärgerte sich der französische Staatschef mit falscher Ironie. Ohne diese Antiterroroperationen würde „keiner von ihnen“ ein souveränes Land führen, urteilte er und sprach von „Undankbarkeit“ seitens seiner Amtskollegen in der Sahelzone. Nach den neun afrikanische Ländern, die französische Militärstützpunkte auf dem Kontinent beherbergten, werden es in naher Zukunft nur noch zwei sein, Gabun und Dschibuti.

Massiv geschrumpfter Einfluss in Afrika

Denn nachdem die französischen Streitkräfte die Zentralafrikanische Republik, Mali, Burkina Faso und Niger verlassen haben, kündigten der Tschad und der Senegal im November letzten Jahres an, dass sie sie aus ihren Ländern abziehen lassen wollen.

Ihnen wird die Côte d’Ivoire folgen. Präsident Alassane Ouattara (Foto) hat in seiner Neujahrsansprache den Abzug der französischen Truppen aus dem Land angekündigt. Der Rückzug werde noch im Januar beginnen. Die ivorische Armee sei modernisiert. Der Standort des französischen Marineinfanterie-Bataillons von Port Bouet werde daher den Truppen der Côte d’Ivoire übergeben. Bisher waren noch etwa 1000 französische Soldaten stationiert.

Ouattara war bislang ein vermeintlicher Verbündeter der ehemaligen Kolonialmacht. (Er ist mit einer Französin verheiratet und ist mit Jean-Christophe Mitterand, Sohn des ehemaligen Präsidenten befreundet.) Offenbar haben die Wahlen im Oktober eine Rolle bei der Entscheidung gespielt. Allerdings hat er Militärabkommen nicht gekündigt, was eine weitere Kooperation möglich macht.

Während Teile des französischen Staatsapparats immer noch nicht den massiv geschrumpften Einfluss in Afrika wahrhaben wollen, ist die Schließung der kostspieligen Militärbasen für das kriselnde, hoch verschuldete Frankreich aber auch eine gute Nachricht.

Volker Seitz, ist Botschafter a.D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird arm regiert, dtv, 2021 (11. aktualisierte Auflage) Das Buch wurde seit dem erstmaligen Erscheinen (2009) mit jeder der zahlreichen Neuauflagen aktualisiert und erweitert. Von der ersten Auflage bis heute haben sich die Seitenzahlen fast verdoppelt. Das Buch hat durch seine Informationsdichte einen hohen Wert. Seine Aussagen gelten nach wie vor. Die so genannte Entwicklungshilfe subventioniert immer noch schlechte Politik. Solange immer Ausreden gefunden werden, warum korrupte Regime unterstützt werden sollen, werden auch die Fluchtursachen nicht verringert werden. Die Profiteure der Entwicklungshilfe behaupten: Hilfe funktioniert. Aber warum gehe es heute den meisten afrikanischen Ländern schlechter als zum Ende der Kolonialzeit, fragt Seitz. Es würden kaum Arbeitsplätze vor Ort geschaffen und das breite Elend werde nicht beseitigt, weil Zielgruppen nicht in die Maßnahmen einbezogen werden. Afrikanische Kritiker würden nicht zu den Kongressen eingeladen.

Hilfsgelder heizten in vielen Ländern die Korruption an und halten Afrika in Abhängigkeit. Deshalb plädiert Seitz aus Respekt vor der Leistungsfähigkeit der afrikanischen Gesellschaften, die bisherige Hilfe durch wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage beiderseitiger Interessen zu ersetzen. Wirkliche Hilfe würde bei der intensiven Förderung von Geburtenkontrolle beginnen. Weniger Geburten hätten in Teilen Asiens und Südamerikas zu besseren Lebensbedingungen geführt. Er wundert sich über die Ignoranz in der Politik und den Medien, wenn es um das wahre Problem Afrika gehe.

Seitz wird nie pauschal, hebt immer wieder positive Beispiele hervor und würdigt sie im Detail. Ein Buch, das über weite Strecken auch Lesevergnügen bereitet, ist immer noch genauso aktuell wie zum Zeitpunkt seiner Erstveröffentlichung. Es richtet sich nicht an ein Fachpublikum. Der Autor bedient sich einer Sprache, die klar ist, dass sie auch Lesern ohne jegliche Vorkenntnisse einen Zugang zu der Thematik – die uns alle betrifft – eröffnet.

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Leserpost

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Holger Kammel / 12.01.2025

Herr Bauer, Kiel, nicht Emden?  1908 oder sieben fuhr eine dänische Adlige nach Afrika. in ihrem Tagebuch erwähnt sie einen vollkommenen Gentleman. Der spätere General von Lettow Vorbeck. Sie wurde später bekannt durch ihren Roman “Jenseits von Afrika”. Der General ist weithin unbekannt als letzter deutscher Truppenverband, der im 1. Weltkrieg kapituliert hat. Noch heute hoch verehrt in Tansania. Von seinen Soldaten und ihren Nachkömmlingen , genannt Askari.  “Heia Safari!”

Wolfgang Richter / 11.01.2025

@ Wolfgang Kolb - “Boko Haram hat den Norden Nigerias verwundbar gemacht, bisherige Aktionen der Regierung haben keinen Erfolg gebracht.” - Wenns so einfach wäre. In Mali zB sollen die “Franzosen” nach dem Rauswurf nun die Islamisten unterstützen, zu deren Bekämpfung sie vorher dort Truppen stationiert haben wollen. Eher wenig gegen selbige zu unternommen zu haben, hatte selbige nicht groß gefährdet und die dauerhafte Stationierung französischer Soldaten begründet. Und um “den Russen” eine militärische Schlappe zu versetzen, hatte ukrainisches Militär besagte Islamisten vor Monaten gegen das malische Militär und deren russische Unterstützer “in Form gebracht”. Und wes Kind zB Al-Kaida ist, muß ich hier ja wohl kaum mehr erklären.

Wolfgang Richter / 11.01.2025

@ W. Renner - “Aber mir erschliesst sich dann nicht, weshalb dann so viele vor den neuen Machthabern nach Frankreich flüchten.” Abräumen was noch geht. Das Lesen von Houellebeques “Unterwerfung” gibt weitere Einblicke. Die “Rache der Kleinen Leute”. Und die die “flüchten”, machen sich vor gerade ihnen feindlich gesinnten Machthabern weg. Andere kommen schlicht als Invasoren, muß ja nicht immer mit dem Panzer sein.

Holger Kammel / 11.01.2025

Ich bedanke mich an alle Foristen, die mich heute gelehrt haben.

Wolfgang Richter / 11.01.2025

“Einige Regierungen versuchen es jetzt mit einer Sicherheitspartnerschaft mit Russland.” - Vor allem China ist überall in Afrika aktiv, Bodenschätze und Kauf von Ackerland gegen Aufbau von Infrastruktur, teilweise wohl verbunden mit “Knebel-” Kreditverträgen. Aber offenbar sehen viele “Afrikaner” diese vertraglichen Bindungen immer noch als ehrlicher an, als das, was ihnen die “alten Kolonialmächte” anzubieten haben und aufzwingen.

Volker Seitz / 11.01.2025

@L. Luhmann. Im Senegal und der Cote d‘Ivoire leben seit jeher Muslime und und Christen friedlich zusammen. Nicht so z.B. in Nigeria. Darüber habe ich schon häufiger geschrieben.

Klaus Keller / 11.01.2025

An Holger Kammel: Als die deutsche Stellung am Viktoriasee nicht mehr zu halten war, verließen einige Europäer am 14. Juli 1916 auf der Schwaben den Ort Muansa. Am Abend des nächsten Tages wurde die Pinasse zusammen mit den Schiffen Heinrich Otto und Muansa in Neu-Hanerau durch Öffnen der Bodenventile versenkt, um nicht in feindliche Hände zu fallen… Im Wikipedia-Artikel über den See ist ein Foto vom Hafen von Kisumu auf dem 2 alte Schiffe zusehen sind…

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