Volker Seitz / 11.01.2021 / 15:00 / Foto: Alexander Sarlay / 9 / Seite ausdrucken

Afrika-ABC in Zitaten: Aberglaube

Für mich sind die Literatur und Erinnerungen von Afrikanern der beste Weg, um den einzigartigen, widersprüchlichen und beeindruckenden Kontinent Afrika zu verstehen. Literatur fördert auf angenehme Weise interkulturelles Verständnis und Respekt vor anderen Kulturen. Als Diplomat habe ich mich vor jeder Versetzung mit der zeitgenössischen Literatur eines für mich neuen Landes auseinandergesetzt. Das möchte ich auch jedem Reisenden, Entwicklungshelfer, Journalisten oder eben Diplomaten empfehlen. Eine bessere Vorbereitung auf ein Land gibt es nicht. Die heutige afrikanische Realität ist jedenfalls bei den genannten Schriftstellern gut verortet.

Die Übersetzerin von Paulina Chiziane, Elisa Fuchs, schreibt im Nachwort zu „Wind der Apokalypse“ (siehe unten): „Die Gegenwart kann nur verstanden und bewältigt werden, wenn man die Vergangenheit kennt und begreift. Echte Entwicklung kann nicht verordnet und über die Realität gestülpt werden, das Neue muss im Bestehenden Wurzeln fassen und daraus herauswachsen.“

Der manchmal bedauernswerten Wirklichkeit von Frauen in Afrika kann man sich literarisch nähern. Die Romane sind eine Fundgrube für Gesellschaftskritik. Einige Bücher berichten sehr authentisch über das Verhältnis von Mann und Frau und die Last der Traditionen, Mythen und Konventionen. Vor allem „Ein so langer Brief“ der Senegalesin Mariama Ba hat viel Aufmerksamkeit erregt, weil sich hier zum ersten Mal eine Frau aus einer polygamen Gesellschaft zu Wort meldete. Die Möglichkeiten für Frauen, auf ihre Probleme aufmerksam zu machen und recht zu bekommen, sind in Afrika – trotz der sozialen Medien – immer noch nicht sehr groß. Die Darstellung der Dorfrealität ist oft eine völlig andere als in philosophische Abhandlungen von mit Preisen überhäuften städtischen Intellektuellen.

Gerade weil viele Menschen versuchen, aus Afrika nach Europa zu gelangen, ist es aufschlussreich, hin und wieder die Literatur des Kontinents zu lesen. Manche brechen auf, weil sie von einem besseren Leben träumen. Weil sie Verwandte haben oder Leute aus der Nachbarschaft kennen, die es nach Europa geschafft haben und die nun vom Leben in der Ferne schwärmen und jede Menge Geschenke mitbringen, wenn sie zu Besuch kommen.

Wir beginnen unsere Reihe mit Stichworten ahand von Zitaten aus literarischen Streifzügen, Autobiografien, Filmen und Interviews mit dem Buchstaben A.

Aberglaube

Dämonische Kräfte werden oft als Ausrede benutzt, um unerwünschte Personen loszuwerden.

Die Sambierin Rungano Nyoni hat sich des Themas angenommen und 2017 mit Unterstützung aus Großbritannien und Frankreich den Spielfilm „I am not a witch“ gedreht. Nach einem kleineren Zwischenfall in ihrem Dorf wird das 8-jährige Waisenkind Shula der Hexerei bezichtigt und für schuldig befunden. Sie wird in ein Hexen-Lager in der Wüste verbannt. Mit einem Band wird Shula an einen großen Baum gebunden und ihr wird gesagt, dass sie sich in eine Ziege verwandeln wird, sollte sie ihre Fesseln durchtrennen. Der Film handelt von Zauberei, Aberglauben und Männerherrschaft, denn Männer entscheiden, welche Frau eine „Hexe“ ist, und ein schändlicher Beamter führt die „Hexe“ Shula als Touristenattraktion vor.

Der nigerianische Schriftsteller Odafe Atugun zwingt seine Leser in dem Roman „Das Geheimnis des Glücks“, Arche 2018, sich mit den verstörenden Gebräuchen und Traditionen auseinanderzusetzen, die Waisenkinder in manchen Dörfern als bösartig betrachten. „Sie sehen schlecht ernährt und traurig aus, und oft suchen sie im Müll nach etwas Essbarem.“ (S. 184)...“ Ich begann damit, dass ich ihm von der schlimmen Tradition in unserem Dorf erzählte, wonach Waisenjungen als böse Kinder gebrandmarkt wurden. Ich erzählte ihm von ihrem schwierigen Leben und dass sie am Dorfrand in einem leer stehenden Haus Zuflucht suchen mussten und dass sie von dort in die Ferne reisten und nicht mehr wiederkamen.“ (S. 196).

Adoption afrikanischer Kinder

Die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie kritisiert die Vorstellung, man helfe Afrika, indem man afrikanische Kinder adoptiere. Es sei leicht, Armen die Würde zu nehmen und sie zu Objekten des Mitleids zu machen. Hilfe sei wie gesalzene Erdnüsse. Je mehr diese korrupten Politiker bekommen, desto gieriger werden sie. („Was Madonna verschwieg“, in F.A.Z. 18.11.2006) 

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PALLA, Manfred / 11.01.2021

+++ “In jeder Sekunde drei Menschen mehr” +++  so in Der Spiegel Nr. 10/1993 zu lesen - VOR “27” JAHREN !!! - googeln und staunen - Von MIR ein BRAVISSIMO an ALLE (höchst-bezahlten) “UN-Wissenden” - einfach nur noch UN-FASS-BAR !!!  :-(

Volker Kleinophorst / 11.01.2021

Glaube und Aberglaube ist ein und das selbe. Glaube ist quasi “staatlich anerkannt”, Aberglaube der Muff von tausend Glauben, aus denen sich die Top-Player im Religionsgeschäft entwickelt haben. Beweisbar ist beiden nicht. Und fresst ...., Millionen von Fliegen können sich nicht irren, ist wirklich kein Argument für das Glauben an sich.

Karola Sunck / 11.01.2021

Afrika könnte eigentlich ein reicher Kontinent sein, Bodenschätze in Hülle und Fülle. Entwicklungshilfe ebenfalls. Was fehlt ist der Wille daraus etwas zu machen. Man kann es hin oder her bewenden, die Realität besagt, dass die Afrikaner einfach nichts auf die Reihe kriegen können oder wollen. Lieber blutige Stammesfehden und Kleinkriege untereinander austragen, wie es auch früher im Mittelalter und im Altertum üblich war. Man könnte in diesem Kontinent Hilfe zu Selbsthilfe leisten, mehr aber nicht. Die Schwächen der Afrikaner werden zudem von Konzernen westlicher Industrienationen ausgenutzt, die Bodenschätze mit Kinder- und Sklavenarbeit abbauen lassen und sich damit die Taschen füllen. Korrupte Regierungen, afrikanischer Staaten profitieren ebenfalls davon und unterstützen dieses Gebaren. Dann kommt noch die hohe Geburtenrate dazu, die eine Überbevölkerung zur Folge hat. Das wäre ein ganz wichtiger Punkt, wo man als erstes ansetzen müsste. Aber dazu braucht man Bildung, leider ist die in Afrika sehr schwer zu beschaffen. Alles in allem eine fast unlösbare Aufgabe diesem Kontinent zu helfen. Massenauswanderung nach Europa löst das Problem der Menschen dort nicht. Es führt nur dazu das Europa ebenfalls nach innen implodiert und die Einwanderer und die angestammte Bevölkerung mit in den Strudel des Abgrundes reißt.

Hans-Peter Dollhopf / 11.01.2021

In den 80ern weilte Nuruddin Farah für ein paar Monate in Bayreuth und eine Freundin machte ein Interview mit ihm über sein Buch From a Crooked Rib, welches ich bei der Gelegenheit zu lesen bekam. Das war vermutlich ein früher Grund dafür, dass ich später trotz meiner sozialistischen Attitüde niemals so unrettbar dämlich bleiben konnte wie eine Carola Rackete und ihre Konsorten.

Manni Meier / 11.01.2021

@H. Störk. Heureka! Sie haben es gefunden, das in sich geschlossene Konzept, das geeignet ist, den in Deutschland umgehenden galoppierenden Wahnsinn zu erklären. Von Klimakatastrophe bis Corona alles drin. Aber wie sind die Migrantenmassen aus Afrika zu begründen? Brauchen wir wirklich soviele, im Aberlauben akademisch geschulte, Medizinmänner und Schamanen zur Abwehr?

Werner Zielzow / 11.01.2021

Sorry, ich kann den Artikel der faz nicht finden. („Was Madonna verschwieg“, in F.A.Z. 18.11.2006)

Detlef Dechant / 11.01.2021

Lieber Herr Seitz, mir stößt das Adoptieren von afrikanischen Kindern durch Promis schon lange sauer auf. Statt diese Kinder in goldene Käfige zu stecken und das alles pr-mäßig auszuschlachten, sollten die für das Geld lieber in Afrika Schulen bauen. Mit Bildung ist Afrika besser geholfen als mit irgendwelchen Großprojekten, mit denen sich die dortigen Potentaten dann auch noch brüsten und das durch diese Hilfen gesparte Geld auf Konten in Steueroasen verschwindet oder in Rüstungsgüter und Luxusleben gesteckt wird.

Ulla Schneider / 11.01.2021

Sehr verehrter Herr Seitz, mit dämonischen Kräften versuchte ein Senegalese ( Fußballer) seine deutsche Frau ( meine Freundin)wochenlang, während eine Scheidungsverfahrens, zu drangsalieren. Nur hatte er die Rechnung ohne mich gemacht. Kenntnisse über diese und Vodoozauber waren mir durch den ethnischen Tanz bekannt.  Den ” Zauber” aufzulösen, anhand von Sprache und Gestalt im Angesicht des übel sprechenden Gegenübers ist möglich und bringt den Übeltäter zur Vernunft, meistens. Denn diese haben mehr Angst in ihrer Seele als die Person, die es treffen soll. Überraschenderweise gab es nicht selten Einsichten über den Blödsinn.——- Es ist extrem schlimm, den Faktor Angst zu benutzen und anzuwenden. Dto.läuft doch gerade hier, der Sonnenzeichenzauber.

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