Volker Seitz / 16.01.2021 / 11:00 / Foto: Pixabay / 16 / Seite ausdrucken

Afrika-ABC in Zitaten: Beschneidung

Beschneidung

Die weibliche Beschneidung, oder die Genitalverstümmelung an Frauen, wie sie heute richtiger bezeichnet wird, kommt hauptsächlich in 28 Ländern Afrikas vor. Zwei Millionen Mädchen und Frauen laufen jedes Jahr Gefahr, die nächsten Opfer zu werden. Die Zahl der verstümmelten Mädchen vergrößert sich eher, als dass sie abnimmt. Die vielen tausend Afrikaner, die nach Europa und die Vereinigten Staaten emigriert sind, haben diesen grausamen Brauch dorthin mitgenommen. „Denn eine Frau, die nicht beschnitten wurde, gilt als schmutzig und mannstoll und kann daher nicht verheiratet werden. In einer Nomadenkultur wie der, in der ich groß wurde, ist jedoch kein Platz für eine unverheiratete Frau“, schreibt Waris Diries in ihrem Weltbestseller „Wüstenblume“, Knaur TB, 2007. (S. 337). Und weiter: „Jungfrauen sind auf dem afrikanischen Heiratsmarkt eine begehrte Ware, und das ist einer der Hauptgründe für die weibliche Beschneidung, auch wenn das niemand zugeben würde. Für seine schönen jungfräulichen Töchter konnte mein Vater einen hohen Preis erzielen [in ihrem Fall fünf Kamele], aber eine, die schon einmal Sex mit einem Mann gehabt hatte, würde er nur schwerlich loswerden.“ (S. 81)

Ayaan Hirsi Ali, niederländisch-amerikanische Frauenrechtlerin und Islamkritikerin somalischer Herkunft, beschreibt die Praxis in ihrer Autobiografie „Mein Leben, meine Freiheit“, Piper 2007: „In Somalia wie in vielen Ländern Afrikas und des Nahen Ostens werden kleine Mädchen ‚rein‘, indem man ihnen Teile der Genitalien wegschneidet. Anders lässt sich diese Prozedur, die im Normalfall im Alter von fünf Jahren vorgenommen wird, nicht beschreiben. Dem Kind werden Klitoris und die Labien abgeschnitten oder abgeschabt oder – in Gebieten, in denen man mehr Mitleid walten lässt – lediglich eingeschnitten oder durchstochen. Häufig wird die Wunde so zusammengenäht, dass der dicke Gewebestreifen aus dem eigenen vernarbten Fleisch des Mädchens eine Art Keuschheitsgürtel bildet. Ein sorgsam platziertes Löchlein lässt einen dünnen Urinstrahl durch. Nur mit viel Gewalt lässt sich dieses Narbengewebe für den Geschlechtsverkehr weiten.... Viele Mädchen sterben nach der Beschneidung an Infektionen. Andere Komplikationen verursachen mehr oder weniger lebenslang große Schmerzen." (S. 52)

Der britische Journalist Tim Butcher schreibt in seinem Bestseller: „Auf der Fährte des Teufels“, Malik/National Geographic, 2014: „Ausländische Entwicklungshelfer, insbesondere in den ländlichen Provinzen, versuchen schon seit Jahren, die Frauen in Sierra Leone davon zu überzeugen, mit dieser Praxis aufzuhören, doch sie ist immer noch ein so wichtiger Bestandteil der traditionellen Kultur, dass Bestrebungen, die Beschneidung abzuschaffen, weithin erfolglos geblieben sind. Ich fragte, was Mini [Leiterin der der sierra-leonischen Abteilung der amerikanisch – muslimischen Wohltätigkeitsorganisation LIFE für Erlösung und Entwicklung] als Entwicklungsexpertin von der Genitalverstümmelung halte. „Das ist eine gute Sache. Es hält die Mädchen davon ab, promiskuitiv zu sein, und das ist in unserer heutigen Zeit etwas Gutes“, sagte sie, verschränkte die Arme und drehte sich von mir weg. Damit war unser Gespräch beendet, was mich lehrte, wie schwer Tabus, die mit Tradition verknüpft sind, durchbrochen werden können.“ (S.138/139)

Weibliche Genitalverstümmelung verläuft in Afrika für viele Frauen tödlich. Das Leben einer noch größeren Zahl wird zerstört, da sie ihnen ständig Pein und Beschwerden verursacht. Unsere Medien berichten dennoch nur zögerlich, weil westliche Journalisten oft gar nicht erst den Versuch machen, islamische Staaten zu kritisieren. Warum zählen diese afrikanischen Frauen nicht? Weil es die falschen Opfer und die falschen Täter sind?

„Beliebte“ Regime

Nadifa Mohamed aus Somalia schreibt in ihrem Roman „Der Garten der verlorenen Seelen“, dtv 2016: „Die Mütter der Revolution sind aus ihren Küchen und von ihren Pflichten weggerufen worden, damit sie den ausländischen Würdenträgern zeigen, wie beliebt das Regime ist, wie dankbar alle sind, dass es ihnen Milch und Frieden gebracht hat. Es braucht Frauen, um menschlich zu erscheinen.

Hinter Dahabos erhobenen Finger hängt ein riesiges Bild wie eine neue Sonne über dem Stadion, Strahlen umkränzen sein Haupt. Die Maler haben versucht, dieses grausame, griesgrämige Gesicht sanfter erscheinen zu lassen, aber dabei ist Unstimmigkeit herausgekommen – das Kinn ist zu lang, die Nase zu knollig, die Augen sind asymmetrisch. Gut geraten ist einzig der kleine, nach dem Vorbild dieses deutschen Führers getrimmte Schnurrbart.

Hastig hängen Arbeiter weitere, kleinere Bilder seiner Gefolgsleute auf, den austauschbaren Ministern der Verteidigung, der Finanzen und der Inneren Sicherheit, deren Positionen so unsicher sind, dass vielleicht schon vor dem Ende des Tages neue Bilder in Auftrag gegeben werden.“

Foto: Pixabay

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Ivo Mucha / 16.01.2021

Ivo Mucha 16.01.21 Wie die islamische Welt tickt,kann ich nicht beurteilen,ich lebe nicht dort. Die Berichte von dort vermitteln Bild einer Gesellschaft,die die Gebote und Weisungen,die beim Allah und Koran ihr Anfang haben,besonders stark beachtet.Hier wird Kritik ungern gesehen. Umso erstaunlicher ist die Praxis,die menschliche Genitalien nachzuarbeiten,notfalls mit einer Glasscherbe oder einer rostigen Rasierklinge.Haben diese Leute nicht Angst vor Scharia? Allah wird hier als Pfuscher beleidigt,als Schöpfer mit Mangelleistung.Wieso gibt es keine Fatwa für diese Gotteslästerung?  Oder ist richtig islamisch hier beide Augen fest zuzudrücken ? Fragen,Fragen.

Kurt Müller / 16.01.2021

@ Andreas Rochow = meiner Wahrnehnung nach ist Kapitalismus, wenn der Mensch den Mensch allein nur als Objekt betrachtet und daraus seinen Nutzen für seinen persönlichen Vorteil ziehen will, und ihm dabei das Schicksal des ausgenutzten Menschen egal ist. Im Umgang untereinander muss manfreilich auch an sich selber denken, Altrusimus per sé ist weltfremd. Aber ab dem Moment, wo einem das Schicksal anderer nicht mehr egal ist, entsteht die Verantwortungsbereitschaft und normalerweise auch tatsächlich gelebte Verantwortung. Mit dieser etwas weit gefassten Auffassung wären viele Teile des Lebens bereits schon Kapitalismus, und die aktuelle rechtstaatlich organisierte regelbasierte Form ist nur eine Variante davon. Aber auch das Verhältnis zwischen Männern und Frauen kann es werden, wenn es auf diesem Ausnutzen gründet. So steht es m. A. n. sinngemäß in Büchern und der Emma von Alice Scharzer, die ich jahrelang gelesen habe, aber nur sie sieht es so, die meisten der ihr folgenden Epigoninnenen machen daraus nur neues Unrecht gegen Männer. Frauen zu beschneiden, ein fürchterliches Thema dem man sich überhaupt nur mit großer Überwindung nähern kann und es gar nicht wahrhaben möchte ... wie von den Frauen selbst beschrieben, ist es eine Form des Ausnutzens, sei es für das Ansehen anderer Frauen, oder für irgendwas für Männer oder angeblich gegen die ‘Mannstollheit’ (das Wort ahnte ich vorher nicht, ich lebe sehr brav), worüber sich die meisten Männer normalerweise freuen, solange es nicht mit Verantwortung für die Folgen davon verbunden ist, dann sind die meisten Männer ja dagegen. Aber es geht um Objekte und Ausnutzen ohne Anteilnahme am Schicksal oder dem, was man tut. Allgemeiner: es geht um die Verweigerung von aufrichtiger, bedingungsloser Empathie, und das ist das Wesen des Kapitalismus jeglicher Form. Wird Empathie dennoch gezeigt, so steckt dahinter immer ein Geschäftsinteresse, selbst auf linker Seite.

Hans-Peter Dollhopf / 16.01.2021

Aus woker Sicht ist hier einzig die Schuldfrage von Interesse, die man hellhäutigen Europäern an den Zuständen ankreiden kann. Ayaan Hirsi Ali hat darauf allerdings eine Antwort gegeben, die den Woken gar nicht geschmeckt hat. Faktisch werden wir nämlich von “progressiven” Linken gezwungen, alle Kulturen als gleichwertig zu akzeptieren, sonst heißt es “Ruhig, Brauner!” Diese Beschneidungen sind für Europas Linke immer noch besser, als den “Falschen” in die Hände zu spielen.

Wolfgang Kolb / 16.01.2021

Die weibliche Genitalverstümmelung ist ein Verbrechen. Falsch verstandene Political Correctness sowie der “Respekt vor anderen Kulturen” verhindern nachhaltig eine öffentliche Diskussion in Deutschland oder der EU. Leider sind auch alle Feministinnen auffallend still, außer Alice Schwarzer. Rüdiger Nehberg leistet wertvoller Arbeit vor Ort, wird aber in Deutschland nicht gehört. Aufgrund zugewanderter archaischer Kulturen finden nun auch Genitalverstümmelungen bei uns statt.

g.schilling / 16.01.2021

Was denn nun? Bunt solle es doch sein in Deppenland. Nun habt ihr es!!! Man muss die Traditionen der Zugewanderten respektieren. Ein Verbot wäre eine Diskriminierung oder gar Traumatisierung, weil der “Westen” übergriffig wird.. Vielleicht übernehmen wir die gute Tradition ja einfach, wie Döner, Vollbart, Türkenfrisur und Shisha rauchen.

Andreas Rochow / 16.01.2021

@ Kurt Müller - Den “Welttag der genitalen Selbstbestimmung“ (WWDOGA) gibt es längst. Es werden dennoch täglich allein auf dem afrikanischen Kontinent 8.000 Genitalverstümmelungen vorgenommen. Schätzungen aus Deutschland konnte ich bei meinen Recherchen nicht finden. Näheres erfahren Sie auf der Website von Femmes des terre. (Was diese tribalistische Tradition mit dem Kapitalismus zu tun haben soll, will mir aber nicht recht einleuchten.)

Manni Meier / 16.01.2021

Na, verehrter @Kurt Müller, diesen von Ihnen gewünschten “Gedenktag” hätten Sie ja auch problemlos in dem von Ihnen so gelobten sozialistischen deutschen Vaterland fordern können. Die Deutsche Demokratische Republik unterhielt doch bis zu ihrem Ende 1990 enge freundschaftliche Beziehungen zu etlichen Ländern Afrikas. Z.B. Angola, Äthiopien, Guinea-Bissau, Mosambik, Volksrepublik Kongo oder Tansania u.s.w.

Karl Wokalek / 16.01.2021

Wie stets ein guter, informativer Artikel! Wie sagen die Amerikaner: nothing beats local knowledge! Wer längere Zeit in Subsahara Afrika gearbeitet hat und dies mit Kontakten zur Bevölkerung tat - nicht mit den in London und Paris ausgebildeten Staatsvertretern - hat bei diesen Artikeln ein permanentes déjá-vu Erlebnis. Hierzulande wissen wenige was Afrika ist und was seine Kultur ausmacht.  Es ist unvergleichlich mit unseren derzeitigen Vorstellungen: Zauberei, Genitalbeschneidung, Hexerei, Aberglauben, “Rituelle” Morde usw. Dazu der “Rassismus” der Stämme untereinander und gegeneinander; oder ist die Bezeichnung “Stamm” schon rassistisch? Wie gesagt, wer nicht mehrere Jahre in Afrika verbracht hat, kann eigentlich nicht mitdiskutieren. Im Ost Kongo ( Ituri, Kivu) gibt es seit 20 Jahren einen auf kleiner Flamme kochenden Bürger- Bandenkrieg. Mit 3000 -5000 Toten -im Monat! Interessiert hier keinen.  Coltan für smartphones ist wichtiger. Keiner will es wissen- alle schauen weg. Es wäre m.E. nützlich und wichtig, diese Artikelreihe “Afrika ABC in Zitaten” zu sammeln und gedruckt herauszugeben.  Sozusagen als Beleg.  

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