Stefan Frank / 13.04.2020 / 15:00 / Foto: Pixabay / 3 / Seite ausdrucken

Ägypten schränkt wegen Corona den Bargeldverkehr ein

In vielen Ländern der Welt gibt es derzeit Güter, die von den Bürgern bevorzugt gehortet werden: in Deutschland Klopapier, in Finnland Weinkanister, in Griechenland Fetakäse, in Serbien Obstbrand (Rakija), in Spanien Schinken, in Moldawien Knoblauch, in den Niederlanden Cannabis, in der Türkei Kölnisch Wasser.

In Ägypten fürchtet sich die Bevölkerung offenbar vor einer Zahlungsmittelknappheit im Zuge einer Bankenkrise. Vielleicht nicht ohne Grund, denn Ägyptens Wirtschaft ist von der weltweiten Wirtschaftskrise stark betroffen: Der Touristenstrom ist versiegt, durch den Suezkanal fahren kaum noch Schiffe, die Öl- und Gaspreise sind im Keller, und die ägyptischen Gastarbeiter und Geschäftsleute im Ausland überweisen weniger Geld nach Hause.

Somit sind die wichtigsten Einnahmequellen des ägyptischen Staates gleichzeitig weggebrochen. Ob Saudi-Arabien das befreundete Sisi-Regime in Ägypten dauerhaft wird mit Geld unterstützen können, scheint angesichts eines Ölpreises, von dem manche Beobachter meinen, dass er bald unter Null fallen könne, ebenfalls fraglich.

Eine Warnung, die viele Ägypter sicherlich vor Augen haben, ist auch der Libanon, wo die Bürger schon seit Herbst letzten Jahres keinen vollständigen Zugriff auf ihre Bankkonten haben. Das ist nun auch in Ägypten der Fall.

Bargeldabhebungen begrenzt

Am Sonntag verfügte die ägyptische Notenbank (CBE), dass die täglichen Bargeldabhebungen und -einzahlungen bei allen im Land tätigen Banken „vorübergehend“ begrenzt werden. Damit solle „Panikabhebungen“ und dem „Horten“ von Bargeld inmitten der Covid-19-Pandemie ein Riegel vorgeschoben werden.

Das tägliche Abhebungslimit beträgt jetzt 10.000 Ägyptische Pfund (585 Euro) für Einzelpersonen und 50.000 Ägyptische Pfund (2.922 Euro) für Unternehmen. Letztere sind jedoch von Einzahlungs- und Abhebungslimits für die Zahlung von Gehältern befreit. Zudem legte die CBE ein Limit von 5.000 Ägyptischen Pfund (292 Euro) für Bareinzahlungen und -abhebungen an Geldautomaten fest.

Laut der CBE zielen die Maßnahmen auch darauf ab, das Menschengedränge bei den Banken zu verringern, das bei den Banken zu Spitzenzeiten entstehe, wenn die Gehälter und Renten abgehoben werden.

Logisch scheint diese Erklärung allerdings nicht: Wenn sie wissen, dass sie pro Tag nur eine begrenzte Menge Bargeld abheben können, werden viele Kunden, die üblicherweise nur selten Geld abheben, jeden Tag eine Filiale aufsuchen, so dass der Andrang nicht kleiner, sondern größer wird.

Die Notenbank forderte die Ägypter auf, stärker als bisher Banküberweisungen und elektronische Zahlungsmethoden zu nutzen. Alle Gebühren, die bislang im Zusammenhang mit Banküberweisungen und elektronischen Zahlungen erhoben werden, sollen ab sofort wegfallen.

Bargeldrate einschränken

In einem Telefoninterview mit einem Fernsehsender, aus dem die halbstaatliche Zeitung Al-Ahram zitiert, sagte Notenbankchef Tarek Amer am vorletzten Sonntag, dass in letzter Zeit „riesige Geldbeträge“ von den Banken abgezogen worden seien: „In den letzten drei Wochen wurden rund 30 Milliarden Pfund (1,75 Milliarden Euro) von den Banken abgehoben. Wir wollen mehr Disziplin.“

Überhaupt würden die Ägypter viel zu viel Bargeld benutzen – umgerechnet 32 Milliarden Euro seien im Umlauf. Unternehmen sollten ihren Umgang mit Bargeld einschränken und sich stattdessen für Überweisungen entscheiden. „Ägypten hat die höchste Bargeldrate in der Region.“

Jedes Institut, das Bargeld benötige, könne über Online-Transaktionen einen beliebigen Betrag erhalten, sagte Amer. Er kündigte an, dass es in Zukunft Geldstrafen für Bargeldtransaktionen gebe, die über eine bestimmte Grenze hinausgingen. Unternehmen hätten ein Jahr lang Zeit, sich an die neuen Regeln anzupassen. Als ein Beispiel für Geschäfte, bei denen in Zukunft kein Bargeld mehr benutzt werden darf, nannte er den Verkauf von Autos.

Hany Abul-Fotouh, ein von Al-Ahram zitierter Finanzanalyst, lobte die Maßnahmen: „Ungerechtfertigte Befürchtungen eines Geldmangels inmitten der Pandemie“ hätten die Liquidität der ägyptischen Banken beeinträchtigt. Zudem berge Bargeld seiner Meinung nach das Risiko der Verbreitung des Coronavirus.

Im Übrigen habe die gegenwärtige Ausgangssperre und der kürzere Arbeitstag bei den Banken „praktische Schwierigkeiten“ bei der Durchführung von Geldtransfers mit sich gebracht und die Überweisung von Geldern von der Notenbank an die Geschäftsbanken und ihre Filialen „logistisch erschwert“.

Er nannte es als ein „Ziel“ der Regierung, Ägypten von einer von Bargeld abhängigen Gesellschaft zu einer Gesellschaft zu transformieren, die hauptsächlich elektronische Zahlungswege nutzt, und sprach in diesem Zusammenhang von einer „Testphase“.

Unbehagen über Beschränkungen

Einige Unternehmen äußerten laut Al-Ahram ihr Unbehagen über die täglichen Beschränkungen für Bargeldabhebungen und -einzahlungen.

So sagte der Verband der Geflügelproduzenten in einer Erklärung, er befürchte Nachteile für seine Mitgliedsunternehmen, deren Handel weitgehend in bar abgewickelt werde. Die Änderung des Systems und die Umstellung auf elektronische Zahlungen würde Zeit erfordern, um Betriebe, Futtermittelfabriken, Veterinärapotheken und andere Unternehmen mit den erforderlichen Instrumenten für den Umgang mit elektronischen Zahlungen auszustatten.

Der Verband forderte die Notenbank auf, die Entscheidungen für bestimmte Unternehmen, die vom täglichen Bargeldhandel abhängen, zu überdenken, damit sie „keinen plötzlichen und störenden Schock“ erlitten.

Als Teil ihrer Strategie, die Ägypter zum elektronischen Zahlungsverkehr zu motivieren, hat die Regierung eine Website eingerichtet, über die die Bürger ihre Stromrechnungen bei allen neun im Land tätigen Anbietern elektronisch begleichen können. Dabei können sie einen von 15 E-Payment-Anbietern wählen. Wer das nicht will, kann die Stromrechnung auch an 10.000 Bankautomaten bezahlen oder wiederaufladbare Prepaid-Karten verwenden, wie man es von Mobiltelefonen her kennt. Auch so soll der Einsatz von Bargeld zurückgedrängt werden.

Ägypten habe ein „starkes Digitalisierungspotenzial“ und werde das Angebot an elektronischen Behördendienstleistungen vorantreiben, sagte Präsident Abdel-Fattah El-Sisi.

Keine gesicherten Informationen über Corona

Ägypten meldete den ersten Fall von Covid-19 am 14. Februar. Die Zahl der bestätigten Fälle stieg bis zum 5. April auf 1.173, zu diesem Zeitpunkt wurden 78 Tote gemeldet. Laut einem Bericht der New York Times gibt es im Land 50 Testzentren und acht Isolationsstationen sowie für die Behandlung von Covid-19-Patienten bestimmte Krankenhäuser. Die Angestellten im Gesundheitssystem hätten vom Präsidenten einen „bescheidenen Bonus“ erhalten, so das Blatt.

Als die New York Times den Bericht schrieb (Ende März) meinten die Behörden, die Lage noch unter Kontrolle zu haben – dank der Verfolgung von Infektionsketten, Isolation von Erkrankten, einer nächtlichen Ausgangssperre und der Schließung von Moscheen, Schulen und touristischen Ziele.

Objektive, ungeschönte Informationen aus dem Land zu bekommen, ist allerdings nicht leicht: Wer den offiziellen Angaben der Regierung über das Ausmaß der Epidemie im Land widerspricht, muss mit Strafverfolgung und Haft rechnen.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.

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Leserpost

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Wilfried Cremer / 13.04.2020

Ägypten steht vor einer Hungersnot, oder man lässt China einen Hafen bauen und die Teilkontrolle über den Kanal bestreiten. Die Drachensöhne könnten dabei aus der Hüfte auch den Gazastreifen ruhig stellen. Wir Kartoffeln werden ausgelastet sein, Italien zu retten.

Josef Hunne / 13.04.2020

Mal abwarten, wann einer unserer Politiker-Darsteller die Warnung formuliert, dass wir Gefahr laufen, uns von den Ägyptern den Modernitäts-Weltmeister streitig machen zu lassen…

Jens Richter / 13.04.2020

Ich bin jetzt ganz unsicher. Ist das genauso schlecht wie das Vorhaben der EU oder ist es nicht so schlecht oder sogar zu begrüßen, weil Ägypten nicht zur EU gehört? Im UK wird ähnliches schon länger geplant (cashless life), aber das UK hat den Johnson, dann ist das dann auch was ganz anderes und gut (Johnson!)

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