Klaus Leciejewski, Gastautor / 15.12.2019 / 10:00 / Foto: Pixabay / 8 / Seite ausdrucken

Adventszeit in Kuba

Es war ein wohltuender Erster Advent! Erst den Baum anputzen, aus China, gekauft in Guatemala von einem Deutschen, aufgestellt in Kuba. Sagt da noch jemand etwas gegen die Globalisierung? Dann das Haus schmücken, Weihnachtslieder laut aufgedreht, zwischendurch einen heißen Kakao und einen selbstgebackenen Zitronenkuchen aus der Fertigmischung, die gab es gerade in einem Supermarkt. Es war die einzige, auch der einzige Supermarkt dafür, aber in der vorweihnachtlichen Stimmung bitte nicht meckern. Zuletzt die Außenbeleuchtung, da wurde es schon schummrig, alle Lämpchen glühten und die Kügelchen glitzerten, Nachbarn und Passanten lugten in unseren Vorgarten: Ach, wieder die Deutschen! Aber schön ist es doch!

Dann unter die Dusche, es tröpfelte nur und rauschte, irgendwie komisch. Gegenprobe über der Badewanne, nur noch pluppp, plupp, plup. Erschrecken: Wir haben kein Wasser! Telefonat mit Nachbarn: Ja, ja, schon seit fünf Tagen kommt kein Wasser in der Straße an. Wusstet Ihr das denn nicht? Wieso, hat uns ja keiner gesagt, Ihr nicht, nicht die Wasserbehörde, nicht die Polizei, auch keine Tankwagen mit Trinkwasser, fünf Tage lang nichts. Warum gibt es kein Wasser? Wissen wir auch nicht. Weshalb wurden wir nicht benachrichtigt? Wissen wir nicht. Wann kommt das Wasser wieder? Wissen wir nicht. Was habt Ihr unternommen? Muchacho, wo lebst Du denn! Das hier ist Kuba!

Einige Tage zuvor hatten wir zahlreiche Pflanzen gekauft, auch Sträucher und ein Bäumchen. Die Pflanzen blühten, es war ja Weihnachten. Alles musste täglich gewässert und die Klamotten gewaschen werden, außerdem auch die Bettwäsche und Tischtücher, Weihnachten stand vor der Tür! Havanna hatte eine kalte Woche erlebt, tags knappe 28 und nachts 18 Grad, ein Sturz von 32 und 29, fast alle unsere Freunde waren erkältet, selbstverständlich waren wir (noch) nicht so verweichlicht, aber die Freunde steckten uns an, lange heiße Bäder und Duschen.

Goliath atmete tief durch

Wir haben zwei Plastiktanks mit je 2.000 Litern, einer auf dem Dach, einer hinter dem Haus in einem Verschlag. Der auf dem Dach hat den Vorteil, dass wir im Sommer kein Wasser erwärmen müssen, allerdings haben wir dann auch kein kaltes. Sollte ein Hurrikan die Wasserversorgung unterbrechen, rechneten wir uns aus, es drei bis vier Wochen ohne Wasserversorgung durchzuhalten. Von der gegenwärtigen Unterbrechung hatten wir jedoch nichts erfahren. Fröhlich wässerten, wuschen und duschten wir weiter bis zum Abend des ersten Advents, als aus dem Wasserhahn nur noch so komische Laute drangen.

Kein Wasser zum Händewaschen, keines zum Spülen der Toilette und keines zum Kochen. Aber dank meiner ostdeutschen Vorratswirtschaft verfügten wir noch über zwei Plastikbehälter mit jeweils 5 Liter Mineralwasser. Außer für das Gesicht und die Zähne brauchten wir nicht so viel. Auch Kochen mussten wir nicht, Käse, Brot und Butter waren noch da, auch ausreichen Cola und vor allem Bier! Zur Not hätten wir unser Klamotten auch mal drei Wochen tragen können. Über Silvester wollen wir nach Panama, da hätten wir neue kaufen können. Nur für die Toilette hatten wir keine Lösung.

Ich ging ins Bett und sann über einem Plan nach. Unsere kubanischen Nachbarn waren aus dem Bereich Duckmäuser, ich aus dem Bereich Attacke! Morgen in aller Herrgottsfrühe zur Wasserbehörde: Warum nicht benachrichtigt, was die Ursache, wann repariert und unbedingt noch heute, sogleich, einen LKW mit einem Wassertank. Ich schätzte ein: wenig Erfolg. Also sodann zur Fernsehzentrale, sofort Filmteam in unsere Straße, Skandal, eine ganze Straße fünf Tage ohne Wasser und niemand kümmert sich darum. Aussichten? Auch eher mau. Zuletzt der ganz große Hammer. Zum Gebäude des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas auf dem Revolutionsplatz. Die Partei hat die führende Rolle, sie soll der große Kümmerer im Sozialismus sein, außerdem wird alles Wichtige ganz oben entschieden, in Kuba gibt es nichts Unwichtiges.

Schon in der Nacht war ich stolz auf mich. Darüber schlief ich ein, bis mich Rufe meiner Frau weckten: „Klaus, Klaus, es läuft wieder, Klaus, es läuft!“ Zufrieden schlief David wieder ein, die Schleuder lag in der Schublade des Nachttisches, und Goliath atmete tief durch: Noch mal gut gegangen.

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J.G.R. Benthien / 15.12.2019

Zitat: Frage: »Man fragt sich unweigerlich, warum lebt man freiwillig als Deutscher auf Kuba?« — Antwort: Weil ALLES besser ist als Stasi 4.0 mit der grössten Verbrecherin aller Zeiten an der Spitze. Ausserdem wird es in Kuba nicht wirklich kalt, man muss sich nicht mit der hirnverbeulten Schwedengöre beschäftigen, ...

Otto Nagel / 15.12.2019

Wenn ich von hier weg muß, dann ist Kuba mit in der Lostrommel.  Einreise mit zwei Stunden Wartezeit und Wegnahme eines Apfels. Ich erkämpfte ihn wieder und verkonsumierte ihn vor zwei mißvergnügten Kommandeusen. Das vorbestellte und bezahlte Mietauto war vorhanden, sogar ein fast neuer japanischen Jeep-Verschnitt. Im Hotel war unsere Zimmerkategorie überbucht, wir erhielten eine Sweet über zwei Etagen und Zugang zum VIP-Frühstücksraum. Ja, so stellt man sich Urlaub im Sozialismus vor !  Der Slalom auf der zerlöcherten Autobahn einige Tage später, echtes Abenteuer, wurde unterbrochen durch einen unechten Polizisten, der die Mitnahme weiterer Personen in unserem kapital. Gefährt anordnete, ähh “erbat”. Einer stieg ein und freundlich, wie wir waren, fuhren wir ihn in sein Dorf. Das Gründen solcher “Fahrtgemeinschften” werden die Grünen bald auch hierzulande erbeten. Die Dorfoberen begrüßten uns freundlich und führten uns in eine Tabakscheune. Dort erwarteten uns feingestapelte Haufen mit solch wohltönenden Namen wie “Romeo y Julia” und “Cohiba” , natürlich völlig ” legal” , oder auch in meiner Vergangenheit als “Exportüberhang” bekannt. Nach dem Rauchen einer Friedenszigarre waren wir uns schnell handelseinig. In einem unserer Privatquartiere wurde uns wie dort üblich, auch Abendessen angebioten, einzige Möglichkeit der schon länger dort Lebenden, um an Westgeld heranzukommen. Mus man erleben,  Kuba libre, Vorsuppe, Lobster ( fast besser als an Waterfronts Pier 5 ),  Kaffee und Rum als Absacker, alles für umgerechnet 9 € ! Danke an Buri und Ernestine, viele weiter deutsche Abenteurer wünsche ich Euch ! Jetzt aber Schluß mit dem Erfahrungsbericht, man muß es selbst erleben.  Also, pfeift auf euren CO2-Abdruck und fliegt nach Kuba, es lohnt sich auf alle Fälle !

Karla Kuhn / 15.12.2019

Ich schließe mich Frau Schönfelders Schreiben an, es sind genau meine Fragen, die mir durch den Kopf schossen, als ich Ihren Bericht gelesen habe. Nur eine Frage, Attacke ?? Wohl eher Masochismus oder Zweckoptimist ? Trotzdem, schöne “Satire” und frohes Fest mit der Chinatanne, dem Zitronenkuchen und vor allem mit genügend Wasser. Herr Gartner, malen Sie den Teufel nicht an die Wand ! Allerdings sehe ich auch schwarz !

Sabine Schönfelder / 15.12.2019

Netter Bericht. Man fragt sich unweigerlich, warum lebt man freiwillig als Deutscher auf Kuba? Entweder mag man das einfache und spannende Dasein des Lebens, macht ein survival-training oder ist wahnsinnig in eine heißblütige, liebenswerte Kubanerin verliebt. Die Antwort darauf, können Sie uns dann im nächsten Beitrag mitteilen…..Frohe Weihnachten.

A. Nöhren / 15.12.2019

Herrliche Geschichte. Aber erinnert mich ein bisschen an bevorstehende Stromausfälle wegen Dunkelflaute hier bei uns in Deutschland, nur dass dann hier die Menschen weder Wasservorrat noch andere lebenswichtige Vorräte haben und bei dieser Situation nicht so locker miteinander umgehen werden.

beat schaller / 15.12.2019

Herrlich, einfach nur herrlich!!! Wär doch mal ein eindrücklicher Lehrgang mit anschliessendem Praxisexperiment für politische Vorbildung! Leider sind die aber bildungsresistent und darum bliebe es wohl beim LEErgang! Tolle Geschichte Herr Leciejewski , danke! b.schaller

Karsten Dörre / 15.12.2019

Kauf eines Weihnachtsbaum in Guatemala und aufgestellt in Kuba. Schämen sollten Sie sich Ihres CO2-Fußabdrucks! Moderne Menschen glauben nicht mehr. Diese leben einen asketischen Symbolismus, ohne Schnickschnack und Licht (vielleicht das elektronische Einhorn-Emoticon als Glaubenssymbol).

Engelbert Gartner / 15.12.2019

Seltsam.  Als ich diesen Bericht aus dem sozialistischen Cuba gelesen habe, mußte ich ganz plötzlich an die Zukunft unsers Landes denken. Mit traurigen Grüßen E. Gartner

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