Terrorregime
Der ivorische Schriftsteller Ahmadou Kourouma (1927–2003) beschreibt in seinem immer noch lesenswerten scharfzüngigen Bestseller „Die Nächte des großen Jägers“ („En attendant le vote des betes sauvages“) 2002, Unionsverlag (S.160–175) Sekou Touré als den „Mann in Weiß“, weil er stets die traditionelle Kleidung Westafrikas, den weißen Bubu und eine weiße Kopfbedeckung trug. „Der Mann in Weiß war Sozialist und genoss die Schmeicheleien, die Bewunderung und die Unterstützung des Ostens.“ „Oberster Verantwortlicher (dies war der Ehrenname, den der Diktator... am liebsten hörte). Er galt als der Weise, der Unbestechliche, der niemals einen Tropfen menschlichen Blutes vergoss, und so fort. Der Mann in Weiß hingegen stand in seiner ganzen unverhüllten Nacktheit da, als der grausame, größenwahnsinnige, fanatische, tribalistische, sadistische Diktator, der er war, der Mann der sein Land ausblutete.“
Gaël Faye schreibt in seinem Buch „Petit Pays“, deutsch „Kleines Land“, erschienen 2017 bei Piper: „Tagtäglich wurde die Liste der Toten länger, Ruanda war zu einem riesigen Jagdrevier geworden, in dem die Tutsi Freiwild waren. Menschliche Wesen, deren Schuld es war, auf der Welt zu sein, zu existieren. Ungeziefer in den Augen der Mörder, Kakerlaken, die man zertreten musste. Mama fühlte sich ohnmächtig und nutzlos. Trotz der Entschlossenheit und Energie, die sie aufbrachte, gelang es ihr nicht, jemanden zu retten. Sie musste dem Untergang ihres Volkes, ihrer Familie zusehen und konnte nichts dagegen tun. Sie verlor den Boden unter den Füßen, entfernte sich von uns und von sich selbst.“ (S. 165)
Tod des Ehemannes
„Der Tod ist in jenen Gegenden niemals etwas Natürliches, der Tod eines Mannes im besten Alter, unter solch merkwürdigen Umständen [ein Schlangenbiss in die Wange] würde Anlass geben für jede Art von Spekulation. Sie wusste es und wollte da sein, um ihrer Tochter beizustehen. Sie fand Likak auf dem Boden sitzend im Trauerhaus, und das war erst der Anfang. Später würde man ihr den Kopf rasieren, wochenlang, sie würde alle Demütigungen ertragen müssen, die jungen Witwen auferlegt werden, denen prinzipiell die Verantwortung für den Tod ihres Mannes zugeschrieben wird“ (S. 197), schreibt die kamerunische Schriftstellerin Hemley Boum in ihrer Familiensaga „Gesang für die Verlorenen“, Hammerverlag 2018.
Aminatta Forna schreibt (über eine Witwe in Sierra Leone) in „Abies Steine“, Berlin Verlag 2007: „Ich war immer noch eine Frau, die viele für attraktiv hielten. Ich wusste mich zu kleiden und hatte ein gutes Auftreten. Ich wusste, wie man einen Haushalt führte. Und ich war noch in der Lage, Kinder zu gebären...
Der erste Mann erzählte mir alles über seine Besitztümer. Wie viele Schuhe er besaß, wie viele Hemden. Er war sogar Eigentümer von zwei Herrenanzügen im europäischen Stil sowie mehreren Dutzend Gewändern und bestickten Tunikas. Oh, und da war noch so viel mehr! An seinen zehn Fingern zählte er alles auf, Stück für Stück. Ledergebundene Ausgabe des Korans: eine. Kamelhaarteppiche: drei. Transistorradio: eins. Kühlschrank: einer. Er gab mir ein Foto von sich, auf dem er neben dem Kühlschrank stand. Nur war der Kühlschrank auf dem Foto gemalt, weil es nicht möglich gewesen war, den echten Kühlschrank ins Atelier des Fotografen zu tragen. Im Geiste sah ich ihn vor mir, wie er mich eines Tages zu seinen Besitztümern dazurechnete. Wir beide in Pose für einen Fotografen. Ich mit makelloser matter Haut, wie ich zu meinem Ehemann aufschaue: unverwandter Blick, die Lippen zu einem starren Lächeln geöffnet, strahlende Zähne. Eine perfekte gemalte Ehefrau...
Ein alter Mann starrte mich aus wässrigen Augen an, drückte mit zitternder Hand meine Brust und sagte mir, ich solle am nächsten Morgen zu seinem Haus kommen...
Ich wies sie alle ab, aber es war so, als stolperte jedes Mal, wenn ich die Tür öffnete, ein neuer über die Schwelle...
Meine Tanten fanden es unnatürlich, dass ich keinen Mann in meinem Leben haben wollte, aber mir schien es das Natürlichste der Welt zu sein.“ (S. 312/313, 324)