Gastautor / 02.01.2017 / 06:15 / Foto: Kate Holt/AusAID / 0 / Seite ausdrucken

Afrika muss sein Schicksal selbst in die Hand nehmen

Von Volker Seitz.

Immer wieder wird in europäischen, vor allem in deutschen Medien das schmerzvolle und tief verwurzelte afrikanische Trauma der Kolonialzeit bemüht. Demgegenüber hat zum Beispiel die ältere kamerunische Bevölkerung von der deutschen Kolonialzeit (1884 bis 1916) ein eher undifferenziertes, allerdings sehr positives Bild. Die Deutschen hätten Eisenbahnschienen verlegt und Flussbrücken gebaut, die noch heute dem Verkehr standhalten, bekam ich immer wieder zu hören. Reklame-Tafeln in Kamerun zeigten 2008 neben dem deutschen Bier Isenbeck eine von Deutschen zu Kolonialzeiten errichtete Brücke, die noch heute benutzt wird (Slogan: „Serieux, durable, sur…..confiance aux allemands! /Ernsthaft, dauerhaft, zuverlässig……Vertrauen in die Deutschen).

Missstände werden den Franzosen angelastet, die nach dem Ersten Weltkrieg die Herrschaft im größten Teil des Landes übernahmen. Aber auch das „Trauma“ der französischen Kolonialzeit (1919 bis 1960) ist nicht tief verwurzelt. Wie anders wäre zu erklären, dass jeder gut situierte frankophone Afrikaner selbstverständlich seine Kinder auf Schulen oder Universitäten nach Frankreich schicken möchte und die Visaerteilung durch Frankreich in allen Ländern, in denen ich tätig war, ein viel diskutiertes Thema ist?

Afrikapolitik ist aus Sicht der meisten afrikanischen Politiker mit Entwicklungshilfe gleichzusetzen. In kaum einem anderen Bereich sind die Wahrnehmung unserer Öffentlichkeit und der Realität so weit voneinander entfernt wie bei der Entwicklungshilfe. Die modischen Ausdrücke wie „Entwicklungszusammenarbeit“, „Ownership“ sind ein Euphemismus. Das Vertrauen in die „African Ownership“ sollte sich auf Länder wie Botswana, Ruanda, Mauritius, Seychellen, Kap Verde, Senegal und Namibia beschränken. In diesen Ländern gibt es zupackende Regierungen, die die Systeme wirklich reformieren wollen.

Ein Messer ohne Klinge, dem der Griff fehlt

Wenn man in den anderen Ländern in Afrika die Leute zum Lachen bringen will, muss man nur von „African Ownership“ sprechen. Ja, Ownership gebe es schon, aber vorrangig „private“ und weniger „African“. Die von mir in 17 Jahren in Afrika beobachtete praktizierte „Ownership“ erinnert an den berühmten Satz von Georg Christoph Lichtenberg von einem „Messer ohne Klinge, dem der Griff fehlt“. In diesen Ländern ist noch die afrikanische Tradition vorherrschend, Staatsführer trotz eklatanter Fehlleistungen nicht zu kritisieren, den „Rauch sehen, aber nicht das Feuer löschen“.

Während die Bevölkerung in den Industrienationen glaubt, mit „Entwicklungszusammenarbeit“ Armut zu lindern und der Gerechtigkeit zu dienen, machen sich die Helfer vor Ort nur selten Illusionen. Aber diese Diskrepanz wird in Deutschland nicht öffentlich diskutiert. Der Aktivismus der guten Gesinnung muss mit einem Fragezeichen versehen werden. Ich bezweifle, dass bisher aus den Erfahrungen die richtigen Schlüsse gezogen werden. Da wir keine große Rücksicht auf die Realitäten in den verschiedenen Ländern nehmen, befreit de facto die aktuelle Entwicklungshilfe die meisten Staatschefs aus der Verantwortung gegenüber ihrem Volk.

Der „Bonner Aufruf“ begrüßt die Entscheidung der Bundesminister Müller und Gabriel, die Förderung deutscher Unternehmen, die in Afrika investieren wollen, erheblich auszuweiten. Afrikanische Unternehmen einzubeziehen ist ebenfalls richtig. Damit liegt die Bundesregierung auf einer Linie mit dem „Kölner Memorandum“ von Ende November. Darin wird gefordert, „einheimische und ausländische Unternehmer, die Produktionsbetriebe in Afrika errichten, umfassend zu fördern, weil die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas ohne Industrialisierung nicht möglich ist“. Mittelständische Unternehmen, die sich in Afrika engagieren wollen, sollte die Bundesregierung besonders unterstützen. Sie sollte allerdings nicht die Erwartung wecken, mit diesem Vorstoß ließen sich Flüchtlingsströme in absehbarer Zeit eindämmen. Erst sehr langfristig könnte das dabei herauskommen. Der wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas kann diese politische Kursänderung jedoch einen wesentlichen Impuls geben.

Hauptproblem bleibt das Bevölkerungs-Wachstum

Die Bevölkerung wächst in den meisten afrikanischen Ländern viel schneller als die Zahl der Jobs. Es gibt, mit Ausnahme von Ruanda, kaum ein Land in Afrika, das Familienplanung ernst nimmt. Jedes Jahr drängen Millionen junger Leute auf den Arbeitsmarkt. Wenn in den betroffenen Ländern nicht viel mehr für Familienplanung geworben wird, nicht viel mehr in solide schulische und berufliche Bildung investiert wird, um Menschen beschäftigungsfähig zu machen, werden wir es mit einer weiter wachsenden Zahl von Wirtschaftsmigranten zu tun bekommen. Die Schaffung von geregelten Arbeitsplätzen muss oberstes Ziel sein und Gesellschaften müssen für jeden, der arbeiten kann und muss, unabhängig vom Bildungsniveau Jobs schaffen. Auch gut ausgebildete Menschen lassen sich magere Zukunftsaussichten nicht bieten.

Ein Arbeitsplatz mit sicherem Einkommen ist das beste Mittel, um sich selbst aus der Armut zu befreien. Ein sehr hoher Anteil von Jugendlichen und jungen Erwachsenen wirkt destabilisierend in den Herkunftsländern, wenn die jungen Leute keine Arbeitsplätze finden. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung bedeuten Ressourcenverschwendung und dem Staat entgehen Steuereinnahmen. Das verarbeitende Gewerbe steckt in vielen Staaten noch in den Kinderschuhen. Würden die Chancen der Nahrungsproduktion besser ausgeschöpft, entstünden ebenfalls genügend Jobs.

Die Prosperität des Südens sollte nicht länger als Bringschuld begriffen werden, die der Norden mit immer mehr Kapitaltransfers abzugelten hat, sondern als selbst zu lösende Aufgabe. Die Diskussion muss auch in afrikanischen Medien geführt werden, auch wenn man damit bei all jenen Gesinnungsethikern aneckt, die Verantwortung für Armut und Unterentwicklung ausschließlich im Norden vermuten.

Afrika muss sich wie Asien und Lateinamerika sein Leben selbst verdienen, durch Produktion von Gütern, die auf dem Weltmarkt verkauft werden können. Das können die Länder Afrikas mit ihren kreativen, gewitzten, überaus sprachbegabten und lebensbejahenden Bevölkerungen. Unterstützenswerte innovative und zukunftsweisende Start-Ups, die auch Arbeitsplätze schaffen, gibt es vor allem in Kenia, Nigeria und Südafrika. Beispiele auch aus anderen Ländern finden sich bei der IHK Mittlerer Niederrhein unter „Die 30 innovativsten Start-Ups Afrikas

Afrika muss seine Minderwertigkeitskomplexe ablegen und von der Bettlermentalität wegkommen. Es muss seine Brücken selbst bauen – und nicht nur auf die Deutschen vertrauen.

Volker Seitz war 17 Jahre als Diplomat in Afrika tätig. Sein Buch „Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann“ erschien 2014 bei dtv in 7. überarbeiteter und erweiterter Auflage. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

Foto: Kate Holt/AusAID CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

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