Verkehr
„An der Haltestelle waren die Hektik, das Durcheinander, das Gedränge so schlimm wie immer. Die Haltestelle war in Wirklichkeit ein freier Platz am Straßenrand, eine Lichtung, auf der Scharen hart arbeitender Menschen jeden Morgen von neuem einen ungleichen Kampf ausfochten. Die Zahl der Kleinbusse angesichts der vielen wartenden Menschen war so gering, dass immer, wenn ein Fahrzeug in die Haltestelle einbog, sich eine Schar wogender Köpfe rücksichtslos darauf zu schob. Die Leute drängten sich nach vorn, stießen sich mit dem Ellbogen, Hälse wurden gequetscht, Hemden nach hinten gezerrt, Leute wurden weggeschubst, zu Boden gestoßen oder überrannt. Die Leute taten alles, um in einen Bus zu kommen. Es war ein trauriger Anblick, und es war unmöglich, ohne Einbußen, ohne Schmerz einen Bus zu kriegen: ein geschürftes Handgelenk, ein gebrochener Arm, ein zerrissenes Hemd, ein zerkratztes Auge oder sogar unsanft behandelte Brüste. Das Opfer lohnte sich, wenn man es schaffte, in den Bus zu steigen, aber es gab auch immer Opfer, die verbissen gekämpft hatten, verletzt worden waren, in zerrissenen Kleidern dastanden und denen es nie gelang, in den Bus zu steigen.“ […] „Der Bus fuhr mit hohem Tempo in Richtung der Apapa-Werft. Es sah so aus, als würden sie schnell dort sein. Doch nach kurzer Zeit ging es nur noch langsam vorwärts. Der Fahrer nahm rasante Abkürzungen, ging haarsträubende Wagnisse ein und zwängte sich zwischen andere Fahrzeuge, doch schließlich blieb auch er im unvermeidlichen Stau stecken wie alle anderen.“
Ben Okri in „Verfängliche Liebe“, dtv 1999 (S. 216, 224)
Wahlkämpfe
Der Kongolese In Koli Jean Bofane beschreibt in seinem Buch „Sinusbogen überm Kongo“, Horlemann 2013, S. 10/12, wie zwei Brüder gegen Geld als Publikum für politische Versammlungen angeworben werden:
„Um die öffentliche Meinung zu beeinflussen, wurden Gauner und andere Müßiggänger seines Schlages angeheuert, damit sie vor laufenden Fernsehkameras eine Menschenmenge mimten. Die Bilder wurden dann in den Nachrichten gebracht, um die Illusion zu schaffen, dass alles war wie früher. Eine echte Charakterrolle: Sie hatten überzeugende und glückliche Parteigänger zu geben, unter einer Regierung des Übergangs, der kein Ende nehmen wollte... Er, Baestro, ging, wohin man ihn schickte, klatschte zu bestimmten Stichwörtern wie ‚Partei‘, ‚Demokratie‘ oder ‚Volk‘ und brüllte seine Begeisterung mit schlagkräftigen Sätzen heraus: ,Keine Chance der Anarchie‘, ‚Der Kampf geht weiter!', ‚Bis zum Sieg‘.“
Petina Gappah aus Simbabwe in ihrem Erzählband „Die Schuldigen von Rotten Row“, Arche 2017 (S. 82):
„Hätten die Parteien nicht unterschiedliche Farben und würden nicht unterschiedliche Worthülsen für ihre Parolen benutzen, hätte man meinen können, es wären an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden dieselben Politiker in Gokwe aufgetreten. Dieselben dicken Männer, die in Begleitung ihrer Gattinnen mit orangefarbenem Teint, riesigen Hüten und schwindelerregend hohen Absätzen in ihren Geländewagen aus Harare kamen, um allen das Blaue vom Himmel zu versprechen. Sie saßen auf derselben Art Podium mit Sonnendach, in weichen, knallbunten Sesseln, während die armen Frauen von Gokwe ululierend in der Hitze schmorten und die jungen Männer in Staub tanzten und von den Bäumen aus sangen, wo sie eine bessere Sicht hatten. Danach fuhren die Politiker in ihren klimatisierten Fahrzeugen davon und ließen hochkochende Emotionen und schmerzliche Hoffnungen zurück, ohne den jungen Leuten etwas zu geben, das über Hass und Wut hinausreichte.“
Mukoma wa Ngugi (Kenia) thematisiert die Politisierung von Ethnizität in Kenia bei Wahlkämpfen, die oft zu tödlichen Unruhen führen: „Unkraut, ich kannte das Wort im Kontext mit Ruanda – Mudy, eine Tutsi, war Unkraut genannt worden. In Kenia beschimpften sich die Luos und die Kikuyus gegenseitig als Unkraut.“ Black Star Nairobi, Transit 2015 (S. 96)