Gastautor / 29.09.2016 / 06:25 / Foto: Friedrich Haag / 12 / Seite ausdrucken

Afrika und Deutschland: Sozialtransfers sind Fluchtursache Nr.1

Von Volker Seitz.

Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller hat eine neue Idee: er will Asylbewerber ausbilden, wenn sie dafür in ihre Heimat zurückkehren. Das soll 100 Millionen Euro kosten. Damit schafft er allerdings neue Fluchtursachen. Wer garantiert, dass ein Migrant nach ein paar Jahren wirklich in sein Heimatland zurückkehren will, um sein Land wieder aufzubauen? So wird Müller den Trend nicht umkehren, dass Armutsmigration aus Afrika stattfindet, und dass sie vor allem kriminellen Banden nutzt, die Flüchtende großen Gefahren aussetzen. Der Vorschlag wäre sinnvoll, wenn die Ausbildung im Heimatland erfolgte. Auch eine Sprachausbildung würde sich erübrigen. Deutschland könnte in den Ländern, aus denen die meisten Migranten kommen, Berufsausbildungszentren eröffnen, in welchen die Ausbilder vor Ort die Lebensumstände der Migranten kennen lernen würden. Denkbar wäre eine auch eine europäische Berufsausbildungsinitiative, eine Art Senior Expert Service. Es gibt nach meiner Erfahrung genug europäische Handwerker und andere Fachleute im Rentenalter, die gerne ihre Kenntnisse und Fähigkeiten weitergeben würden.

Auch könnten Afrikaner aus der Diaspora, die ein Produkt oder eine Geschäftsidee haben, mit einem überzeugenden Businessplan gefördert werden. Der deutsche Mittelstand und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) könnten Managementfähigkeiten fördern, und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) könnte für ein paar Jahre Wagniskapital zur Verfügung stellen. Die dann gegründeten Unternehmen, etwa in allen Handwerksbereichen, in Infrastruktur, Lebensmittelverarbeitung, Medizintechnik, Biotechnologie, Pharmazie und IT, würden dringend benötigte Arbeitsplätze schaffen.

Mit der Ausbildung vor Ort würde das BMZ auch besser auf die Notwendigkeiten in den entsprechenden Ländern reagieren können. Welcher Ausbilder in Deutschland kann sich den Alltag in afrikanischen Ländern vorstellen? Wer weiß schon, dass Afrikaner auch mal ein, zwei Tage ohne Strom und Wasser auskommen müssen? Nahezu jeder Afrikaner fürchtet sich vor der Machtfülle der Bürokratie seines Landes. Das Leben ist kompliziert, weil vieles, was nicht oder schlecht funktioniert, offenbar nicht geändert werden kann. Ineffizienz ist Alltag, und etwas anderes haben viele Afrikaner nie kennengelernt. Beispielsweise ist auch die Einstellung von Politikern und Beamten zu Terminen lässig. Unpünktlichkeit wird bewusst als Mittel eingesetzt, um den eigenen Status zu betonen und an die eigene Wichtigkeit und Macht zu erinnern. So wird viel Zeit verschwendet. Pünktlichkeit bei der Arbeit und deren Kontrolle – wie durch die ehemaligen Staatspräsidenten Sankara (Burkina Faso) und Kountché (Niger) – erregten großes Aufsehen. Besprechungen etwa beginnen erst, wenn der „wichtigste“ Teilnehmer eingetroffen ist – wann immer das auch sein mag. Die Inkompetenz der Bürokratie wird noch dadurch verstärkt, dass sehr viele Stellen nicht nach Ausbildung und Qualifikation, sondern nach dem Verwandtschaftsgrad des Stelleninhabers mit demjenigen, der über die Stelle zu entscheiden hat, besetzt sind.

Entwicklungshilfe in der heutigen Form macht arm

Entwicklungshilfe macht arm, weil sie Abhängigkeit schafft. Eigeninitiative und staatliche Innovationsfreudigkeit verkümmern. Allgegenwärtige Hilfswerke verhindern, dass die regierenden Eliten die Entwicklung ihrer Länder in die eigenen Hände nehmen. „Was nicht von innen keimt, ist in der Wurzel schwach“, so der schwäbische Nationaldichter Ludwig Uhland.

Der Schweizer Journalist Philipp Gut schreibt in der Weltwoche: „Man will nicht mehr recht von ‚Entwicklung‘ und schon gar nicht von ‚Unterentwicklung‘ reden, lieber spricht man von ‚Austausch auf Augenhöhe‘, ‚gegenseitigem Lernen‘ und ‚Selbstbestimmung‘ – wobei man trotz aller rhetorischen Kosmetik daran festhält, die angeblich gleichberechtigten ‚Partner‘ im Süden und Osten wie unmündige Wesen zu behandeln und mit Hilfsprojekten aller Art zu beglücken. Der Kolonialismus von heute kommt auf Samtpfoten daher und spricht die Sprache ­sozialtherapeutischer Korrektheit.“

Als Schwarzafrika noch nicht Afrika südlich der Sahara hieß und Empfängerländer nicht politisch korrekt als Partnerländer bezeichnet wurden, sprach man von Entwicklungshilfe statt von Entwicklungspartnerschaft. Kein anderes Schlagwort der Entwicklungshelfer – und es gibt deren viele – geht in diesem Milliarden-Business so weit an der Realität vorbei wie das der Partnerschaft. Wir sollten wichtige Schritte aus eigener Kraft durchführen lassen und Abstand davon halten, eigene Werte und Maßstäbe auf andere Kulturen anzuwenden.

Mehr Menschen werden geboren, als Jobs entstehen

Statt über die angeblich zu geringe Entwicklungshilfe zu streiten, müssten die Regierungen in Afrika durch Koppelung der Hilfsgelder zu einer realistischen Bevölkerungspolitik gedrängt werden, die hohe Geburtenraten mit weit mehr Nachdruck angeht. Vom Westen wurde dies bislang allenfalls in winzigen homöopathischen Dosen betrieben, aus Angst, als „Rassist“ zu gelten. Mit den Imamen, die Verhütung als Versuch des Westens sehen, die Entwicklung des Landes zu blockieren, muss endlich gesprochen werden. Der Ansatz von BMZ-Minister Müller, mit moderaten religiösen Führern zusammenzuarbeiten, um die heikle Frage der Familienplanung anzugehen, ist richtig. Allerdings war dies bislang nur eine Absichtserklärung.

Subsahara-Afrika ist schon heute eine der Regionen mit der höchsten Arbeitslosigkeit der Welt. Laut der International Labour Organization (ILO) findet dort nur die Hälfte aller jungen Leute eine Arbeit. Über 60 Prozent verfügten nicht über eine Ausbildung, die sie zu einer produktiven Beschäftigung befähige, so die ILO. Wer Armut bekämpfen will, muss Ausbildung und Arbeit schaffen. Die meisten Afrikaner arbeiten im informellen Sektor, ohne regelmäßigen Lohn, ohne Krankenversicherung und Rechtsschutz. Sie alle sind potentielle Migranten.

Sozialtransfers sind Fluchtursache Nummer eins

Deutschland zahlt Flüchtlingen oder Migranten derzeit beinahe den Hartz-IV-Satz. So viel Entwicklungshilfe kann gar nicht geleistet werden, um dies für Armutszuwanderer unattraktiv zu machen. Die hohen Bargeldzahlungen und die Gesundheitskarte mit einer umfassenden kostenfreien Gesundheitsversorgung in Deutschland sind Fluchtursachen Nummer eins. Weit verbreitet ist in Afrika die Meinung: „Wir werden in Deutschland erwartet.“ Die Erwartungen an Deutschland sind grenzenlos. Der Migrationsdruck aus Afrika auf Deutschland ist sehr viel größer, als wir bisher wahrnehmen.

Deshalb sollten wir von den Asylverfahren der Schweiz lernen. Anträge von Menschen aus sicheren Herkunftsländern werden im Eilverfahren abgearbeitet und haben praktisch keine Aussicht auf Erfolg. Die Gesuche sind deshalb stark zurückgegangen. Die Schweiz hält sich, anders als Deutschland, streng an die Regeln des Dublin-Abkommens: Asylbewerber, die bereits in einem anderen Land registriert wurden, werden konsequent dorthin abgeschoben. Damit verkürzt sich die Aufenthaltsdauer und macht einen Asylantrag in der Schweiz für diejenigen unattraktiver, die erst einmal Zeit gewinnen möchten. Mit Nigeria und Tunesien hat die Schweiz vorbildliche Migrationspartnerschaften abgeschlossen, um Rückkehrer beim Berufsstart in ihrer Heimat zu unterstützen, beispielsweise mit Ausbildungshilfen oder Anschubfinanzierungen für eine Firmengründung.

Der Berufsstart in der Heimat – das sollte Ziel auch von BMZ-Minister Gerd Müller sein.

(Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“, das im Herbst 2014 in erweiterter siebter Auflage bei dtv erschienen ist.)

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Sabine Müller / 29.09.2016

Ich habe auch schon eine Dokumentation gesehen, über Ausbildungsiniativen an der afrikanischen Küste, die Jugendlichen in einem Handwerksberuf ausgebildet haben. Trotzdem sagten die Interviewten, nach Europa zu wollen!  Solange es in ihren Heimatländern keine Firmen gibt, sind alle Bestrebungen nutzlos. Obamas Schwester versucht seit Jahren, afrikanische Selbstständigkeit zu fördern, sie spricht genau das beschriebene Problem an. Absolut richtig ist der Blick auf eine Bevölkerungspolitik, die diesen Namen verdient! Der Kinderreichtum steht einer wirtschaftlichen Entwicklung zwangsläufig im Weg. Warum das unsere Politiker nicht sehen, ist mir schleierhaft.

Andreas Horn / 29.09.2016

Ein sehr treffender Artikel!  Nur sollte man in diesem Sinne mehr private Initiativen fördern, statt dem Moloch BMWZ und seinen bengo Satelliten die Gelder für Bildung und Ausbildung anzuvertrauen. Da fließen nämliche satte 75% zuerst in den Wasserkopf und die Behaglichkeit der staatlichen"Entwiecklungshelfer” vor Ort.

Nicolas Linkert / 29.09.2016

Wichtig ist in diesem Zusammenhang nur, dass der Plan von Coudenhove-Kalergi, der EU und Nicolas Sarkozy sukzessivw umgesetzt wird, was ja auch passiert. Sarkozy hat das mal mit entwaffnender Ehrlichkeit ausgeführt: “Was also ist das Ziel? Das Ziel ist die Rassenvermischung. Die Herausforderung der Vermischung der verschiedenen Nationen ist die Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Es ist keine Wahl, es ist eine Verpflichtung! Es ist zwingend! Wir können nicht anders, wir riskieren sonst Konfrontationen mit sehr großen Problemen …, (...) Wenn das nicht vom Volk freiwillig getan wird, dann werden wir staatliche zwingende Maßnahmen anwenden!“ Videos dazu finden sich bei youtube - Und ja, es ist Sarkozy höchstselbst, der das anbringt.

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