Bereits des Öfteren – wie hier und hier – hatte ich der traurigen Pflicht nachzukommen, auf die durchgehend unkritischen oder auch grotesk einseitigen Beiträge im Deutschen Ärzteblatt – „Die Zeitschrift der Ärzteschaft“ – zum Thema Klimawandel hinzuweisen. Bei einer ganz überwiegend naturwissenschaftlich begründeten Disziplin wie der Medizin wäre doch eigentlich selbst von überzeugten Anhängern des menschengemachten Klimawandels zu erwarten, dass über medizinische Auswirkungen der globalen Erwärmung kritisch und abwägend berichtet wird – aber weit gefehlt. Mittlerweile wird nicht einmal mehr vor plumpen Instrumentalisierungen zurückgeschreckt, wenn sogar die fünf Toten eines Zyklons in Indien und Bangladesch im vergangenen Monat dem Klimawandel angelastet werden – natürlich unter Berufung auf „viele Wissenschaftler“.
Mittlerweile dürfte der Tag nicht mehr fern sein, an dem es dem Arzt nicht nur um das Befinden seiner Patienten geht, sondern auch um deren CO2-Bilanz. Denn auch an den deutschen Medizinern ist der stetig weiter anschwellende aktivistische Trend zum sogenannten Klimaschutz nicht spurlos vorübergegangen. Dabei wird nicht nur die Ärzteschaft in die Pflicht genommen, in Krankenhaus und Praxis für eine CO2-Reduktion zu sorgen, sondern auch an ihre Aufgabe gemahnt, in diesem Sinne missionarisch auf die Patienten einzuwirken.
Diese Art von Agitprop ist natürlich umso erfolgversprechender, je dramatischer und düsterer der Klimawandel und seine Folgen gezeichnet werden. Es wird also versucht, den Eindruck zu erwecken, als habe die Zunahme der globalen Durchschnittstemperatur – während der vergangenen 150 Jahre um etwa ein Grad – weltweit zu einer massiven Bedrohung oder gar bereits Verschlechterung der Volksgesundheit geführt. Dabei kämpft das Deutsche Ärzteblatt bei den Medizinern keinesfalls allein auf weiter Front. Im Gegenteil: Es scheint vielmehr mitten im medizinischen Mainstream zu schwimmen, wie zwei aktuelle Dokumente nachdrücklich belegen.
Wenn das Ärzteparlament tagt
Auf dem 124. Deutschen Ärztetag vor einem Monat wurde naturgemäß wieder viel beschlossen. Darunter auch ein „Leitantrag zu Lehren aus der COVID-19-Pandemie“, der mit einer äußerst bemerkenswerten Mehrheit von 140 Stimmen (gegen 36) angenommen und zur weiteren Umsetzung an den Vorstand verwiesen wurde.
Schon bei oberflächlicher Lektüre dieses Antrages wird rasch klar, dass Corona hier nur instrumentalisiert wird, um den Klimakampf zu forcieren. Und das mit einer erschreckend schlichten, völlig einseitigen, teils hanebüchenen und durch die zwischenzeitlich wiederbelebte Diskussion über die Rolle des Virologischen Labors in Wuhan geradezu peinlichen Argumentation:
„Der Klimawandel gilt als die bedeutsamste gesundheitliche Bedrohung im 21. Jahrhundert. (…) Der Klimawandel beschleunigt die Ausbreitung von Viren in Wildtieren auf den Menschen. Jüngste Studien legen nahe, dass die Emission von Treibhausgasen zu Veränderungen der natürlichen Vegetation mit der Ausbreitung von Fledermäusen und dem Nachweis neuer Coronavirusarten (…) führte. Die Globalisierung mit den damit verbundenen massiven Verkehrsströmen verursacht einen erheblichen Teil der CO2-Emissionen und trägt gleichzeitig zu der raschen globalen Verbreitung des Virus und der Virusvarianten bei. (…) Der Klimawandel ist (…) nur durch den nachhaltigen und energischen Einsatz aller gesellschaftlichen Kräfte aufzuhalten. (…) Durch ihre besondere Stellung in der Verantwortung für die Gesundheit der Bevölkerung kommt der Ärzteschaft bei der Vermittlung intensiverer Anstrengungen eine besondere Bedeutung zu; Maßnahmen zum Klimaschutz (…) müssen in der Öffentlichkeit deutlich eingefordert werden.“
So ticken also 80 Prozent der Delegierten des letzten Deutschen Ärztetages. Ob und inwieweit die nun repräsentativ für die deutsche Ärzteschaft sind, kann bezweifelt werden. Denn bekanntlich ziehen links orientierte Menschen eine größere Befriedigung aus politischem Engagement, dürften also auch auf einem Ärztetag überrepräsentiert sein. Es glimmt also noch eine kleine Kerze der Hoffnung, aber viel mehr auch nicht.
Auch der Virchow-Bund kämpft an der Klimafront
In Deutschland gibt es zahllose Mediziner-Vereinigungen. Während der Deutsche Ärztetag so etwas wie ein Ärzte-Parlament darstellt, vertritt etwa der Virchow-Bund nur die in einer Praxis niedergelassenen Kollegen, genauer: rund 12.000 von ihnen, was eine ganze Menge ist. Dieser Bund berät jedoch nicht nur in puncto Abrechnung und Mietverträgen für Praxisräume, sondern neuerdings auch zum Klimawandel. Dazu macht er sich zunächst die düstere Meinung der World Medical Association zu eigen, findet dann aber auch Positives: „Der Klimawandel wird zur größten Bedrohung der weltweiten Gesundheit. (…) Die gute Nachricht: Praxisärzte können viel dagegen tun.“
Anschließend wird ein kleines gesundheitliches Horrorszenario dargeboten, angereichert mit unvermittelten Themensprüngen bis hin zu Luftverschmutzung und sonstigen Katastrophen:
„Schon jetzt sind die Auswirkungen des Klimawandels durch Folgeerscheinungen wie Hitzewellen und zunehmende Luftverschmutzung deutlich in den Praxen und Krankenhäusern zu spüren. Allergien und Infektionskrankheiten breiten sich aus. Myokardinfarkte nehmen bei Menschen mit Diabetes mellitus und Hyperlipidämie bei Hitze zu. Nicht zu vergessen die psychischen Auswirkungen durch Katastrophen, Stress und Migration, die zu weiteren Gesundheitsproblemen führen.“
Was können die Ärzte in ihren Praxen dagegen tun?
„Strom, Gas, Kühlung und Wärme machen geschätzt 40% der CO2-Emissionen im Gesundheitswesen aus. (…) Energiesparende Lampen und Geräte, programmierbare Thermostaten, Verhaltensänderungen und eine um etwa 1 Grad kühlere Raumtemperatur im Winter können davon 20–30% einsparen. (…) In einer speziellen Klimasprechstunde können Patienten einerseits für die medizinischen Auswirkungen des Klimawandels auf ihre eigene Gesundheit sensibilisiert werden. Andererseits können Vorsichtsmaßnahmen, z.B. bei Hitzewellen besprochen werden. Beratungen zu Ernährung und Mobilität bzw. generellem Lebensstil schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe.“
Schlussendlich nehmen die Autoren noch die ganz großen ökonomischen Zusammenhänge in den Blick: „Noch immer investieren viele Banken und ärztliche Versorgungswerke in klimaschädliche Unternehmen und Projekte. Wer zu 'grünen' Banken wechselt, entzieht solchen Investitionen den Boden. Gleichzeitig muss die Ärzteschaft auch offiziell stärker auf grüne Investmentstrategien drängen, damit sich etwas ändert.“
Abgesehen davon, wer hier genau wen auf welche Art und Weise drängen soll, stellt sich doch wohl die Frage, ob mittlerweile nicht genau dieser dunkelgrüne Klimaschutz und seine absehbaren ökonomischen und sozialen Folgen die wesentlich größere gesundheitliche Bedrohung darstellen.