Volker Seitz / 07.02.2021 / 15:00 / Foto: Pixabay / 5 / Seite ausdrucken

Afrika-ABC in Zitaten: Spielzeug, Sprache, Straßenkinder

Spielzeug

NoViolet Bulawayo aus Simbabwe schreibt in ihrem Roman „Wir brauchen neue Namen“, Suhrkamp 2016: „Die NGO-Leute steigen aus, alle fünf. Es sind drei Weiße, zwei Frauen und ein Mann, denen sieht man gleich an, dass sie nicht von hier sind, und Sis Betty, die ist von hier. Sis Betty spricht unsere Sprachen, ich glaub, sie hat die Aufgabe, uns die Weißen zu erklären und die Weißen uns. Und der Fahrer ist wahrscheinlich auch von hier. Abgesehen davon, dass er fährt, sieht er nicht wichtig aus. Außer ihm tragen alle Sonnenbrillen, Augen gucken uns an, und wir können sie nicht richtig sehen, weil sie sich hinter einer Wand aus schwarzem Glas verstecken... Sobald wir sitzen, fängt der Mann mit seiner großen Kamera an, zu fotografieren. Die machen einfach gern Fotos, diese NGO-Leute, wie echte Freunde und Verwandte irgendwie, die sich später zu Hause mit ihren anderen Freunden und Verwandten die Bilder angucken, auf uns zeigen und unsere Namen sagen. Es schert sie nicht, dass der Dreck und die zerfetzten Kleider uns peinlich sind, dass es uns lieber wäre, wenn sie das sein lassen; sie knipsen trotzdem, knips knips knips. Wir meckern nicht, weil wir wissen, dass nach dem Knipsen die Geschenke dran sind... Jeder von uns kriegt ein Spielzeuggewehr, ein paar Süßigkeiten und was zum Anziehen; ich krieg ein T-Shirt mit dem Wort Google vorne drauf und ein rotes Kleid, das unter den Achseln kneift... Viel danke, sag ich zu der hübschen Frau, die mir meine Sachen gibt, um ihr zu zeigen, dass ich Englisch kann. Sie sagt nichts zurück, als hätte ich irgendwie nur gebellt... Los wir spielen Krieg, und schon laufen wir und legen uns gegenseitig um mit unseren nagelneuen Spielzeuggewehren aus Amerika." (Seiten 51-56)

Sprache (in Somalia)

„Lange Zeit war Somalisch eine rein mündliche Sprache gewesen, erst Ende 1972 entstand auch eine Schriftsprache mit lateinischen Buchstaben.“ Nuruddin Farah in seinem Roman „Jenes andere Leben“, Suhrkamp 2016 (S. 213/214)

Straßenkinder

In der Metropole Accra leben etwa vier Millionen Menschen. Viele sind vor der Armut auf dem Land geflohen mit der Hoffnung auf ein regelmäßiges Einkommen in der Hauptstadt. 75 Prozent der schätzungsweise 90.000 Straßenkinder leben ohne Erwachsene und arbeiten als Lastenträger, Karrenschieber, Abfallsammler, Schuh- oder Autoputzer oder verkaufen Wasser und Lebensmittel.

Der ghanaische Autor Kwei Jones Quartey (wuchs in Accra auf, praktiziert heute als Arzt in den USA) schildert eindringlich in seinem (Kriminal-)Roman „Accra“ (Lübbe 2012) die Lebensverhältnisse der Straßenkinder von Accra. Viele davon sind aus dem Norden des Landes zugewandert. Ohne familiäre oder staatliche Hilfe sind die Kinder oft völlig auf sich allein gestellt. Sie leben unter menschenunwürdigen Bedingungen auf Müllkippen. Manche sind ohne Eltern aufgewachsen, manche wurden von ihren Verwandten verstoßen. Quartey verzichtet weitgehend auf sensationsheischende Effekte. Dadurch wird der Alltagsstress der Straßenkinder und der oft sehr jungen Prostituierten, die vor allem mit dem Überleben beschäftigt sind, deutlich. Für die Mädchen und Jungen aus dem Norden Ghanas haben viele Einwohner Accras nichts als Verachtung übrig. Sie behaupten, dass die Kinder an dem Schmutz und den Krankheiten in der Stadt schuld seien.

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Dieter Kief / 07.02.2021

Ich hoffe auf das Stichwort “Zeit” (afrikanische Zeit). Ich kann warten.

Dieter Kief / 07.02.2021

Ich besitze zwei afrikanische Spielzeuge: Einen Rennwagen aus einer pinkfarbenen Alu-Bierdose und - eine Vespa - - aus einem Stück Holz geschnitzt, in Grün/Chamois, die Reifen und die Lenkerenden schwarz. Die Vespa thront auf unsrer Garage und trotzt dem Wetter, der Rennwagen ist ausgeliehen an eine Therapeutin. Die Vespa muss im Frühjahr neu lackiert werden, wurde mir dieser Tage klar.

Wolfgang Kolb / 07.02.2021

Zu der Situation der Strassenkinder in Afrika gibt es einen sehr guten Bericht, der verschiedene Studien und Literatur vergleicht (“The health profile of street children in Africa: A Literature review” published at infoNTD.org). Einen weiteren ausfuehrlicheren Bericht zur Situation hat Elli Nieminen zusammengestellt (“The Street Children Situation in Tamale, Ghana” by core.ac.uk). Leider werden immer noch Kinder verstossen, die entweder vermeintlich oder tatsaechlich aus einer ausserehelichen Beziehung entstanden sind, weil das Kind nicht das gewuenschte Geschlecht hat, weil angeblich ein schlechtes Omen bei der Geburt sichtbar war. Der Gruende gibt es leider viele…. Anders als in westlichen Laendern, in denen Spielzeug zum Kauf angeboten wird, muessen Kinder in Afrika von klein auf Phantasie und handwerkliches Geschick erlernen wenn sie eigene Spielsachen haben wollen. Der Kreativitaet sind keine Grenzen gesetzt, was sicher auch der Entwicklung der Kinder zu Gute kommt.

Michael Müller / 07.02.2021

Das Problem ist doch, daß der ghanaische Autor Kwei Jones Quartey in den USA lebt, statt sich zuhause für sein Land zu einzusetzen. Die Probleme Afrikas werden in Afrika und durch die Afrikaner gelöst. Jede Auswanderung von gut ausgebildeten Afrikanern in die weiße Welt potentiert unsere und deren Probleme.

Rolf Lindner / 07.02.2021

Entsprechend den neuesten, natürlich politisch korrekten Verfilmungen der Grimm-Märchen liegt Afrika irgendwo hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen.

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