Volker Seitz / 10.06.2019 / 14:00 / Foto: Ken Teegardin / 16 / Seite ausdrucken

Afrika: Der Griff in die Staatskasse

Afrikas politische Elite macht häufig negative Schlagzeilen wegen Korruption und Nepotismus, so auch dieser Tage wieder ein Fall in Äquatorialguinea. Die gewöhnlich gut unterrichtete französische Zeitschrift Jeune Afrique nimmt in ihrer Ausgabe 3042-43 (28.4. - 11.5.2019) den Bargeldfund in der Residenz des am 11. April 2019 abgesetzten Staatschefs des Sudan, Omar el Baschir, zum Anlass, über Bargeldfunde in Häusern anderer verjagter afrikanischer Präsidenten zu berichten. El Baschir wurde – nach 26 Jahren an der Macht – Mitte April vom Militär festgesetzt. Bei der Durchsuchung seiner Residenz fanden Ermittler Euro-Noten, Dollar und sudanesische Pfund im Wert von 116 Millionen Euro.

Tschad

Der von 1982 bis 1990 regierende Despot Hissène Habre aus dem Tschad kam in seinem Exil in Dakar auch nicht mit leeren Händen an. In mehreren Koffern befanden sich 4,5 Millionen Euro, die er sich vor seiner Flucht aus der Zentralbank hat bringen lassen. 16 Jahre nach seinem Sturz wurde der „Schlächter des Tschad“ 2016 von einem afrikanischen Sondergericht (Extraordinary African Chambers – EAC) in Dakar als politischer Massenmörder zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht schätzt, dass er für 40.000 Tote verantwortlich ist. Die Opfer waren politische Gegner und Angehörige rivalisierender ethnischer Gruppen. Da der Tschad nie die Auslieferung beantragte, wurde der Senegal aktiv. Einen großen Teil der Kosten des Verfahrens übernahmen Belgien, Frankreich und die Niederlande.

Zaire, heute Demokratische Republik Kongo

Mobuto Sese Seko (1965 - 1997) beutete bis zu seinem Sturz im Mai 1997 den Kongo aus. Kein anderes afrikanisches Land hat es mit seinen Naturreichtümern so gut getroffen wie der Kongo. Als absehbar war, dass Mobuto fliehen muss, gab er den Befehl, alle Devisen aus der Zentralbank in sein Palais zu bringen. Es sollten 40 Millionen sein, allerdings scheinen sich seine Schergen heftig selbst bedient zu haben, so dass es offenbar einige Millionen weniger waren. Mobuto galt aber schon in den 1970er Jahren als Dollar-Milliardär und dürfte in seinem Exil in Marokko keine Not gelitten haben.

Nigeria

Sani Abacha war von 1993 bis zu seinem Tod 1998 Machthaber von Nigeria. 4,5 Milliarden Euro soll er in den fünf Jahren seiner Herrschaft unterschlagen haben. Ein Teil seiner Beute (Schmuck und Edelsteine) wurde 2012 nach einem Einbruch in eines seiner Häuser in Kano gefunden. Der größte Teil seines Vermögens wurde aber in europäischen und amerikanischen Banken aufbewahrt. 2017 gab die Schweiz 321 Millionen Dollar seiner illegal erworbenen Vermögenswerte an Nigeria zurück.

Tunesien

Einen kleinen Teil des Vermögens des tunesischen Staatschefs Zine-el Abidine Ben Ali (1987 - 2011), den das Volk 2011 aus dem Amt jagte, fand sich in seinem Palast in Sidi-Bou-Said hinter einer falschen Bibliothek: Schmuck und verschiedene Währungen im Wert von 175 Millionen Euro. Die Bilder gingen damals um die Welt. Mit angeblich 1,5 Tonnen Gold im Flugzeug floh der Diktator nach Saudi-Arabien. Schon 2011 verurteilte ein tunesisches Gericht ihn und seine Frau zu jeweils 35 Jahren Gefängnis. Saudi-Arabien verweist jedoch auf seine Gastfreundschaft und die „islamische Barmherzigkeit“.

Mauritius

2015 wurde das Domizil des ehemaligen Labor Regierungschefs von Mauritius, Navin Ramgoolam (1995 - 2000 und 2005 - 2014) im Rahmen eines Strafverfahrens durchsucht. Die Polizei fand in Koffern diverse Währungen im Wert von 13 Millionen Euro. Ramgoolam behauptete, dass es sich um Wahlkampfspenden handelte. Zu einer Anklage kam es nicht.

Simbabwe

Nach einem Bericht der Regierungszeitung „The Herald“ wurde Robert Mugabe, der Ex-Präsident von Simbabwe (1987 - 2017), anlässlich der Feiertage zum Jahreswechsel 2018/19 in seinem Landhaus in Zvimba (Westprovinz) bestohlen. Er hatte dort 922.000 US-Dollar in der Bibliothek versteckt. Vier Personen, darunter eine Verwandte, Constancia Mugabe, wurden des Diebstahls verdächtigt.

Simbabwe ist reich an Mineralien wie Platin, Diamanten, Graphit und Gold, verfügt jedoch über keine verarbeitende Industrie in diesen Sektoren, was das Land abhängig macht von den Preisentwicklungen an den internationalen Rohstoffmärkten. Von den Bodenschätzen profitierten nur wenige Simbabwer um die Familie Mugabe. First Lady Grace Mugabe beutete zum Beispiel das außerordentlich ertragreiche Diamantenfeld von Marange nahe der Grenze zu Mosambik als Privatbesitz aus. Im Volk wird sie Gucci Grace genannt, in Anspielung auf ihren luxuriösen Lebensstil.

Obwohl Mugabe als Dollar-Milliardär gilt, hatte die Regierung seines Nachfolgers Emmerson Mnangagwa kürzlich 4 Millionen US-Dollar für seine Krankenhaus- und Aufenthaltskosten in Singapur aus der Staatskasse angewiesen.

Überschäumender Reichtum und verheerende Armut

In Afrika gibt es ein paradoxes Verhältnis zwischen überschäumendem Reichtum weniger Profiteure und verheerender Armut. Fast überall, wo immer mehr junge und ältere Afrikaner verarmen, haben die Herrschaftsapparate in den zurückliegenden Jahren versäumt, ihre Politik an den Bedürfnissen der Bevölkerung auszurichten. Das riesige Wachstumshemmnis Korruption wird auch bei uns immer noch kleingeredet, um die Entwicklungshelfer nicht arbeitslos zu machen. Wenn es um neue Entwicklungshilfe geht, verkünden sie mit markigen Äußerungen einen kompromisslosen Kampf gegen Korruption. Im Umgang mit diesen Leuten sind unsere Politiker offensichtlich zu naiv.

Die politischen Systeme in den genannten Staaten (mit Ausnahme von Mauritius) sind angeschlagen, sie stehen wegen Vetternwirtschaft und Korruption am Abgrund. Der Vertrauensschwund der Bevölkerung in ihre Politiker, die ihr Gewinnstreben über das Wohlergehen der Bevölkerung stellen, ist enorm. Es gibt zwar überall Parlamente, aber sie tun meist, was das Machtzentrum, sprich Präsident, verlangt. Präsidenten in Afrika müssen endlich aktiv werden und die Einkommenssituation der großen Mehrheit der Bevölkerung verbessern. Ein Staatschef muss den Zug „der guten Regierungsführung“, deren Wagen Arbeit, Transparenz und Effizienz sind, selbst steuern. (Politikwissenschaftler Prof. Wolfgang Merkel).

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Zwei Neuauflagen folgten 2019. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

Leserpost

netiquette:

H. Schmidt / 10.06.2019

...und da wundert sich noch einer wo das Geld für Entwicklungshilfe bleibt? Ich würde ab sofort sämtliche Entwicklungshilfe streichen, das Amt des Entwicklungsministers in Luft auflösen, und ich wäre mir sicher: Danach wäre nichts anders als heute. Ließe sich das irgendwie einrichten, oder soll ich diesen Schwachsinn auch noch mit finanzieren von meinem Steuergeld?

Gerhard Huitl / 10.06.2019

Sehr geehrter Herr Seitz, mein Schwager ist ausgebildeter Forstwirt und war zuletzt im Kamerun als Entwicklungshelfer tätig, bis er diesen Job vergangenes Jahr planmäßig an den Nagel hängte. Vor einiger Zeit konnte ich ihn wieder mal zu den drängendsten Problemen dieses Landes, aber auch Afrikas im Allgemeinen, ansprechen. Die Antwort kam schnell und war ebenso eindeutig wie eindringlich: Korruption. Nicht unwichtig zu seiner Person ist, dass er knapp vier Jahrzehnte in den verschiedensten Ländern dieses Kontinents zumeist für Projekte des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) tätig war. Vor allem im Sahel-Bereich und in Westafrika, aber auch in Ostafrika. Er weiß also wovon er spricht. Sein persönliches Resümee nach fast vierzig Jahren gelebter Entwicklungshilfe hört man aber auch “zwischen seinen Zeilen” und siehts ihm selbst förmlich an: Desillussion und Frustration. Übrigens nicht NUR wegen der Korruption, der man dort anscheinend hilflos gegenübersteht. Auch der Job selbst, sprich die deutsche Entwicklungarbeit, scheint die Ursache dafür gewesen zu sein. Einige kritische Beiträge zu dieser Thematik von Ihnen, Herr Seitz, die ich ihm in den letzten Jahren per email zukommen ließ, hat er ebenso lapidar wie nüchtern bestätigt.  Afrika wird ihn aber dennoch nicht loslassen -  weil er auch künftig einen großen Teil des Jahres dort verbringen wird - privat bei den mittlerweile Seinen. Vielen Dank für Ihren wie immer aufschlussreichen Beitrag. Grüße v. Gerhard Huitl    

beat schaller / 10.06.2019

Ganz genau so funktioniert eben auch Entwicklungshilfe und der Schutz der Abzocker durch die Politiker. Die Entwicklungshilfe wird ohne irgendwelche nachvollziehbaren Kontrollmechanismen, ohne irgendwelche Zielvorgaben durch selbstdarstellende Politiker verteilt. Es ist eben wieder nicht ihr eigenes Geld und niemand ist da jemals zur Rechenschaft gezogen worden.  Danke Herr Seitz

Christoph Kaiser / 10.06.2019

In Afrika wurde das “westliche Vorbild” wohl zu gut verstanden….......

Jochen Becker / 10.06.2019

Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Selbst in Ländern, die einen besseren Ruf genießen, grassiert die Selbstbereicherung der Eliten. Z.B. in Namibia ist der frühere Präsident Sam Nujoma heute der reichste Mann im Lande.

Rudolf George / 10.06.2019

„Es gibt zwar überall Parlamente, aber sie tun meist, was das Machtzentrum, sprich Präsident, verlangt.“ Ersetze Präsident durch Kanzlerin und wir stellen fest, dass Afrika nicht so weit weg ist.

Wolfgang Kaufmann / 10.06.2019

Was ist mit Otto Graf Lambsdorff, der 1987 wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde? Was ist mit Schäubles Rolle in der Parteispendenaffäre des Jahres 2000? Was ist mit Helmut Kohl, der sich gesetzeswidrig weigerte, die Herkunft von zwei Millionen DM offenzulegen; das sind vier Millionen Euro? Was ist mit den vielfachen Klagen gegen Merkels Politik, die in der Rundablage verschwinden? – Überheblichkeit steht uns sehr schlecht zu Gesicht. Denn von Afrika lernen heißt vielleicht nicht Regieren lernen. Aber Herrschen.

Volker Seitz / 10.06.2019

Ein aufmerksamer Leser hat mich darauf hingewiesen, daß die Liste der veruntreuten Gelder unvollständig ist. Es fehlen Gambia, Kamerun und Togo. Im letzten Fall ( Togo) blieb das Geld aber wie in Gabun in der Familie. Denn in beiden Fällen regieren die Söhne der verstorbenen Langzeitherrscher weiter.

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