Volker Seitz / 24.01.2021 / 15:00 / Foto: Alexander Sarlay / 11 / Seite ausdrucken

Afrika-ABC in Zitaten: Hexerei

In afrikanischen Medien werden immer wieder Ritualmorde an Albinos gemeldet. (Bei Menschen mit Albinismus ist die Bildung des Pigments Melanin gestört, ihre Haut ist besonders hell.) Manche Väter verlassen ihre Familien, weil sie glauben, dass ihre Frauen sie mit einem weißen Mann betrogen haben. Den Knochen der Albinos wird magische Wirkung zugetraut.

Hexerei-Vorwürfe hängen mit Aberglauben, Magie und dem Glauben an Übernatürliches zusammen. Manche Afrikaner tendieren dazu, unsichtbare Kräfte für persönliches Pech und Krankheiten verantwortlich zu machen.

Der kongolesische Schriftsteller Emmanuel Dongala zitiert in seinem Roman „Gruppenfoto am Ufer des Flusses“, Hammer-Verlag 2011, eine örtliche Radiomeldung: „Albinos in Tansania bangen um ihr Leben. In Tansania sind in den vergangenen zwölf Monaten mindestens 40 Albinos ermordet worden. Die Leute töten Albinos und benutzen Körperteile der Opfer – Haare, Arme, Beine, Genitalien und Blut – für Zauberrituale, die ihren Kunden Reichtum bringen und ewige Jugend verleihen sollen. Die Goldsucher behaupten, man brauche nur eine Mine mit Albinoblut zu begießen, um Goldklumpen zu finden. Fischer meinen, man müsse nur den abgehackten Arm oder das abgeschnittene Bein eines Albinos im Wasser auslegen, um große Fische mit dem Bauch voller Gold zu fangen. Der tansanische Präsident hat rigorose Maßnahmen gegenüber allen an diesen Morden Beteiligten befohlen.“ (S. 11)

Noch einmal Emmanuel Dongala mit zwei Beispielen aus „Gruppenfoto am Ufer des Flusses“: „Ein Pastor der Erweckungskirche und zwei Dutzend seiner Anhänger haben in den Straßen Kinshasas Kinder gejagt, als ‚Hexenkinder‘ angeprangert und grausam misshandelt. Solche Jungen im Alter von fünf bis 14 Jahren werden oft beschuldigt, für die Krankheit und die Armut ihrer Eltern verantwortlich zu sein. Verfolgt, geprügelt, ja sogar gequält, flüchten sie von zu Hause und suchen in den Straßen Zuflucht, wo man sie oft verjagt. Beim Verhör gab der Pastor zu Protokoll, seine Aktion gehe auf eine Offenbarung des Heiligen Geistes zurück, der ihm gesagt habe, sein sechsjähriger Neffe sei für den plötzlichen Tod seines Bruders verantwortlich, für die Unfruchtbarkeit seiner Frau und die lange Ehelosigkeit seiner Schwester. Der Junge bekam drei Tage nichts zu essen, wurde geschlagen, und man drohte, ihn wie Jesus Christus mit weiß glühenden Nägeln zu kreuzigen. Schließlich gestand er, tatsächlich ein Hexer zu sein, er benutze einen Halm und eine Hahnenfeder als Flugzeug, um nachts zu reisen, er habe nicht nur seinen Onkel, sondern bereits drei andere Menschen ‚gefressen‘, und zwei seiner Komplizen würden auf der Straße leben, darum die vom Pastor ausgelöste Hatz.“ (S. 99/100)

„Die Katze war eindeutig eine Hexe“

„Sie war Mutter von sechs Kindern; ihr Drama begann, als ihre drei jüngsten Kinder innerhalb von vier Jahren starben, zwei an Malaria und eins an Sichelzellenanämie. Die Familie ihres Mannes machte sie für den Tod der Kinder verantwortlich, beschuldigte sie, sie sei eine Hexe, und jagte sie aus dem Haus. Das Schlimmste für sie war dabei, dass ihre Kinder sie nun mieden, aus Angst, sie würde auch sie ‚fressen‘. Sie hatte Tränen in den Augen, als sie dir diese Geschichte erzählte. Und wie immer in einem Dorf, wenn jemand der Hexerei beschuldigt wird: Eine Bande Jugendlicher, die von einem ihrer Söhne angeführt wurde, steckte nachts ihr Haus in Brand mit der Absicht, sie bei lebendigem Leib zu verbrennen. Zum Glück hatte sie es bis zum Waldrand geschafft, als die Brandstifter merkten, dass sie durch das kleine Fenster an der Rückwand geflohen war, während alle vor dem Haus warteten, um sie allenfalls zu steinigen, sollte sie den Flammen entkommen. Sie verfolgten sie wie eine Hundemeute ein Wild, doch sie kannte den Wald besser als ihre jungen Söhne.“ (S. 133)

Der tansanische Autor Aniceti Kitereza schreibt in seiner Familiensaga „Die Kinder der Regenmacher“: „Kibuguma hatte den Sud deswegen in den Hauptraum tragen lassen, weil er sehen wollte, ob eine Fliege hineinfiel. Wäre dies geschehen, hätte der Mensch, der ihn gekocht hatte, bestimmt in wenigen Tagen sterben müssen.“ (Audio CD-Hörbuch, 2007)

Der südafrikanische Fernseh- und Radiomoderator Trevor Noah berichtet in seinem Bestseller „Farbenblind“ (Blessing, 2017): „Vor ein paar Jahren gab es während eines Fußballspiels der Orlando Pirates einen berühmten Zwischenfall. Irgendwie geriet eine Katze ins Stadion, rannte durch die Zuschauer und mitten im Spiel hinaus aufs Feld. Ein Sicherheitsmann sah die Katze und tat das, was jeder vernünftige Schwarze tun würde. Er sagte sich: ‚Die Katze ist eine Hexe.' Also fing er die Katze – live im Fernsehen – und trampelte auf ihr herum und schlug sie mit seiner Sjambok tot, einer harten Lederpeitsche, auch bekannt als Nilpferdpeitsche. Der Vorfall machte im ganzen Land Schlagzeilen. Die Weißen waren völlig aus dem Häuschen. Das war wirklich der absolute Irrsinn. Der Sicherheitsmann wurde verhaftet und vor Gericht gestellt und wegen Tierquälerei verurteilt... Die Schwarzen waren einfach nur verwirrt. Was der Sicherheitsmann getan hatte, fanden sie überhaupt nicht schlimm. Sie dachten: ‚Die Katze war eindeutig eine Hexe. Woher sollte eine Katze sonst wissen, wie man auf ein Fußballfeld kommt? Sie wurde geschickt, um eine der beiden Mannschaften zu verhexen. Der Mann musste die Katze totschlagen, er hat die Spieler beschützt.' In Südafrika haben Schwarze Hunde.“

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Uta Glaubitz / 24.01.2021

Verehrter Herr Seitz, ein Buch aus diesem ungewöhnlichen Afrika-ABC wäre doch wunderbar!

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