Stefan Frank / 04.11.2019 / 15:00 / Foto: Pixabay / 1 / Seite ausdrucken

Ägyptens dunkles Geheimnis: Waffenhandel mit Nordkorea

Im Spätsommer 2017 hatte ein UN-Bericht ans Licht gebracht, dass Ägypten 2016 versucht hatte, entgegen den UNO-Sanktionen Waffen und Munition aus Nordkorea zu kaufen. Der kambodschanische Frachter Jie Shun, der unter Beobachtung eines amerikanischen Geheimdienstes stand, war mit ausgeschaltetem Identifikationssystem vom nordkoreanischen Hafen Haeju zum Suezkanal gefahren. Die Amerikaner hatten die ägyptischen Behörden informiert. Ägyptische Grenzpolizisten inspizierten das Schiff und fanden unter 2.300 Tonnen Eisenerz große Mengen Waffen und Munition, darunter 30.000 Panzerfäuste. „Die größte Konfiskation von Munition in der Geschichte der Sanktionen gegen Nordkorea“, hieß es.

Bald darauf wurde bekannt, dass Ägypten offenbar die Waffen nicht nur gefunden und beschlagnahmt, sondern sie auch selbst bestellt hatte. US-Präsident Donald Trump strich daraufhin für Ägypten bestimmte Hilfsgelder in Höhe von 300 Millionen Dollar. Trump begründete dies mit den Menschenrechtsverletzungen in Ägypten, doch noch im April 2017 hatte er den ägyptischen Präsidenten al-Sisi im Weißen Haus empfangen und überschwänglich gelobt; darum mutmaßten Beobachter, dass der wahre Grund die geheimen Militärbeziehungen zwischen Ägypten und Nordkorea waren. Wie die asiatische Nachrichtenseite The Diplomat erklärte, reichen diese bis zu Nassers Machtübernahme im Jahr 1952 zurück:

„Obwohl Ägypten seit den 1970er Jahren ein wichtiger US-Verbündeter im Nahen Osten ist, bleibt Kairo einer von Pjöngjangs wichtigsten Partnern in der arabischen Welt. Ägyptens enge Beziehungen zu Pjöngjang können durch die historische Bande erklärt werden, die aus den gemeinsamen Erfahrungen als blockfreie Verbündete der Sowjetunion und das über lange Zeit starke Interesse des ägyptischen Militärs an der Beschaffung nordkoreanischer Militärtechnologie resultiert.“ 

Beide Länder haben mutmaßlich schon früh gemeinsame Raketenforschung auf Basis der sowjetischen Scud-Rakete betrieben. Im Jom-Kippur-Krieg 1973 kämpften nordkoreanische Piloten aufseiten der Ägypter gegen Israel.

Angst vor Erpressung

Nun berichtet die Washington Post über interne ägyptische Regierungsdokumente, von denen die Zeitung Kenntnis erlangt hat. Demnach gab es nach dem Waffenfund im Jahr 2016 offenbar zwischen Nordkorea und Ägypten Streit um die Bezahlung, und Ägypten fürchtete sich vor einer Erpressung. Zu den neu gewonnenen Erkenntnissen gehört der Washington Post zufolge, dass die ägyptische Regierung ausdrücklich anerkennt, dass die Waffen für das ägyptische Militär bestimmt waren.

Nachdem die UNO sie an sich genommen hatte, forderte Nordkorea laut der Zeitung weiterhin die Zahlung von rund 23 Millionen US-Dollar: „Die neu ans Licht gekommenen Dokumente zeigen, dass die ägyptischen Beamten offenbar große Besorgnis über eine Reihe von Problemen zeigten, die sich aus der Entdeckung der Waffensendung ergaben, einschließlich der Möglichkeit, dass Nordkorea damit drohte, Einzelheiten der Geschäftsbeziehung preiszugeben.“

Die Dokumente des ägyptischen Außenministeriums seien von März bis Mai 2017 datiert – bevor die Rolle Kairos beim Waffentransfer öffentlich bekannt wurde. In einem für den ägyptischen Außenminister Sameh Shoukry erstellten Memo vom 28. Mai 2017 wird demnach erörtert, wie unglücklich Nordkorea darüber sei, dass die Panzerfäuste gefunden worden waren. Erwähnt werde ein Brief Nordkoreas an die Arabische Organisation für Industrialisierung – die staatliche ägyptische Militärindustrie –, in dem „die Zahlung gefordert und vage Drohungen ausgesprochen werden“. „Der Brief enthielt erneut Drohungen der nordkoreanischen Seite, bekannt zu geben, was sie über Einzelheiten dieser Lieferung wissen“, heißt es der Zeitung zufolge in dem Memo.

„Schnelle finanzielle Einigung“

Weiter gehe daraus hervor, dass die ägyptische Firma bestritten habe, etwas über den Waffenhandel zu wissen, „ein paar Sätze später“ aber auf „schnelle finanzielle Einigung“ gedrängt habe, um die Nordkoreaner zu beschwichtigen. „Wir haben klargestellt, dass das Außenministerium es bevorzugt, die Bearbeitung dieses Vergleichs zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beschleunigen“, heißt es weiter. Dies solle möglichst vor dem Ende der Mitgliedschaft Ägyptens im UN-Sicherheitsrat im Dezember 2017 geschehen. Ein Memo vom 28. Mai 2017 enthalte eine Strategie zur Beilegung des Zahlungskonflikts, so die Zeitung:

„Laut diesem Plan würde der ägyptische Militärgeheimdienst die Verhandlungen über Nordkoreas Militärattache in Kairo führen. In dem Memo wird ein Darlehen erwähnt, das Ägypten Nordkorea kürzlich gegeben habe – die Einzelheiten sind in den Dokumenten nicht dargelegt –, und es wird vorgeschlagen, dass Pjöngjang eine geringere Zahlung für die Panzerfäuste als Gegenleistung für großzügigere Konditionen bei der Rückzahlung des Darlehens akzeptieren könnte.“ 

Mit dem Spielen dieser „Karte“ sei es bereits „gelungen, die koreanische Seite zur Kommunikation mit der ägyptischen Seite zu bewegen“, heißt es weiter. Wie die Angelegenheit letztendlich geklärt wurde – und wie viel Geld, wenn überhaupt, bezahlt wurde –, gehe aus den Dokumenten nicht hervor, so die Washington Post.

Waffenumschlagplatz Ägypten

Ägypten ist nicht nur Kunde der nordkoreanischen Waffenindustrie, sondern mutmaßlich auch ein großer Umschlagplatz. Das geht aus einem Bericht der New York Times von März 2018 hervor („Need a North Korean Missile? Call the Cairo Embassy“). Darin wird unter Berufung auf Inspektoren der Vereinten Nationen und nordkoreanische Überläufer geschildert, dass Nordkoreas Botschaft in Kairo „zu einem geschäftigen Waffenbasar für den geheimen Verkauf von nordkoreanischen Raketen und preisgünstiger sowjetischer Militärausrüstung in ganz Nordafrika und im Nahen Osten geworden“ sei:

„Geschützt durch die diplomatische Fassade und Strohmannfirmen reisten nordkoreanische Offizielle in den Sudan, gegen den damals ein internationales Handelsembargo verhängt worden war, um satellitengesteuerte Raketen zu verkaufen. Andere flogen nach Syrien, wohin Nordkorea Artikel lieferte, die zur Herstellung chemischer Waffen verwendet werden konnten.“

Im November 2016 erließ der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Sanktionen gegen mehrere nordkoreanische Staatsangehörige, die im Verdacht standen, Waffenhändler Nordkoreas zu sein. Einer von ihnen war Pak Chun-il, Nordkoreas Botschafter in Kairo. Am 12. September 2017 erklärte Ägypten, als Reaktion auf einen Raketentest Nordkoreas die militärischen Beziehungen zu dem Land einstellen zu wollen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.

Foto: Pixabay

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Wolfgang Kaufmann / 04.11.2019

Ein isolierter Staat wie Nordkorea könnte gar nicht so viele Waffen produzieren und demonstrativ ins Meer feuern ohne den geheimen Transfer von Material und Wissen. Es würde mich nicht wundern, wenn da tatsächlich einige Schurkenstaaten zusammenarbeiten, um die UNO-Sanktionen zu unterlaufen. Zum Beispiel jene Friedensfreunde, die auch gern mal drei Dutzend Diplomaten für 444 Tage bei sich behalten.

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